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News: Alt, aber nicht reich

Eutrophierung und zunehmende Verlandung schien bisher das unwiderrufliche Schicksal jedes Süßwassersees zu sein. Doch dem ist nicht so. Die Lebensgeschichte eines Sees hängt vielmehr von der Entwicklung seiner unmittelbaren Umgebung ab, wie Wissenschaftler jetzt in Alaska herausgefunden haben. Hier wurden Seen mit der Zeit sogar nährstoffärmer. Das stellt ein lang geltendes ökologisches Modell auf den Kopf.
Süßwasserseen gelten als Paradebeispiel für Ökosysteme. Scheinbar durch äußere Einflüsse nur wenig gestört, ist der Lebensraum mit seinen biotischen und abiotischen Faktoren überschaubar und damit relativ leicht zu untersuchen. Hinzu kommt ihr erdgeschichtlich jugendliches Alter: Die meisten Seen der gemäßigten und nördlichen Zonen entstanden während und nach der Eiszeit und sind damit kaum älter als 10 000 Jahre. Ihre typische Lebensgeschichte – die Sukzession – galt unter Ökologen als vorgezeichnet: Sie beginnt als verhältnismäßig tiefes Gewässer mit nur wenigen Nährstoffen und entsprechend geringer Besiedlung. Mit der Zeit reichern sich die Nährstoffe an, dadurch nimmt auch das Algenwachstum immer mehr zu, die biologische Produktivität steigt. Der See verwandelt sich von einem oligotrophen zu einem eutrophen Gewässer. Nach und nach können die abgestorbenen Organismen im Sediment des Sees nicht mehr schnell genug abgebaut werden. Das Sediment wächst, der See wird flacher und verlandet zunehmend, bis er sich schließlich in ein Moor verwandelt.

Diese typische Sukzession muss jedoch keineswegs immer so ablaufen, betont Daniel Engstrom von der St.Croix Watershed Research Station des Science Museum of Minnesota. Zusammen mit seinen Kollegen untersuchte er 33 Seen des Glacier Bay National Park in Alaska (Nature vom 9. November 2000). Durch den Rückgang der Gletscher nach der letzten Eiszeit entstand hier sukzessive eine Seenkette mit unterschiedlichem Alter von nur wenigen Jahrzehnten bis maximal 13 000 Jahre. Hierbei zeigte sich keineswegs eine Eutrophierung mit zunehmenden Alter. Trotz großer Schwankungen zwischen den einzelnen Seen gab es einen allgemeinen Trend zur zunehmenden Versauerung, zum Anstieg des Gehaltes an organischem Kohlenstoff und zum Rückgang an anorganischen Nährstoffen. Die biologische Produktivität nahm ab statt zu – die Seen wurden oligotropher.

Die Wissenschaftler verglichen die Entwicklungsgeschichte der Seen mit der Sukzession der umliegendenden terrestrischen Vegetation. Hierbei fanden sie einen ähnlichen Ablauf: Nach dem Rückzug der Gletscher siedeln sich typischerweise – so auch hier in Alaska – Erlen auf den frei gewordenen Flächen an. Die Nährstoffe des Bodens werden verbraucht, die Erlenblätter tragen zur Versauerung des Bodens bei. Da ähnliche Tendenzen – Rückgang des Nährstoffgehalts und des pH-Wertes – sowohl an Land als auch in den Seen auftraten, scheint die Sukzession der Seen eng an die des umliegenden Landes gekoppelt zu sein. Diese Kopplung – beispielsweise durch das Grundwasser – ist jedoch nicht immer gleich stark ausgeprägt. Räumlich benachbarte Seen können sich also durchaus auch unterschiedlich entwickeln.

"Das traditionelle Modell der zunehmenden Eutrophierung mit der Zeit passt nicht zu den untersuchten Seen der Glacier Bay", fasst Engstrom seine Ergebnisse zusammen. Er betont, dass ähnliche ökologische Bedingungen in Nordamerika, Europa und Asien herrschen. Die zeitliche Entwicklung vieler Seen ist daher wahrscheinlich häufig an das umliegende Land gekoppelt. Der Ökologe George Kling von der University of Michigan pflichtet ihm bei: "Es ist klar, dass Klima, Geomorphologie und Ökologie die sich gegenüberstehenden Hauptpersonen sind. Wir müssen herausfinden, wann und wo, was in der Vergangenheit passierte. Dies wird unsere Auffassung darüber bestimmen, wie sich aquatische Ökosysteme in Zukunft verändern."

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