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News: Am Ende

Der Kampf gegen Krebs ist manchmal aussichtslos: Wenige entartete Zellen, die der Behandlung entkommen sind, können die Krankheit erneut aufflammen lassen. In vielen Fällen führen Mutationen im Erbgut zu bösartigen Geschwüren im Körper - so auch bei einer Form von Brustkrebs, die vermutlich auf das veränderte Gen BRCA1 zurückzuführen ist. Dank neuer Untersuchungen gewinnt das von ihm codierte Protein immer mehr an Gestalt und liefert letzten Endes neue Aufschlüsse über die Entstehung von Krebs.
Brustkrebs steht auf Platz eins in der Statistik der weiblichen Krebserkrankungen in Deutschland, schätzungsweise jede sechzehnte Frau wird davon heimgesucht. In fünf bis zehn Prozent der Fälle gibt es verstärkte Hinweise auf eine erbliche Komponente, denn oftmals zieht sich diese Krebsart wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte. Unter Verdacht steht bereits seit geraumer Zeit das Tumor-Suppressor-Gen BRCA1 auf dem Chromosom 17, das bei über der Hälfte der Betroffenen krankhaft verändert vorliegt.

Seit es Forschern im Jahre 1994 erstmals gelang, das zugehörige Genprodukt, das Protein BRCA1, zu isolieren, schrieben sie ihm im zellulären Geschehen vielfältige Funktionen zu. Unter anderem soll es in die Reparatur des Erbmaterials verwickelt sein sowie kontrollierend bei der Zellteilung und Genaktivität eingreifen. Auch über seine molekulare Architektur sind bereits einige Details enthüllt: Es handelt sich um ein vergleichsweise großes Molekül, dessen Kette aus 1863 Aminosäuren sich zu einer komplexen dreidimensionalen Struktur zusammenfaltet. Es setzt sich aus verschiedenen Bereichen zusammen, die festgelegte Funktionen erfüllen.

Seine streng konservierten Endregionen sind geprägt durch zwei charakteristische Motive: Am N-terminalen Ende findet sich eine so genannte RING-Domäne, bestehend aus 50 bis 60 Aminosäuren. Der entgegengesetzte C-terminale Bereich weist einen als BRCT-Domäne bekannten Abschnitt aus etwa hundert Aminosäuren auf. Da die meisten genetischen Veränderungen, die in Zusammenhang mit Brust- und Eierstockkrebs gebracht werden, gehäuft in den beiden Endregionen des Proteins auftreten, ist zu vermuten, dass diesen Abschnitten eine zentrale Bedeutung zukommt.

So verbündet sich das N-terminale Ende mit einem Partner namens BARD1, der dieselben typischen Motive wie BRCA1 enthält. Zusammen bilden sie einen Komplex, der das kleine Molekül Ubiquitin an andere Proteine anhängt. Mit der Ubiquitin-Fahne markierte Eiweißstoffe signalisieren ihrer Umgebung, das sie zur Vernichtung freigegeben sind – ein wichtiger Prozess im Kampf des Körpers gegen entartete Zellen. Auch die BRCT-Wiederholungen am C-terminalen Ende spielen eine Schlüsselrolle bei der Verhinderung von Tumoren, indem sie beschädigte DNA reparieren helfen.

Um einen besseren Einblick in die Funktionsweise dieser beiden Endregionen zu erhalten, interessierten sich zwei Forscherteams für deren genaue molekulare Zusammensetzung. Mithilfe der Kernresonanzspektroskopie beleuchteten Peter Brzovic und seine Kollegen von der University of Washington die Schnittstelle zwischen BRCA1 und BARD1. Überraschenderweise dockte BARD1 jedoch an einer anderen Stelle an als ursprünglich vermutet. Mutationen in diesem Bereich können fatale Konsequenzen nach sich ziehen, denn sie zerstören entweder jenes Molekül-Bündnis oder den Ubiquitin-Anheftungsmechanismus.

Im Brennpunkt der Untersuchungen von Scott Williams und seinen Mitarbeitern der University of Alberta stand hingegen das entgegengesetzte C-terminale Ende. Wie röntgenkristallographische Aufnahmen enthüllten, sind die BRCT-Wiederholungen hier auf sehr engem Raum zusammengeschnürt. Veränderungen, welche diese Motive verändern, zerstören die dichte Verpackungsform und entwirren die gesamte Proteinstruktur. Gehen die letzten elf Aminosäuren des C-terminalen Endes verloren, so resultiert daraus ein aggressiver, frühzeitiger Brustkrebs.

Die nun aufgeklärten Strukturen der Endregionen von BRCA1 sind jedoch nicht einzigartig, sondern tauchen gewöhnlich in vielen anderen Eiweißmolekülen auf. Kopfschmerzen bereitet den Forschern jedoch noch der einem unbeschriebenen Blatt gleichende Kernbereich von BRCA1, der keinem bisher bekannten Protein ähnelt. Doch Rahel Klevit, Leiterin der Arbeitsgruppe der ersten Arbeitsgruppe, ist überzeugt, dass jenen über 1500 Aminosäuren eine Funktion innewohnt: "Die Natur geht mit ihren Ressourcen keineswegs verschwenderisch um."

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