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Intrigen unter Ameisen: Heimtückischer Mord an der Königin

Ameisenköniginnen erwürgen mitunter die Herrscherinnen fremder Staaten und besteigen dann selbst den Thron. Bei zwei Ameisenarten hat man nun eine besonders perfide Kriegslist beobachtet: Die Usurpatorin stiftet das Volk zur Tötung der eigenen Königin an und damit zum »Muttermord« – ein in der Natur seltenes Phänomen.
Eine Nahaufnahme einer Ameisenkolonie auf einem weißen Hintergrund. In der Mitte befindet sich eine größere, dunkle Ameise und eine helle größere Ameise, umgeben von zahlreichen kleineren, hellbraunen Ameisen. Einige Ameisen tragen Eier oder Larven. Die Szene zeigt das geschäftige Treiben und die Interaktion innerhalb der Kolonie.
Eine eindringende Ameisenkönigin der Spezies Lasius orientalis (links) nähert sich der herrschenden Königin einer Lasius-flavus-Ameisenkolonie. Wenig später wird die Angreiferin ihre Widersacherin mit einer Flüssigkeit besprühen, die diese zum Angriffsziel ihrer eigenen Arbeiterinnen macht.

Draußen in der Natur und quasi unter unseren Füßen toben erbitterte Kriege – Ameisenvölker, die um lebensnotwendige Ressourcen kämpfen. Eine durchaus verbreitete Taktik unter den koloniebildenden Sechsbeinern: Die Königin einer Spezies schleicht sich inkognito in ein artfremdes Nest, erdrosselt oder köpft die dortige Herrscherin und übernimmt selbst die Führung. Wie eine Publikation in »Current Biology« nahelegt, bedienen sich manche Ameisenarten aber einer noch perfideren (und vermutlich kräftesparenderen) Kriegslist: Die eingedrungene Thronräuberin besprüht die heimische Königin einfach mit einer Chemikalie aus den Drüsen ihres Hinterleibs und macht sich dann erst einmal wieder aus dem Staub. Durch die chemische Markierung ist die Angegriffene nun offenbar »angezählt«. Denn die Tötung übernehmen nun bereitwillig Arbeiterinnen des überfallenen Staats: Die Königin wird von ihren eigenen Töchtern zerstückelt.

Ungewöhnlicher Muttermord unter Ameisen

Diesen außergewöhnlichen, von außen eingefädelten Muttermord dokumentierten Ameisenliebhaber gleich bei zwei Wegameisen-Spezies: Erstautor Taku Shimada filmte eine Königin von Lasius orientalis beim Überfall auf die Herrscherin eines Lasius-flavus-Nestes, während Zweitautor Yuji Tanaka ganz ähnlich beobachtete, wie sich eine Lasius-umbratus-Königin ein Reich von Lasius japonicus auf diese Weise untertan machte. Keizo Takasuka von der Universität Kyushu, dessen Spezialgebiet eigentlich parasitische Wespen sind, stieß auf die Filme der beiden Hobbyzoologen.

»Bevor die Angreiferin in das Nest eindringt, nimmt sie heimlich den Körpergeruch der Kolonie von Arbeiterinnen auf, denen sie draußen begegnet«, erklärt der Forscher. Andernfalls würde sie von den Wächterinnen bis zum Tod bekämpft. Im Gemach angekommen, besprühte die Königin von Lasius orientalis ihre Widersacherin binnen 20 Stunden 15-mal, zog sich aber zwischenzeitlich immer wieder zurück. Die Töchter der Eingenebelten wurden immer nervöser und begannen schließlich ihre Mutter anzugreifen. Nach vier Tagen hatten sie die Bedauernswerte so verstümmelt, dass sie daran verstarb.

Ameisensäure macht die Arbeiterinnen aggressiv

Die Lasius-umbratus-Usurpatorin hingegen musste nur zwei gezielte Sprühstöße einsetzen, bevor die heimische Königin vom eigenen Nachwuchs zerfetzt wurde. In beiden Fällen akzeptierten und versorgten die Arbeiterinnen nach dem Muttermord die eingedrungene artfremde Königin, die bald darauf selbst Eier legte und somit eine neue Kolonie gründete.

Takasuka vermutet, dass es sich bei der versprühten Flüssigkeit um Ameisensäure handelt. »Wir glauben, dass die Arbeiterinnen, wenn ihre Königin plötzlich mit einer großen Menge dieser Chemikalie bedeckt ist, ihre eigene Mutter als eine Bedrohung für die Kolonie wahrnehmen.« Die aggressive Reaktion darauf liegt in ihrer Natur. Da die beiden sozialparasitären Ameisenspezies nicht besonders nah verwandt sind, haben sie ihre erstaunliche Eroberungsstrategie laut dem japanischen Forscher wohl unabhängig voneinander entwickelt.

  • Quellen
Shimada, T. et al., Current Biology, 10.1016/j.cub.2025.09.037, 2025

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