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Amazonas: Der Amazonaswald erholt sich nicht mehr schnell genug

Weite Bereiche des Amazonas-Regenwalds erholen sich nach Bränden oder Dürren nicht mehr so gut wie gewohnt. Im schlimmsten Fall könnte der Wald sterben und eine Savanne zurückbleiben.
Zerstörter Regenwald im Amazonas

Der Regenwald im Amazonasgebiet verliert seit Anfang der 2000er Jahre kontinuierlich an Widerstandsfähigkeit. Bei mehr als drei Vierteln des Waldes habe die Fähigkeit nachgelassen, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen, heißt es in der Studie eines britisch-deutschen Forscherteams, die in der Fachzeitschrift »Nature Climate Change« veröffentlicht ist.

Niklas Boers vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und seine Mitarbeiter von der britischen Universität Exeter hatten hochaufgelöste Satellitendaten zur Veränderung der Biomasse und der Produktivität im Amazonaswald statistisch analysiert. Sie führen die nachlassende Widerstandsfähigkeit auf den Stress durch Abholzung und Brandrodung zurück, der Einfluss des Klimawandels sei bisher nicht eindeutig feststellbar. Zuletzt war Mitte 2021 schon eine Studie erschienen, die deutlich machte, dass Teile der Wälder in der Amazonasregion inzwischen mehr CO2 abgeben als sie aufnehmen.

»Eine verringerte Resilienz – die Fähigkeit, sich von Störungen wie Dürren oder Bränden zu erholen – kann ein erhöhtes Risiko für das Absterben des Amazonas-Regenwaldes bedeuten«, sagt Boers. »Dass wir in den Beobachtungen einen solchen Resilienzverlust feststellen, ist Besorgnis erregend«.

Die aktuelle Analyse bestätige, dass eine starke Begrenzung der Abholzung, aber auch eine Begrenzung der globalen Treibhausgasemissionen notwendig sei, um den Amazonas zu schützen, sagt Tim Lenton, Direktor des Global Systems Institute in Exeter, Großbritannien. Er war ebenfalls an der Untersuchung beteiligt.

»Dass wir in den Beobachtungen einen solchen Resilienzverlust feststellen, ist Besorgnis erregend«
Niklas Boers, Klimaforscher

Besonders gefährdet für den Verlust der Widerstandsfähigkeit sind den Forschern zufolge trockene Gebiete. »Dies ist alarmierend, da die IPCC-Modelle eine allgemeine Austrocknung des Amazonasgebiets als Reaktion auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung vorhersagen«, sagt Boers. Auch Gebiete in der Nähe von menschlichen Siedlungen seien besonders bedroht.

Der Amazonas-Regenwald speichert erhebliche Mengen des Treibhausgases CO2. Damit nimmt er eine Schlüsselrolle für das Weltklima und die Artenvielfalt ein. Das Ökosystem gilt als ein Kippelement, dessen plötzliche Veränderung das Weltklima aus dem Gleichgewicht bringen kann.

Forscher warnen davor, dass sich beim Überschreiten eines Kipppunktes ein Großteil des Amazonasgebiets in eine Savanne verwandeln könne. »Wann ein solcher möglicher Übergang stattfinden könnte, können wir nicht sagen«, sagte Boers. »Wenn er dann zu beobachten ist, wäre es wahrscheinlich zu spät, ihn aufzuhalten.« Klimaforschende hatten bereits mit Computermodellen berechnet, dass selbst Ökosysteme, die den Großteil eines Kontinents bedecken, innerhalb weniger Jahrzehnte verschwinden können.

Schätzungen zufolge könnte für das Erreichen des Kipppunktes ein Verlust von 20 bis 25 Prozent der Walddecke im Amazonasbecken ausreichen. Riesige Wüsten könnten in der Folge entstehen – und Dürren und Überschwemmungen weltweit zunehmen. Der verstorbene US-Wissenschaftler Thomas Lovejoy und der brasilianische Forscher Carlos Nobre hatten ermittelt, dass bereits 17 Prozent der ursprünglichen Waldfläche verschwunden sind.

In weiten Teilen Brasiliens herrschten im vergangenen Jahr Wassermangel und Trockenheit, was auch dem Klimawandel und den Abholzungen zugeschrieben wird. Der Anteil des Landes am Amazonasgebiet entspricht flächenmäßig der Größe Westeuropas. Ihm wird daher eine entscheidende Rolle beim Klimaschutz zugeschrieben.

Der politisch rechts stehende Präsident Jair Bolsonaro sieht im Amazonasgebiet vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial und will noch mehr Flächen für Landwirtschaft, Bergbau und Energiegewinnung erschließen. So erließ er etwa ein Dekret zur Förderung des Goldabbaus im Amazonasgebiet. Die Ausbeutung indigener Gebiete zum Abbau von Kalium für Düngemittel rechtfertigte er jüngst mit dem russischen Angriff auf die Ukraine und einer damit angeblich drohenden Verknappung und Verteuerung von Kalium. Die Abholzung im Amazonasgebiet legte während der Amtszeit Bolsonaros, der Ende Oktober 2018 zum Präsidenten gewählt wurde und sein Amt Anfang 2019 antrat, kräftig zu und lag zuletzt auf Rekordniveau. dpa/jo

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