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News: Als Sputnik die Welt in Atem hielt

Vor fünfzig Jahren schoss die Sowjetunion ihren Satelliten Sputnik 1 ins All. Der Flug läutete das Zeitalter der Raumfahrt ein – und war doch nur ein Nebenprodukt der militärischen Aufrüstung.
Sputnik 1
Am 4. Oktober 1957 erhält Henry Richter einen Anruf. Sein Chef William Pickering ist am Apparat. Pickering, Direktor am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der Nasa, erzählt etwas von einem sowjetischen Satelliten, der soeben gestartet sei. Die Russen hätten mitgeteilt, dass das Fluggerät auf einer Frequenz von zwanzig Megahertz sende, und Richter solle versuchen, die Signale zu empfangen.

Richter setzt sich also ans Funkgerät, bedient Regler und Schalter und lauscht. Aber so sehr er sich auch bemüht – er hört nur Rauschen. Er hat den Verdacht, dass die Hochspannungsleitungen, die in der Nähe des JPL-Geländes verlaufen, diese Frequenz abschirmen. Also ruft er einen befreundeten Amateurfunker an, der in der Nähe wohnt. Der Freund hat zwar keine Antenne für 20-Megahertz-Wellen, weiß sich aber zu helfen, indem er ein Gazefenster aus Draht – dafür gedacht, Insekten abzuwehren – kurzerhand zu einer solchen umfunktioniert.

Wenig später ruft der Amateurfunker zurück und sagt, er hätte das Signal gehört. "Ich war wie benommen", erinnert sich der 80-jährige Richter heute. Die Russen hatten einen Satelliten ins All geschossen – den ersten in der Geschichte der Menschheit! Die Amerikaner, die fest damit gerechnet hatten, den Wettlauf ins All für sich zu entscheiden, wurden völlig überraschend auf den zweiten Platz verwiesen.

Was war passiert? Gefaulenzt hatten die Amerikaner jedenfalls nicht. Schon seit 1954 arbeiteten US-Wissenschaftler an dem Satelliten- und Raketenprojekt "Orbiter". Im April 1955 begannen sie damit, einen Weltraumflug im Spätsommer 1957 zu planen. Doch Mitte 1955 ordnete US-Präsident Dwight Eisenhower überraschend an, das Projekt zu beenden. Es musste dem neuen Unternehmen "Vanguard" weichen, das großzügiger geplant war und eine reichere wissenschaftliche Ausbeute versprach. Dieses Umsatteln warf das amerikanische Satellitenprogramm entscheidend zurück.

Denn zur gleichen Zeit lief auch die sowjetische Raketenentwicklung auf Hochtouren. An dem damals wichtigsten Rüstungsprojekt der Sowjetunion arbeiteten mehrere hundert Männer unter Führung des Raketenkonstrukteurs Sergej Koroljow. Das Ziel: die Integration eines atomaren Sprengkopfes in eine Interkontinentalrakete.

1957 testeten die Sowjets ihre Langstreckenrakete R-7. Sie wollten sicherstellen, dass das Vehikel funktioniert, bevor Atombomben darin eingebaut würden. Die Versuche misslangen; die Raketen stürzten ab oder setzten die Sprengkopf-Attrappen nicht wie geplant frei. Schließlich wurden die Tests eingestellt.

Zwei Raketen blieben jedoch übrig. Staatschef Nikita Chruschtschow, der ein gutes Verhältnis zu Koroljow hatte, erlaubte diesem, damit zwei Satelliten in den Orbit zu schießen. Und so kam es, dass im Herbst 1957 "Sputnik 1" in den Weltraum flog, wenig später gefolgt von "Sputnik 2" mit der Hündin Laika an Bord.

Die Amerikaner waren starr vor Schreck. Sie hatten offenbar nicht im Geringsten damit gerechnet, dass die Russen ihnen die Show stehlen könnten. Noch lange nach Sputniks Start spekulierten viele im Westen, dass der Flug nur simuliert worden sei – es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Die sowjetischen Raketenkonstrukteure selbst beurteilten die Sache offenbar nüchterner. Einer von ihnen, Sergej Chruschtschow, bezeichnete die Sputnik-Flüge später als bloßes "Entertainment".

FS

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