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News: Am Hungertuch

Zwei Milliarden Jahre dauerte es, bis die Photosynthese treibenden Algen den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre auf das heutige Maß angehoben hatten. Vermutlich verstrich deshalb so viel Zeit, weil ihnen Phosphat als Nährstoff fehlte.
Irgendwann vor drei Milliarden Jahren begannen die ersten Algen, die Energie der Sonne zu nutzen und Sauerstoff zu produzieren. Doch es sollte noch einmal ungefähr zwei Milliarden Jahre dauern, bis die O2-Konzentration in der Atmosphäre unser heutiges Niveau erreichte. Erst an der Wende zum Kambrium war die Diffusion von Sauerstoff durch mehrere Zellschichten möglich und konnte die Natur die komplexen Baupläne vielzelliger Tiere und Pflanzen umsetzen.

Warum dies so lange dauerte? Zum einen könnten die Sedimente der Erde den neu entstehenden Sauerstoff wie einen Schwamm aufgenommen haben. So hatte es in den Meeren beispielsweise große Mengen von Sulfiden gegeben, die als Sauerstoffsenke wirken konnten, indem sie jedweden Sauerstoff banden und dabei selbst oxidierten.

Zum anderen - und das postulierten Wissenschaftler schon Anfang der achtziger Jahre - könnten aber auch die Sauerstoffquellen selbst limitiert gewesen sein. Vielleicht war das Algenwachstum begrenzt - und zwar aufgrund Phosphatmangels. Denn ohne diesen Nährstoff hätten die Organismen keine Nucleinsäuren und Phospholipide für den Aufbau ihrer Zellsubstanz bilden können. Kurzum: Die Algen nagten also gleichsam am Hungertuch und bildeten deshalb kaum Sauerstoff.

Christian Bjerrum und Donald Canfield von der University of Southern Denmark haben diese Idee nun aufgegriffen und nach Beweisen für ein begrenztes Phosphatangebot gesucht. Fündig wurden sie in den so genannten banded iron formations - mächtigen Sedimenten, die in den flachen Bereichen der Meere abgelagert wurden.

Einerseits könnten diese banded iron formations also als Sauerstoffsenke gewirkt haben - denn ihren hohen Eisengehalt verdanken sie dem Sauerstoff in den oberen Wasserschichten, der die lösliche und somit mobile zweiwertige Form des Eisens in die unlösliche dreiwertige Form überführte -, zum anderen üben die eisenreichen Minerale dieser Sedimente aber auch eine hohe Anziehungskraft auf Phosphor aus. Er adsorbiert auf den Oberflächen der Minerale.

Die Menge des adsorbierten Phosphors ist dabei im Wesentlichen abhängig von der Oberflächenladung der Minerale und der Konzentration des im Wasser gelösten Phosphors. Beschrieben wird die Adsorption durch einen Verteilungskoeffizienten, der die Menge eines Stoffs in der Lösung mit dem adsorbierten Anteil in Beziehung setzt. Findet sich auf einem Mineral wenig Phosphat, lässt sich mithilfe dieses Koeffizienten - geochemisches Gleichgewicht vorausgesetzt - deshalb auch die Phosphatkonzentration im Meer abschätzen.

Bjerrum und Canfield werteten also im Rahmen einer Literaturstudie Analysen solcher weltweit verbreiteten banded iron formations aus und bestimmten mithilfe des adsorbierten Phosphoranteils die Konzentration des Nährstoffs im Wasser, mit dem die Minerale einst im Gleichgewicht standen.

Und tatsächlich liegen die Phosphorkonzentrationen in den heutigen Ozeanen offensichtlich vier- bis 15-mal so hoch wie in der Zeit vor 1,8 bis 3,5 Milliarden Jahren. Wenngleich dies für Phosphormangel spricht, bleibt ein Problem. Denn die letzten banded iron formations entstanden vor eben 1,8 Milliarden. Somit konnten auch die Phosphatkonzentrationen im Meer wieder ansteigen, die Sauerstoffkonzentrationen in der Atmosphäre taten dies jedoch nicht. Womöglich, so die Forscher, limitierte nun ein anderer Nährstoff das Algenwachstum.

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