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Verhalten: Altruismus für Anfänger

Kinder sind manchmal ganz schön selbstsüchtig. Süßigkeiten mit anderen teilen - eher nicht. Doch allmählich erweitert sich der egozentrische Blick der Kleinen.
"Geben ist seliger denn nehmen", heißt es so schön. Doch ab welchem Alter verstehen wir diesen Satz? Wann beginnen wir, uns in andere Menschen hineinzuversetzen und uns um ihr Wohlergehen zu kümmern?

Das sind Fragen, die am besten Kinder beantworten können. Also baten Forscher um Ernst Fehr von der Universität Zürich 229 Drei- bis Achtjährige in ihr Labor. Sie teilten die Kleinen in Zweiergruppen ein und testeten spielerisch deren soziales oder egoistisches Verhalten. Insbesondere interessierte sie deren Gespür für Ungerechtigkeiten, ob nun zu ihren Gunsten oder Ungunsten [1]. Dafür sollten die Kinder Süßigkeiten unter sich und ihrem anonymen Partner aufteilen.

Die Drei- bis Vierjährigen erwiesen sich größtenteils als reichlich selbstsüchtig, vor allem das Teilen zu ihren Ungunsten schmeckte ihnen überhaupt nicht. Allerdings hatten einige von ihnen keine Probleme damit, den Spielpartnern Vorteile zu verschaffen, sofern sie nur dadurch selbst nicht weniger Leckereien bekamen.

Ach, den anderen gibt es ja auch noch

Gerechtigkeitssinn bei Kindern | Kinder entwickeln relativ früh einen Sinn für Fairness.
Mit zunehmendem Alter offenbarten die Kinder aber einen Blick für die Bedürfnisse ihrer Kameraden. Es ging ihnen dabei allerdings nicht einfach darum, das Wohlergehen des Partners zu steigern: Die Option, sich mit einer Leckerei zufrieden geben zu müssen, während der Partner zwei erhält, war höchst unbeliebt. Die jungen Probanden zeigten jedoch insgesamt eine Abneigung gegen Ungleichheit, die interessanterweise mit der Neigung einherging, die Mitglieder der eigenen sozialen Gruppe zu bevorzugen. Denn stammten ihre Partner aus dem gleichen Kindergarten oder aus der gleichen Schule, hatten die Kinder die altruistischen Spendierhosen an.

Für Fehr und seine Kollegen ist es kein Zufall, dass sich die Abneigung gegen Ungleichheiten und die Bevorzugung der eigenen sozialen Gruppe zeitgleich entwickeln. Sie vermuten eine gemeinsame biologische und auch kulturelle Evolution der beiden Eigenschaften. Möglicherweise werden sich Kinder zwischen dem dritten und achten Lebensjahr bewusst, was andere von ihnen und ihrem Verhalten halten, so die Wissenschaftler. Sie entwickeln Empathie und eine so genannte Theorie des Geistes, die es ihnen ermöglicht, sich in die Gedanken- und Gefühlswelt anderer Menschen hineinzuversetzen.

Wie es unsere Freunde aus dem Tierreich halten

Dabei ist Mitgefühl und Selbstsucht keine rein menschliche Eigenheit. So zeigen denn auch Kapuzineraffen eine soziale Ader, wie Wissenschaftler um Frans de Waal von der Emory University berichten [2]. Bei sehr ähnlichen Tests wie mit den Kindern bewiesen die Tiere zumindest dann einen Sinn für Fairness und das Wohl des anderen, wenn ihre Partner aus der eigenen Familie stammten oder ihnen bekannt waren.

Kapuzineraffen sind unter Umständen also altruistischer als dreijährige Kinder. Ob dieses Wissen beim nächsten Zoobesuch hilft, den Streit um den Schokoriegel zwischen zwei kleinen Zweibeinern zu schlichten?

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  • Quellen
[1] Fehr, E. et al.: Egalitarianism in young children. In: Nature 454, S. 1079–1083, 2008.
[2] De Waal, Frans B. M. et al.: Giving is self-rewarding for monkeys. In: Proceedings of the National Academy of Sciences 10.1073/pnas.0807060105, 2008.

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