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News: Alu-Klebstoff

Alu steht nicht nur als Abkürzung für Aluminium, sondern auch für eine besonders häufige, sich wiederholende DNA-Sequenz, deren Funktion bislang völlig unbekannt war: Sie spielt bei der Zellteilung eine wichtige Rolle.
Die Zellteilung ist ein elementarer Vorgang des Lebens, denn schließlich wächst jeder Mensch, jedes Tier und jede Pflanze aus nur einer einzigen Zelle heran. Diesen wichtigen Prozess versucht die Natur möglichst kontrolliert ablaufen zu lassen, denn sie muss sicherstellen, dass bei jeder Teilung alle Chromosomen, auf die sich die Erbsubstanz DNA verteilt, an beide Tochterzellen weitergegeben werden.

Zunächst aber muss sich die DNA verdoppeln: Jedes Chromosom erhält so eine identische Schwester. Dazu klebt ein Gerüst aus Proteinen das Geschwisterpaar – die Schwesterchromatiden – zusammen und sorgt dafür, dass diese sich erst trennen, wenn der richtige Zeitpunkt zur Verteilung auf die Tochterzellen gekommen ist.

Wissenschaftler haben lange gerätselt, wie und wo genau diese Kohesine genannten Gerüstproteine an den Chromatiden binden. Zu ihrer Überraschung entdeckten Forscher um Mohamed-Ali Hakimi vom Wistar Institute in Pennsylvania jetzt, dass Kohesine an Sequenzen binden, die scheinbar völlig nutzlos sind: Diese als Alu-Sequenzen bezeichneten Bereiche gehören zur so genannten Junk-DNA, die für keine Gene codiert, aber mehr als 30 Prozent des menschlichen Genoms ausmacht. Ihre Funktion war bislang ein völliges Rätsel.

Die Alu-Sequenzen kommen auf jedem der beiden Chromatiden sehr häufig vor, und genau das macht sie als Bindungsstelle für Kohesin besonders nützlich: Es kann die Geschwister so an vielen verschiedenen Stellen – wie ein Reißverschluss – fest zusammenhalten. Andere Sequenzen, die nur ein einziges mal vorkommen, wären für diese Funktion nicht geeignet.

Allerdings kann Kohesin nicht an alle Alu-Sequenzen binden. Wie die Forscher entdeckten, liegt der Grund dafür im Aufbau der Chromatiden selbst. Denn diese bestehen nicht nur aus reiner Erbsubstanz, sondern auch aus kugelförmigen Proteinen - den Histonen -, um die der lange DNA-Faden herumgewickelt ist. Und eine kleine chemische Modifikation dieser Histone – genauer eine Methylierung – verändert ihre räumliche Struktur gerade so viel, dass die Kohesine Platz genug haben, um an die Alu-Sequenzen zu binden. Warum bestimmte Histone methyliert werden und andere nicht, konnten die Wissenschaftler allerdings noch nicht klären.

Ihre Ergebnisse fügen sich in die Theorie des "Histon-Codes" ein, nach der ein komplexes System chemischer Modifikationen an den Histonen auch die Aktivität vieler anderer Gene regelt. Bestimmte Gene könnten demnach nur abgelesen und damit aktiv werden, wenn die Histone das zulassen, während andere Gene durch eine kleine Modifikation der Histone abgeschaltet werden können. Die Wissenschaftler hoffen, diesen Histon-Code in Zukunft besser zu verstehen, um so möglicherweise neue Medikamente zur Behandlung von Missbildungen oder Krebs zu entwickeln.

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