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Zellbiologie: Altersschwache Schleusenwärter

Im Spiegel sind die Spuren der Jahre irgendwann offensichtlich. Doch was auf zellulärer Ebene dazu führt, ist nur teilweise bekannt. Offenbar gibt es dort Proteine, die ihre wichtige Funktion im Laufe der Zeit immer mehr vernachlässigen - und uns deshalb altern lassen.
Kernpore
Das Altern schreitet unaufhaltsam voran und trifft im Laufe der Zeit alle Zellen des Körpers. Schäden an den verschiedenen Komponenten der Zelle haben dabei höchst unterschiedliche Folgen: Mutationen in der DNA können genau so verhängnisvoll sein wie nicht mehr funktionstüchtige Proteine. Dass auch die Wächter an den Toren des Zellkerns – jene Proteine, die den lebenswichtigen Stofftransport überwachen – daran beteiligt sind, hatte man bisher nicht vermutet.

Damit treffen sie aber direkt die Schaltzentrale der Zelle: den Kern, der die wertvolle Erbinformation enthält, die besonders vor Schädigung geschützt werden muss. Er ist umgeben von einer Membrandoppelschicht – eine Barriere, die viele Moleküle nicht überwinden können. Selektive Schleusen – die Kernporen – sorgen dort für einen kontrollierten Austausch von RNA und Proteinen mit dem Zytoplasma. Aufgebaut aus mehr als 50 verschiedenen Proteinen überwachen sie genau, wer in der Zentrale ein- und ausgeht.

Doch trotz dieser wichtigen Rolle erneuert sie der Körper offensichtlich nicht regelmäßig wie viele andere Proteine. Ein Teil ihrer Untereinheiten, die Gerüstproteine der Poren, bleiben sogar ein ganzes Zellleben lang erhalten. Dies zeigten jetzt Forscher des Salk Institute for Biological Studies in La Jolla, als sie alternde Kernporen untersuchten.

Damit sind die Porenproteine über einen langen Zeitraum Schädigungen ausgesetzt, wie sie zum Beispiel Sauerstoffradikale erzeugen, die für ihre potenziell krebsauslösende Wirkung bekannt sind. Besonders betroffen sind davon zudem vor allem sehr langlebige Zellen wie etwa die der Neuronen. Tatsächlich fanden die Forscher um Maximiliano D'Angelo Spuren solcher Radikal-Attacken an Porenproteinen von älteren Zellen verschiedener Spezies.

Doch das ist leider noch nicht alles. In alternden Neuronen gehen die Gerüstproteine als Folge der Schäden sogar teilweise verloren – und das mit fatalen Folgen: Die Schleusenwärter verlieren ihre "gute Nase" und lassen Moleküle in den Zellkern passieren, die eigentlich draußen bleiben sollten, wie zum Beispiel Tubulin, ein Skelettprotein des Zytoplasmas.

Es sammelt sich in alternden Zellkernen an und gilt als ein Zeichen verschiedener Demenzerkrankungen im Alter. Deren Ursprung könnte also ein defektes Schleusensystem des Kerns sein. Und Tubulin dürfte nicht der einzige ungebetene Gast sein – auch andere Proteine gelangen wahrscheinlich unerlaubterweise in den Zellkern und zerstören damit das fein abgestimmte Gleichgewicht der Kräfte.

Warum aber erneuern Zellen diese so wichtigen Wächterproteine nicht? Die Antwort liege in ihrem komplexen Aufbau, glauben die Forscher: Der Austausch einer gesamten Kernpore wäre für die Zelle nicht zu bewerkstelligen, ohne dass die Kernmembran beschädigt wird. Deshalb werden die Poren als Gesamtwerk bei der Entstehung der Membran eingelagert, später können jedoch nur die äußeren Teile ausgetauscht werden. Das Gerüst bleibt somit immer bestehen und hält die Trennung zwischen Kern und Zytoplasma aufrecht – leider irgendwann auf Kosten sauberer Arbeit.
  • Quellen
D’Angelo, M. et al.: Age-Dependent Deterioration of Nuclear Pore Complexes Causes a Loss of Nuclear Integrity in Postmitotic Cells. In: Cell 136, S. 284–295, 2009.

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