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News: Alte Funde aus der Kälte

Bei der Eroberung des Planeten erreichte der Mensch die unwirtlichen Regionen der Arktis erst spät - so die gängige Meinung der Anthropologen. Doch dem scheint nicht so zu sein. Denn jetzt entdeckten Wissenschaftler in der russischen Arktis Spuren menschlicher Existenz, die fast 40 000 Jahren alt sind.
Vor 40 000 Jahren fand ein dramatischer Wechsel in der Geschichte der Menschheit statt. Von Süden kommend, drang der moderne Mensch (Homo sapiens sapiens) immer weiter nach Europa vor und verdrängte seinen Vetter, den Neandertaler (Homo sapiens neanderthalensis), der hier seit Jahrtausenden heimisch war. Archäologen markieren diesen Epochenwechsel als Übergang von der mittleren zur jüngeren Altsteinzeit.

Zu dieser Zeit war das Klima in Europa ziemlich ungemütlich. Weite Teile Nord- und Osteuropas waren von Eis bedeckt. Anthropologen hielten es daher für ausgeschlossen, dass sich der Neandertaler weit nach Norden zurückziehen konnte. Als ebenso ausgeschlossen galt, dass der moderne Mensch bereits so früh Nordeuropa erreichte und im rauen, arktischen Klima überleben konnte. Erst seit dem Ende der letzten Eiszeit vor etwa 13 000 Jahren erreichte der Mensch die Arktis, so glaubten die Wissenschaftler bis jetzt.

Bis jetzt. Denn nun scheint ein Fund in der russischen Arktis die Geschichte auf den Kopf zu stellen. Pavel Pavlov von der Russian Academy of Sciences sowie John Svendsen und Svein Indrelid von der University of Bergen entdeckten bei Mamontovaya Kurya am Polarkreis in der Nähe des Urals Spuren menschlicher Besiedlung: Steinwerkzeuge, Pferde- und Rentierknochen sowie einen von Menschenhand bearbeiteten Mammutzahn. Die Radiokarbondatierung der Artefakte ergab ein Alter von 35 bis 40 000 Jahren.

Leider verraten die Funde nicht, wer sie hier zurückgelassen hat. Genau das wäre aber interessant. Waren es Neandertaler, dann würde dies wieder einmal das Bild des plumpen, primitiven Urmenschen widerlegen. Denn um in der Arktis überleben zu können, bedarf es nicht nur physiologischer, sondern auch sozialer Anpassungen. Die Bewohner benötigten warme Kleidung, Unterkunft und Feuer. Da hier nur wenig Pflanzen gediehen, mussten sie sich hauptsächlich von Fleisch ernähren und daher gemeinsam zur Jagd gehen.

Auch die Gegenhypothese, die arktischen Bewohner waren moderne Menschen, klingt unwahrscheinlich. Denn dann hätte Homo sapiens sapiens, der nach der Out-of-africa-Hypothese vor weniger als 100 000 Jahren Afrika verließ, in erstaunlich kurzer Zeit den gesamten europäischen Kontinent besiedelt.

Vielleicht war das Klima damals doch nicht ganz so unwirtlich, spekulieren die Wissenschaftler. Zumindest Nordosteuropa, wozu die Fundstelle am Ural gehört, könnte vor 40 000 Jahren relativ trocken und vielleicht kurzfristig eisfrei gewesen sein. Andererseits deuten klimatische Daten darauf hin, dass die Temperaturen damals mindestens zehn Grad niedriger lagen als heute. Egal wer hier lebte, kalt war ihm auf jeden Fall.

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  • Quellen
Nature 413: 33–34 (2001)
Nature 413: 64–67 (2001)

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