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Amazonas-Regenwald: Der Kampf um die letzten Rückzugsorte

Drogenschmuggler, Goldgräber und andere dringen in die tiefsten Regionen des Amazonasregenwaldes vor. Können Forscher und Technologie den indigenen Gruppen helfen, sich selbst, ihr Land, und das Klima zu schützen?
Ein Mann sitzt im Bug eines Bootes auf einem Fluss.

Während die Sonne über den Anden untergeht, schaltet Luis Tayoris Crew den Motor ab, und unser Boot legt an einer kleinen Insel tief im peruanischen Amazonaswald an. Tayori sammelt seine Ausrüstung ein und läuft barfuß den felsigen Strand entlang. Im Hintergrund rauscht der Fluss Madre de Dios, während er auf einem Flecken Sand die Drohne bereit macht. Mit den Fingern auf der Steuerung schickt er die Maschine Richtung Himmel, und das schrille Sirren der vier Propeller nimmt langsam ab, als sie über einer Baumgruppe verschwindet. Tayori ist hier, um Berichten von indigenen Gruppen aus der Gegend nachzugehen, denen zufolge Drogenhändler die Insel zu ihrer Basis gemacht haben. Ein paar Minuten später findet die Kamera der Drohne das Ziel: eine illegale Landebahn. Selbst hier, in einer der entferntesten und ursprünglichsten Ecken des Amazonasgebiets, weitet sich der Kokainhandel rapide aus. »Das ist eine ernste Angelegenheit«, sagt Tayori.

Er ist ein Mitglied der Harakbut, einer indigenen Gruppe, die in der Reserva Comunal Amarakaeri lebt. Das Schutzgebiet fügt sich im Süden des peruanischen Amazonaswaldes an die Anden. Tayori hat die Aufgabe, dieses Gebiet zu schützen, das sich durch seine hohe Biodiversität auszeichnet und große Mengen von Kohlenstoff speichert. Doch das moderne Zeitalter macht auch vor dieser Gegend nicht Halt: Holzfäller, Goldgräber, Stromversorger und Drogenhändler dringen in das Gebiet vor, hinzu kommen die Auswirkungen der globalen Erderwärmung. Zusammen stellen sie eine existenzielle Bedrohung für den Amazonaswald und die dort lebenden Menschen dar.

Dorfbewohner dieser Gegend am Fluss fürchten sich täglich vor brutalen Konflikten mit bewaffneten Kriminellen, doch die isoliert lebende und nomadische indigene Bevölkerung in der Region trägt das größte Risiko. Jedweder Kontakt kann für diese Menschen desaströs sein, da ihr Immunsystem modernen Krankheiten wenig entgegenzusetzen hat. Atemwegserkrankungen nach Begegnungen mit der Außenwelt tragen zu ihrer Dezimierung bei. Die Covid-19-Pandemie ist eine weitere Gefahr für den Fortbestand dieser Gruppen.

Forschende und Aktivisten aus dem Naturschutz hatten sich zuvor fast ausschließlich auf den Erhalt der Biodiversität in der Region konzentriert sowie darauf, Kohlenstoff in den Baumbeständen einzuschließen, um die globale Erderwärmung zu verhindern. Doch nach jahrzehntelanger Arbeit geht die Zerstörung des Regenwalds weiter. Inzwischen erkennen Forscher, Aktivisten und politische Entscheidungsträger zunehmend, dass Klima- und Naturschutzziele mit dem Schutz und der Sicherheit der indigenen Bevölkerung und ihres Lebensraums einhergehen müssen.

Diese Bewegung rückt zudem indigene Menschenrechte in den Fokus sowie den potenziellen Genozid isoliert lebender Bevölkerungsgruppen im Regenwald, die bei den politischen Diskussionen, welche ihr Schicksal besiegeln, kein Mitspracherecht haben. In Peru gab es im vergangenen Jahrzehnt ein paar Fortschritte. Die Regierung hat weite Flächen Land für den Schutz des Waldes und seiner in Isolation lebenden Bewohner abgestellt. Wie schwer es dem Staat jedoch fällt, das Gebiet zu bewachen, zeigt die versteckte Landebahn.

Eine Welt im Wandel

Forscher und Naturschützer versuchen, zusammen mit indigenen Gemeinschaften im Grenzgebiet diese Lücke zu schließen, indem sie auf die Wissenschaft und den Einsatz moderner Technologien setzen. Drohnen, Mobiltelefone und Satelliten gehören zum Arsenal von Tayori und seinem Mitstreiter auf dem Fluss, Tom Bewick. Er hat früher für die Non-Profit-Organisation Rainforest Foundation US in New York gearbeitet. Nachdem sie ihr Equipment zusammengepackt haben, steigen die beiden zurück ins Boot und steuern flussaufwärts. Auf dem Weg passieren sie das von Einschusslöchern übersäte Wrack eines Flugzeugs – die Überreste eines Gefechts zwischen der peruanischen Armee und Drogenhändlern im Jahr 2018.

Mit Unterstützung der Pulitzer Foundation hat »Nature<« im Jahr 2019 den peruanischen Amazonas besucht. Thema der Investigativ-Recherche ist die Bedrohung indigener Menschen und die Rolle von Wissenschaft und Technologie beim Schutz ihres Lebensraums und beim Erhalt isoliert lebender Bevölkerungsgruppen tief im Wald.

Zwei Wochen lang sprachen wir mit Wissenschaftlern und reisten mit Tayori und seinem Team den Madre de Dios entlang. Wir trafen Regierungsmitarbeiter und Mitglieder der indigenen Gemeinschaften. Seitdem hat die Bedrohung des Amazonas zugenommen, zum Teil wegen der Pandemie. Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler, mit denen »Nature« gesprochen hat, weitere Technologien und Strategien für den Schutz der Gebiete tief im Dschungel identifizieren. Außerdem gibt es international zunehmend Unterstützung für die Idee, dass der Schutz indigener Gemeinschaften und ihrer Rechte eine Schlüsselrolle beim Erhalt des Amazonasgebiets spielen muss. Im September 2021 hat die International Union for Conservation of Nature (IUCN) für einen Antrag indigener Gruppen gestimmt, bis zum Jahr 2025 80 Prozent des Amazonaswalds zu schützen.

Beim Klimagipfel der Vereinten Nationen in Glasgow zwei Monate später haben Regierungen und gemeinnützige Organisationen weitere Unterstützung zugesagt. Finanzielle Mittel in Höhe von mindestens 1,7 Milliarden US-Dollar über fünf Jahre sollen indigenen Menschen helfen, ihr Land für sich zu beanspruchen und zu schützen.

Doch Vertreter der indigenen Bevölkerung vor Ort sagen, die Situation habe sich verschlimmert. Der Grund: der steigende Goldpreis sowie Pandemierichtlinien, die sowohl Strafverfolgung als auch wirtschaftliche Chancen eingeschränkt hätten. Der ungezügelten Kriminalität den Riegel vorzuschieben, werde nicht leicht, sagen sie. Doch die indigenen Gemeinschaften wappnen sich mit Hilfe von Forschern und Aktivisten für die Herausforderung.

Auf dem Fluss

Unsere Fahrt entlang des Madre de Dios führt uns an Perus Aushängeschild entlang, dem Nationalpark Manú, der sich von den niederen Regenwäldern bis zu den weit entfernten Gipfeln der Anden erstreckt. Der Park wurde 1973 gegründet und beherbergt diverse Schutzgebiete sowie indigene Lebensräume größer als Portugal, die sich bis zur brasilianischen Grenze ausbreiten (siehe »Eine Arche der Vielfalt«). Diese weitläufige tropische Wildnis ist das Zuhause einer der vielfältigsten Ansammlungen an Pflanzen und Tieren auf dem Planeten. Zudem leben hier zahlreiche indigene Gemeinschaften sowie hunderte Angehörige der isolierten Bevölkerungsgruppe Mashco-Piro, die auch als Nomole oder Yine bekannt sind.

»Die Regierung hat nicht genug Ressourcen, um durch das Gebiet zu patrouillieren«Adrian Forsyth, Andes Amazon Fund

Für manche Wissenschaftler ist das Gebiet eine Arche biologischer, ökologischer und topografischer Vielfalt, die eventuell sogar groß genug ist, den nahenden Klimasturm zu überleben, und indigenen Bewohnern, Pflanzen und Tierarten einen relativ sicheren Schutzraum bieten kann, während die Menschheit versucht, ihre Treibhausgase in Schach zu halten. Doch diese Theorie lässt sich nur umsetzen, wenn Peru es schafft, das Land zu schützen. Wegen des Umfangs der Herausforderung und der eingeschränkten Möglichkeiten des Staats, die Gegend zu überwachen, halten Wissenschaftler sowohl Technologie als auch indigene Menschen in den betroffenen Gebieten für essenziell, um die Region abzusichern.

»Die Regierung hat nicht genug Ressourcen, um in dem Gebiet zu patrouillieren«, so Biologe Adrian Forsyth, der die letzten drei Jahre untersucht hat, wie sich der von ihm so genannte Tiefenwald schützen lässt. Er spricht von einer Umgebung, in der Regen, Feuchtigkeit, Wolken und die bloße Entfernung von Energiequellen und externer Kommunikation für jede Form von Schutzsystem eine eigene Hürde darstellen. Im Jahr 2019 hat Forsyth als Geschäftsführer des Andes Amazon Fund, einer gemeinnützigen Organisation in Washington, D.C., fast zwei Dutzend Forscher und Tech-Entwickler für das erste Treffen dieser Art in Madre de Dios rekrutiert.

Das Ziel: die Absicherung der weiten und oft nicht erreichbaren Regionen, die isoliert lebende Bewohner ihr Zuhause nennen. Er hatte die Idee, den Tiefenwald in einen intelligenten Wald umzuwandeln, der Eindringlinge erkennen und sowohl Regierungsbehörden als auch lokale indigene Gemeinden verständigen kann – die er als das beste Sprachrohr für die in Isolation lebenden Bevölkerungsgruppen sieht. Gesprächsthema der Konferenz waren technische Ausrüstung wie Mikrofone und Kamerasysteme, die mit künstlicher Intelligenz ausgestattet sind, sowie Drohnen und Satelliten, die aus der Ferne eingesetzt werden können.

Solche Überwachungssysteme können mehr, als nur den Drogenhandel und Bergbau zu verfolgen: Forscher sprechen auch über ihr Potenzial, die isoliert lebenden indigenen Bevölkerungsgruppen zu bewachen. Mit diesem Wissen können eventuell tödliche Kontakte und Konflikte mit Eindringlingen minimiert werden – oder mit all jenen, die in den benachbarten Gegenden des Wohnraums dieser isolierten Stämme leben und arbeiten. Dadurch entstehen Fragen zum Einsatz von Technologie, um Menschen zu überwachen, die sich aus Furcht davor entschieden haben, die moderne Gesellschaft zu vermeiden. Doch wie andere tropische Ökologen und Naturschützer sorgt sich Forsyth um den Untergang der isoliert lebenden Einwohnerstämme. »Wir haben die Technologie, mit der wir uns diese Orte ansehen und vermutlich herausfinden können, wo diese Menschen leben, wie viele sie sind und wie sie sich bewegen«, so Forsyth während der Konferenz. »Wir müssen eine Entscheidung treffen: Nutzen wir sie? Oder hoffen wir einfach das Beste?«

Eine Arche der Vielfalt | Die oberen Abschnitte des Madre de Dios fließen durch eine Region im südöstlichen Peru, zu der ein Streifen von Schutzgebieten gehört, eine der Gegenden mit der höchsten Biodiversität weltweit.

Trotz jahrzehntelangem sozialem Engagement und Umweltaktivismus, um den Amazonaswald zu beschützen, ist die Bedrohung größer als je zuvor. Zu den Gründen zählen Agrarwirtschaft, Bergbau, Energieförderung, Forstwirtschaft und Drogenhandel (siehe »Den Amazonas eralten«). Selbst in Brasilien, einem Land, das vor weniger als zehn Jahren noch als Vorbild für nachhaltige Entwicklung galt, haben illegale Rodungen unter der populistischen Regierung von Präsident Jair Bolsonaro explosionsartig zugenommen. Diese will außerdem langjährige Schutzabkommen für die Umwelt und indigene Rechte auflösen. Covid-19 hat die Lage verschlimmert. In vielen Gegenden wurde die eh schon begrenzte Strafverfolgung zu Hochzeiten der Pandemie ausgesetzt, doch laut Wissenschaftlern und Vertretern der indigenen Gemeinschaften waren Kriminelle weiter unermüdlich am Werk.

Der wirtschaftliche Abschwung hat illegale Machenschaften wie den Goldabbau und den Anbau von Kokapflanzen noch lukrativer für kriminelle Netzwerke und all jene gemacht, die aus dem Wald Profit schlagen wollen – dazu zählen auch indigene Bewohner. »Es ist der perfekte Sturm«, so Bewick, der im Oktober 2021 als Vorsitzender der Rainforest Foundation US in Peru zurückgetreten ist. Die Organisation hat in den letzten zehn Jahren mehr als fünf Millionen US-Dollar für den Schutz der indigenen Bevölkerung in Peru bereitgestellt. Ein Hoffnungsschimmer in den Mühen um den Erhalt der tropischen Wälder am Amazonas kommt von den indigenen Bewohnern selbst: Immer mehr Studien zufolge schützen indigene Gemeinschaften ihr Land vor der ausufernden Abholzung, die Tropenwälder weltweit bedroht.

Die indigene Gemeinschaft, die sich zunehmend organisiert und mehr Gehör verschafft, baut auf diese Nachweise, um sich stärker für die Bedeutung von indigenen Rechten beim Erhalt der Biodiversität und beim Klimaschutz zu engagieren. Diese Argumentation konnte sich auch beim UN-Klimagipfel im vergangenen November durchsetzen, so dass Regierungen und gemeinnützige Organisationen finanzielle Hilfen für indigene Naturschutzinitiativen in Rekordhöhe zugesagt haben. Indigene Rechte sind nun Teil der globalen Diskussion sowohl beim Thema Klima als auch beim Thema Biodiversität, so Victoria Tauli-Corpuz. Die Aktivistin von den Philippinen war zwischen 2014 und 2020 UN-Berichterstatterin für die Rechte indigener Menschen. Doch kollidieren wirtschaftliche Interessen und die Nachfrage nach Ressourcen oft mit indigenen Interessen, erklärt sie. »Das ist ein sehr großes Problem. Und das lässt sich gut in Ländern beobachten, in denen Regierungen nicht besonders an Menschenrechte glauben«, so Tauli-Corpuz.

Turbulente Vergangenheit

Als unser Boot in Shipetiari anlegt, ist es bereits dunkel. In dem Walddorf am Ufer des Madre de Dios leben rund 130 Menschen. Bei unserer Ankunft ist die Lage ruhig, doch im Mai 2015 brach hier ein blutiger Konflikt aus. Auslöser war der gewaltsame Tod des 22-jährigen Dorfbewohners Leo Perez, der durch einen Pfeil getötet wurde. Der Angriff war Teil eines Vorstoßes von Mitgliedern der isoliert lebenden Mashco Piro, die sich im Laufe des letzten Jahrzehnts mehr und mehr aus dem Dschungel herausbewegt haben. Dadurch gerieten sie zum Teil mit anderen Gemeinschaften aneinander.

Gregorio Perez, Leos Vater, war blind vor Wut, nachdem sein Sohn getötet wurde: »Ich wollte sie alle auslöschen«, sagt er. Dennoch habe Perez Familienmitglieder und andere Dorfbewohner dazu gedrängt, auf Rache zu verzichten, so der evangelisch-christliche Missionar gegenüber »Nature«. Andere sagen, das Dorf sei trotzdem zur Tat geschritten. Laut Daniel Rodriguez, einem Anthropologen, der die Native Federation of the Madre de Dios River and Tributaries (FENAMAD) berät, muss das Dorf nach dem Tod ein Mashco-Piro-Lager angegriffen haben. Er sagt, er habe die daraus resultierende Ausbeute in Shipetiari gesehen.

»Ich wollte sie alle auslöschen«Gregorio Perez

Doch zum Zeitpunkt unseres Besuchs erklärt uns Dorfanführerin Rufina Rivera, dass die Beziehung zu den Mashco-Piro inzwischen weniger angespannt sei. Zwar gebe es immer noch ein Risiko für erneute Auseinandersetzungen, doch würden Dorfbewohner, die mit Hilfe des peruanischen Kultusministeriums organisiert und ausgebildet wurden, in der Gegend patrouillieren und bisher kein weiteres Vordringen feststellen. Rivera zufolge seien sie und die anderen Dorfbewohner vor allem wegen der Drogenhändler in der Gegend in Sorge. Dennoch sagt sie, ihre Gemeinschaft werde zurückschlagen, sollte es einen weiteren Angriff der Mashco-Piro geben, von denen manche regelmäßig an einem Strand flussabwärts zu sehen seien.

Als wir eines frühen Morgens einen der Wachposten an diesem Strand besuchen, treffen wir Maximiliano Mamani. Er ist Anthropologe im peruanischen Kulturministerium, das zusammen mit FENAMAD den Posten besetzt. Vor vielen Jahren, so Mamani, hätten Anthropologen der Regierung intervenieren müssen, um eine komplizierte Situation zu entschärfen, die sich durch den unkontrollierten Kontakt mit Touristen, Holzfällern und Missionaren ergeben hätte. Bevölkerungsgruppen wie die Mashco-Piro gelten als isoliert oder sogar unkontaktiert, doch werden solche Beschreibungen der komplexen Realität nicht gerecht.

Diese Gemeinschaften leben im Wald und sind weitestgehend vom Rest der Gesellschaft abgeschirmt. Trotzdem zieht es sie manchmal in die Außenwelt, sei es, um Lebensmittel zu tauschen oder um Pfannen oder andere Metallgeräte zu beschaffen. Die Vorstöße haben wie in Shipetiari schon zu gewaltsamen Begegnungen geführt. Vor Kurzem, Ende August, hat ein Mashco-Piro einen Holzfäller getötet, der mit Freunden im Osten ihres Territoriums fischen war – außerhalb des Madre-de-Dios-Schutzgebiets, das zum Erhalt der isolierten Gemeinschaft errichtet wurde.

Flora und Gregorio Perez

Mamani hat Zeit mit Angehörigen der Mashco-Piro verbracht. Er sagt, dass die Menschen vor allem am Handel Interesse haben und neugierig auf die Außenwelt sind. Ab und zu wären die Mashco-Piro an dem Strand eingetroffen, um Fleisch anzubieten. Angehörige des Ministeriums hätten im Gegenzug Kochbananen angeboten, doch sich bemüht, die Geschenke auf einem Minimum zu halten, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Laut Manani weiß das Ministerium von etwa 100 Mashco-Piro, die stark und gesund aussähen, wenn auch dünn. Sobald sie zum Personal des Ministeriums eine Beziehung aufgebaut hätten, hätten sich die Mashco-Piro oft nach Familienangehörigen erkundigt oder Witze gemacht, wenn jemand zugenommen oder sich die Haare geschnitten hatte. »Sie scherzen gerne«, sagt er. Manche im Ministerium seien davon ausgegangen, dass sich die Gruppe der Außenwelt anschließen würde, was bisher jedoch nicht passiert sei.

Doch selbst mit dem Wachposten bleibt die Lage für die Mashco-Piro, das Dorf Shipetiari und andere Bewohner der Region gefährlich. Bei der Frage nach der Landebahn der Drogenhändler nur ein paar Minuten flussaufwärts schüttelt Mamani nur den Kopf. Er sagt, das Ministerium habe in der Angelegenheit nicht die Erlaubnis, zu intervenieren. Tayori zeigt den Videobeweis von der Landebahn – mit der Drohne aufgenommen – später den Mitarbeitenden der peruanischen Parkbehörde. Bisher wurde nichts unternommen. Als »Nature« letzten Monat Rivera kontaktiert hat, bestätigte sie, dass die Drogenhändler – »los Narcos« – weiterhin auf der Insel tätig seien und dass die Mashco-Piro nach wie vor das Gebiet durchstreifen würden.

Schritt für Schritt aus der Isolation

Es ist wahrscheinlich, dass die Mashco-Piro und andere isolierte Gruppen nicht »unkontaktiert«, sondern vielmehr traumatisiert durch vergangene Kontakte sind. Wissenschaftler vermuten, dass sich die Menschen vor über einem Jahrhundert versteckt haben, als der Aufstieg des Autos zu einer starken Nachfrage nach Amazonaskautschuk führte. Dieser wurde im Rahmen einer brutalen Industrie geerntet, der sich der Arbeit versklavter indigener Menschen bediente. Heute gelten die Mashco-Piro, die an den Stränden des Madre de Dios auftauchen, als moderne Jäger und Sammler. In den Jahrhunderten, bevor die Europäer eintrafen, waren sie wahrscheinlich eher versierte Bauern und Händler, so Glenn Shepard. »Sie schulden ihren aktuellen Lebensstil dem modernen Reifen, so wie alle anderen auch«, erklärt der Anthropologe am Emílío-Goeldi-Museum in Belém, Brasilien.

Den Amazonas erhalten | Während eines Treffens im französischen Marseille im September 2021 hat die International Union for Conservation of Nature einem indigenen Antrag zugestimmt. Demnach sollen bis zum Jahr 2025 mindestens 80 Prozent des Amazonas erhalten werden. Wissenschaftler des Amazon Network of Georeferenced Socio-Environmental Information (RAISG), eines Konsortiums verschiedener Interessengruppen entlang des Amazonas, arbeiten mit indigenen Gruppen, um Risiken und Chancen für den Naturschutz in der Region zu bestimmen.

Der Kautschukhandel war nicht die einzige Gefahr für Menschen wie die Mashco-Piro. Shepard hat erlebt, was passiert ist, nachdem das Unternehmen Royal Dutch Shell Anfang der 1980er Jahre seine Straßen im Dschungel baute, um im Nordwesten des Nationalparks Manú nach Öl zu bohren. Holzfäller machten sich diese Straßen zu Nutze, nachdem das Unternehmen das Feld geräumt hatte. Das Ergebnis für eine andere isolierte Bevölkerungsgruppe, die Nahua, waren zuerst Kontakt zur Außenwelt und dann Krankheiten. Shephard hatte zu der Zeit in Manú studiert und wurde Zeuge, als Mitglieder der Gruppe in Kanus ankamen und hustend und keuchend um Hilfe baten. »Der Park hat sie medizinisch versorgt und dann einfach wieder flussaufwärts gebracht«, sagt er.

Nachdem Shephard die Gruppe besucht und die Überlebenden befragt hat, sei er zu der Einschätzung gekommen, dass etwa 42 Prozent der Gruppe fünf Jahre nach Erstkontakt durch Krankheiten ausradiert wurden. Die tatsächliche Zahl könnte jedoch höher sein. »Wahrscheinlich sind ganze Familien gestorben, was ich nicht verzeichnet habe«, sagt er. Ähnliche Geschichten haben sich in anderen Gegenden des Amazonasgebiets zugetragen. Das führte in den 1980er Jahren dazu, dass Brasiliens National Indian Foundation (FUNAI) eine Kein-Kontakt-Richtlinie aufgestellt hat. Diese wurde zur Norm in anderen Ländern, darunter auch Peru. Doch in den letzten Jahrzehnten hat die Bedrohung zugenommen, was für neue Diskussionen darüber sorgte, wie sich diese isolierten Gruppen beschützen lassen. Die Covid-19-Pandemie hat diese Bedenken noch verstärkt. Im ganzen Amazonasgebiet hatten indigene Gemeinschaften mit der Krankheit zu kämpfen, auch in der Madre-de-Dios-Region.

Unter anderem wegen der Auseinandersetzungen mit den Mashco-Piro in Madre de Dios hat Peru im letzten Jahrzehnt seine Mühen ausgeweitet, um die isolierten Bevölkerungsgruppen zu schützen. Zum einen arbeiten die Behörden mit indigenen Gruppen vor Ort, um Kontakte mit den isolierten Bewohnern zu überwachen und zu kontrollieren. Zum anderen hat die Regierung sieben Territorien für die isolierten Gemeinschaften festgelegt, darunter zwei im letzten Jahr. Mindestens drei weitere sind in Planung. Diese Gebiete sollen etwa 5000 Menschen schützen, die entweder in Isolation leben oder erst vor Kurzem mit der Außenwelt in Kontakt getreten sind. Die Gesamtfläche dieser Bereiche ist größer als Irland. Bisher tat sich die Regierung jedoch schwer, jene Schutzbereiche in mehr als nur Linien auf einer Karte zu verwandeln. Viele Wissenschaftler zweifeln daran, dass Peru die Informationen und Ressourcen hat, die indigenen Gebiete ausreichend abzusichern. Zum Zeitpunkt unseres Besuchs hat das peruanische Kulturministerium die Herausforderung, die 2,6 Millionen Hektar des Schutzraums zu überwachen, mit nur ein paar Dutzend Beamten bestritten. Es hieß, sie fänden gerade heraus, wie Wissenschaft und Technologien helfen können.

Überwachung tief im Wald

Laut Mitarbeitern des Ministeriums wird zum Beispiel über hochauflösende Satellitenbilder nachgedacht. Zudem würden sie mit der peruanischen Luftwaffe zusammenarbeiten, um herauszufinden, wie sich die isoliert lebenden Gemeinschaften mit Infrarotaufnahmen dokumentieren lassen. Indem sie ein besseres Verständnis für ihre Aufenthaltsorte und Routen entwickeln, will die Regierung voraussehen, wo es am wahrscheinlichsten zu Begegnungen kommen wird – und diese verhindern. Weiter hat sich das Ministerium mit der Association for the Conservation of the Amazon Basin (ACCA) zusammengetan. Die Organisation in Lima wurde von Forsyth mitgegründet, um die legalen und ethischen Bedenken zu erforschen, die mit der Überwachung von Menschen einhergehen, die sich zu einem Leben in Isolation entschieden haben. Diese Bemühungen würden jedoch durch einen Wechsel im Kulturministerium sowie politische Unruhen behindert, so Forsyth. Seit 2020 hat Peru vier Regierungschefs gehabt. »Die instabile Regierung ist eine große Hürde für den Test und Einsatz dieser Technologien«, so Forsyth. Mitarbeiter des Ministeriums haben letztes Jahr nicht auf Anfragen von »Nature« reagiert.

Forsyth hat einen großen Teil seiner Karriere im Naturschutz mit dem Erhalt dieser Regionen verbracht. In fast 20 Jahren mit dem Andes Amazon Fund half er, Hilfen in Höhe hunderter Millionen US-Dollar von gemeinnützigen Organisationen zu verteilen. Dazu gehört die Gordon and Betty Moore Foundation in Palo Alto, Kalifornien. Mit den Mitteln wurden sowohl soziale Zwecke als auch Umweltinitiativen und indigene Gruppen sowie Forschung und Regierungsprogramme zum Naturschutz unterstützt. Zu den Erfolgen gehört die Errichtung einer 146 000 Hektar großen Anlage am Los-Amigos-Fluss im Jahr 2000. Der Komplex gehört der Regierung, wird aber von ACCA geleitet und dient ausschließlich der Wissenschaft und dem Naturschutz. Dieses Schutzgebiet, die Los Amigos Conservation Concession, ist in den letzten Jahren zum Testfeld für Waldüberwachungssysteme geworden. Die Entwicklung wurde gefördert durch die Konferenz zum Einsatz von Wissenschaft, um isoliert lebende Gruppen zu beschützen, die 2019 stattgefunden hatte. Mit finanzieller Unterstützung der Gordon and Betty Moore Foundation konnte Forsyth Stipendien in Höhe von 2,4 Milliarden US-Dollar verteilen, um solche Technologien zu entwickeln. Im Anschluss an die Konferenz haben Forscher sich verschiedene Arten von Überwachungssystemen angesehen.

Topher White ist Gründer der Rainforest Connection, einer Tech-Firma für Umweltschutz in Katy, Texas. Er hat in Los Amigos ein solarbetriebenes Monitoringsystem geprüft, zu dem Abhörgeräte an Bäumen und Signalverstärker an zwei der Forschungstürme gehören. Das System kann Geräusche von Kettensägen und Motoren sowie Schüsse aufzeichnen und dann Alarmsignale an Ranger, Aktivisten und indigene Gruppen senden. Andy Whitworth ist Wildtierökologe und leitet die Osa Conservation in Puerto Jiménez in Costa Rica. Er hat ein Netzwerk von Radarfallen aufgestellt, das Bilder aufnimmt, wenn die Bewegungssensoren aktiviert werden. Somit lassen sich Bewegungen von Menschen aufzeichnen, aber auch die Nabelschweine und Tapire, die die isoliert lebenden Gruppen jagen. Die Herausforderung liegt darin, robuste Geräte zu schaffen und sie mit ausreichend Energie zu versorgen, um über Monate hinweg der drückenden Luftfeuchtigkeit, der Hitze und der Sonneneinstrahlung standzuhalten, so Whitworth.

»Überwachung am Himmel und Patrouillen am Boden. Das ist der Schlüssel zum Erfolg«Adrian Forsyth, Andes Amazon Fund

Er gehört zu Forsyths Stipendiaten und arbeitet nun mit einem weiteren Team zusammen, um den Prototyp einer Minikamera zu testen, die mit Hilfe von Cloud-basierter künstlicher Intelligenz Bilder auswerten soll. »Wir brauchen Dinge, die robust genug sind, um im Dschungel zu funktionieren.« Los Amigos bietet eine Testfläche für den Einsatz dieser Technologien. Anfang 2016 haben illegale Holzfäller begonnen, auf den Weiten des Geländes eine Straße zu bauen. 2019 drangen sie in das benachbarte Madre-de-Dios-Schutzgebiet vor, wo Mashco Piro einige der letzten, alten Mahagonibestände im Amazonaswald durchstreifen.

ACCA hat vor zwei Jahren zusammen mit den Behörden einen Einsatz gestartet, um der Operation ein Ende zu bereiten. Ranger aus dem Hinterland mit Militärexpertise taten sich mit indigenen Guides zusammen, um das Vordringen zu dokumentieren. Dabei machten sie sich Drohnen und Satellitenaufnahmen zu Nutze sowie hochauflösende Bilder und Daten von Radarsensoren, die selbst Wolken und Blattwerk durchdringen – mit Erfolg, sagt María Elena Gutiérrez, Geschäftsführerin bei ACCA.

»Ich war noch nie so stolz: Derzeit gibt es keinen Holzschlag in Los Amigos«, so Gutiérrez. »Jetzt versuchen wir, dieses Ergebnis auf den Rest von Madre de Dios auszuweiten.« Für Forsyth ist klar, welche Lehren aus den vergangenen Jahren gezogen werden müssen. »Überwachung am Himmel und Patrouillen am Boden«, sagt er. »Das ist der Schlüssel zum Erfolg.«

Verborgene Völker

Was das Team in Los Amigos nicht getan hat, ist, tiefer in das Schutzgebiet zu blicken, um herauszufinden, wo genau sich die Mashco-Piro aufhalten. Laut Gutiérrez müssen die Regierung und indigene Gruppen entscheiden, ob die isolierten Gemeinschaften in irgendeiner Form überwacht werden sollen. Wenige halten das für möglich. Manche Forscher sorgen sich um die Folgen dieser Arbeit. Greg Asner ist Ökologe an der Arizona State University in Tempe. Er hat vor über zehn Jahren regelmäßig Nachweise über die Lager der isolierten Gruppen gesammelt, als sein Team den peruanischen Amazonaswald mit einem leistungsstarken Lasersystem untersucht hat, das 3-D-Bilder des Gebiets liefert. Asner hat die Ergebnisse mit dem peruanischen Umweltministerium geteilt, doch wurden die Gruppen nie zu einem offiziellen Forschungsthema. Selbst heute sieht er keinen Wert darin, ihnen offiziell zu folgen. »Es ist unheimlich, in etwa, wie den Lebensraum von Jaguaren zu beschreiben. Nur haben Menschen andere Rechte als Jaguare«, so der Ökologe. »Wenn wir doch wissen, dass sie dort irgendwo sind, warum müssen wir genau wissen, wo sie nachts schlafen?«

Trotz der ethischen Bedenken in Bezug auf die Überwachung sind manche indigenen Anführer der Idee gegenüber offen. Zu wissen, wo die isolierten Gruppen leben, könnte dabei helfen, die indigenen Gemeinschaften abzuschirmen, um unabsichtlichen Kontakt und gefährliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Doch »sind es die indigenen Organisationen, die ein Kontroll- und Überwachungssystem der isoliert lebenden Bevölkerungsgruppe implementieren und umsetzen sollten«, sagt Julio Cusurichi, der Präsident von FENAMAD. Die Organisation arbeitet seit dem Auftauchen der Mashco Piro mit der peruanischen Regierung, um Kontakte und Auseinandersetzungen zu vermeiden.

FENAMAD war außerdem aktiv an der Errichtung des Madre-de-Dios-Schutzgebiets im Jahr 2002 beteiligt. Doch 20 Jahre später müssen die finalen Grenzen des Areals noch gezogen werden, wobei die indigene Organisation weiterhin darauf drängt, das Gebiet im Osten zu erweitern, um die Flächen abzudecken, auf denen die Mashco-Piro unterwegs sind. Das Problem ist, dass für die Gegenden Lizenzen zur Forstwirtschaft ausgestellt sind, deren Auflösung für die Regierung sehr teuer wäre. Für Cusurichi ist der Tod des Holzfällers im August eine weitere Erinnerung an die gefährliche Lage entlang der Grenze des Gebiets und die Risiken, die sowohl für Menschen von außerhalb als auch für die Mashco-Piro bestehen. Zu oft, sagt er, ginge es der Regierung mehr um den Schutz wirtschaftlicher Interessen als um die Rechte dieser isoliert lebenden Bevölkerungsgruppen.

Tauli-Corpuz, die früher UN-Berichterstatterin war, hat keine Zweifel an den guten Absichten der Wissenschaftler, aber sieht das Bemühen, die isoliert lebenden Waldbewohner zu orten, mit Skepsis. »Sollten die Informationen in die falschen Hände fallen, würde das Leben dieser Menschen in unvorstellbarem Ausmaß gestört werden«, sagt sie. Auch Mitarbeiter des Kulturministeriums geben im Gespräch mit »Nature« zu, dass diese Gefahr besteht. Ihnen zufolge werden mögliche Regularien geprüft, um den Informationsfluss zu kontrollieren und einzuschränken, wer die Schutzgebiete überwachen kann. Obwohl Forsyth meint, dass es in dem Ministerium viele Leute gebe, die versuchen, das Richtige zu tun, ist er sich nicht sicher, ob Regierungsangehörige immer die besten Absichten haben. In Brasilien warfen Kritiker dem rechtspopulistischen Präsidenten Bolsonaro vor, Wissenschaftler von FUNAI ins Abseits zu drängen und zu versuchen, einen christlichen Ex-Missionar für die Angelegenheiten der isoliert lebenden Menschen abzustellen.

In der Madre-de-Dios-Region ist der Ex-Gouverneur Luis Hidalgo Okimura im Februar verschwunden, kurz bevor er im Rahmen eines Falls von illegalem Holzeinschlag inhaftiert werden sollte. »In manchen Fällen ist die Regierung eventuell nicht vertrauenswürdig«, warnt Forsyth. Er setzt daher mehr auf indigene Organisationen und ihre Fürsprecher. »Ihnen Zugang zu benötigten Informationen zu geben, die sie nicht selbst sammeln können, sollte Priorität haben.«

Eine ungewisse Zukunft

Gutiérrez setzt den Fokus darauf, die wissenschaftlichen Kapazitäten der indigenen Organisationen auszuweiten. In den vergangenen Jahren hat ihr Team indigene Gruppen darin ausgebildet, über ihre Gebiete an Land und im Wasser mit Hilfe von Drohnen und Satelliten zu patrouillieren. Dazu gehören auch Tayori und seine Mitstreiter im Amarakaeri-Schutzgebiet.

Während unseres Trips entlang des Madre de Dios nimmt Tayori sein Smartphone und öffnet die GPS-Software, die in Partnerschaft mit der peruanischen Parkbehörde gesteuert wird. Das Programm gibt eine Warnmeldung, wenn es Entwaldung registriert, die mit Hilfe von Bildern von US-Satelliten generiert wird. Es wurde von Wissenschaftlern der University of Maryland in College Park entwickelt. Nachdem Tayori sein Telefon geprüft hat, erscheinen mehrere dieser Warnungen auf der Karte, und wir steuern flussaufwärts. Im Laufe des Tages passieren wir den Eingang zum Nationalpark Manú und dann die indigene Gemeinschaft von Diamante. Tayori zufolge hat diese sich erfolgreich für den Bau einer Straße eingesetzt, die zu einer Autobahn das Gebirge hoch führt. So konnten illegale Holzfäller und Drogenhändler in die Region vordringen. In der Woche vor unserer Ankunft war der Anführer von Diamante festgenommen worden. Der Vorwurf: die Annahme von Schmiergeldzahlungen von Drogenhändlern, die über die Landebahn der Stadt Kokain exportiert hatten.

»Sie wollen die Straße, aber nicht die Probleme, die sie bringt«, so Tayori über die Einwohner Diamantes. »Das ist aber unmöglich.« Auch in der Gegend, in der er wohnt, sieht Tayori ähnliche Herausforderungen am Horizont. Rodungen im Amarakaeri-Gebiet sind während der Pandemie sprunghaft angestiegen. Laut Tayori hält dieses Problem bis heute an. Was noch alarmierender ist: Die Entwaldung wird nicht nur von illegalen Eindringlingen verursacht, sondern auch durch die Bewohner des Gebiets, die illegalen Bergbau oder Kokaanbau betreiben.

Die aktuellen Geschehnisse in Amarakaeri zeigen, dass Wissenschaft und Naturschutz nur ein Teil einer großen Gleichung sind. Tayori sagt, indigene Gemeinschaften und Organisationen versuchten Wege zu finden, ihr Land zu schützen und gleichzeitig nachhaltiges Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Internationale Finanzhilfen sind eine Lösung, doch er und andere indigene Anführer weisen darauf hin, dass Menschen vor Ort davon bisher keinen Nutzen hatten. Jetzt fürchtet er, dass die Zeit davonrennt. Die jüngere Generation lasse traditionelle Lebensweisen zunehmend zurück und wende sich der zerstörerischen Kultur des Anhäufens von Wohlstand und Besitztümern zu, sagt er.

Das Ergebnis sei das Ausfransen der Sicherheitsbande, die die Gemeinschaften von Amarakaeri geknüpft hätten, um ihr Gebiet in Madre de Dios abzusichern. »Das ist die Realität, da kann ich nicht lügen«, so Tayori. Auch wenn er für das Überleben der traditionellen indigenen Kultur keine Zukunft sieht, hofft er, dass die wachsende Bewegung von Aktivisten etwas Neues schaffen kann – »einen anderen Lebensstil, eine andere Form der Koexistenz und ein anderes Konzept von Gemeinschaft«. Im Grunde, sagt Tayori, müssen die indigene Bewegung und ihre Partner ein nachhaltiges soziales und wirtschaftliches Modell schaffen, mit dem Menschen im Wald gedeihen können. Sonst werde dieser verschwinden müssen, Baum für Baum.

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