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News: Altertümliches Zuhause

Wenn die Wohnung aus allen Nähten platzt, ist es Zeit für einen Umzug. Doch die Suche nach einem geeigneten neuen Zuhause kann recht nervenaufreibend und vor allem langwierig sein. Das gilt nicht nur in München oder Hamburg, auch an den einsamen Stränden Madagaskars herrscht manchmal akuter Wohnungsmangel - zumindest für Einsiedlerkrebse. Und auch sie greifen verzweifelt irgendwann auf nicht renovierte Altbauten in Form fossiler Schneckengehäuse zurück.
Ein stilles Kämmerchen zum Zurückziehen, das wünschen sich viele. Für Einsiedlerkrebse ist dieser Wunsch sogar überlebenswichtig, denn ihr ergattertes Schneckengehäuse schützt sie vor Räubern, Verletzungen, Austrocknung und was das Leben am Strand und im Meer noch so für Gefahren bietet. Allerdings wird es ihnen, während sie wachsen, laufend zu klein, und sie müssen sich ein neues, größeres Zuhause suchen. Und diese Suche sollte natürlich nicht zu lange dauern, damit sie schnell wieder den Schutz des Schneckenhauses genießen können.

Doch wie für den Menschen ist auch für Einsiedlerkrebse die Wohnungssuche manchmal recht schwierig. Die hauptsächliche Quelle sind abgelegte Gehäuse von Artgenossen, die sich selbst nach etwas Größerem umsehen mussten. Passende Exemplare sind allerdings oft rar, und so müssen die Strand- und Schelfbewohner auch auf weniger geeignete Schalen oder künstliche Gebilde zurückgreifen.

Coenobita rugosus, ein großer, tropischer, halb terrestrisch lebender Einsiedlerkrebs, entwickelt bei heftigem Wohnungsmangel gar Interesse für Fossilien. Wie David Barnes vom irischen University College Cork in Madagaskar beobachten konnte, ziehen die Tiere auch in die fossilen Kalküberreste der Meeresschnecken Nassarius, Nerita oder Turbo ein, die an den Küstenfelsen durch Erosion freigelegt werden. Allerdings muss der Anteil an brauchbaren Gehäusen rezenter Schnecken auf unter neun Prozent aller verfügbaren Behausungen sinken, damit sich die Krebse in einem solchen "Altbau" niederlassen. Von sieben weiteren untersuchten Arten gab sich nur noch Calcinus latens, ein rein marin lebender Einsiedlerkrebs, mit dem Alternativzuhause zufrieden.

Die meisten fossilen Schalen sind allerdings unbrauchbar, stellte Barnes fest, sodass sie nur ein Prozent der nutzbaren Schalen darstellen. Und sie sind offenbar nicht sehr beliebt, denn selbst bei akutem Mangel nutzen die Einsiedlerkrebse nur ein Drittel dieser altertümlichen Behausungen.

Aber vielleicht hilft ihnen ja der Mensch, den Wohnungsmarkt wieder in Schwung zu bringen. Denn in Madagaskar wie an den Küsten Ostafrikas ist es weit verbreitet, dass die lokale Bevölkerung Schnecken sammelt. Dabei lösen sie die Tiere direkt am Strand aus dem Gehäuse und legen die Schalen dann haufenweise an der Hochwasserlinie ab. Bisher sind die Exemplare als Zuhause für die Einsiedlerkrebse meist zu groß. Aber da die menschliche Nachfrage steigt, sollte sich die durchschnittliche Gehäusegröße verringern – sehr zur Freude der Einsiedlerkrebse, deren Wohnungsnot sich damit entspannen dürfte.

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