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Anden: Eine Landschaft voller Fallen

Vor 8000 Jahren entwickelten Menschen im Hochland der Anden Fallen für die Jagd auf Vicuñas. Das war offenbar sehr effektiv: Ihre Methode behielten sie bis in jüngste Zeit bei.
Weitläufige Wüstenlandschaft mit einem grünen Tal, das sich durch die Mitte zieht. Das Tal enthält landwirtschaftliche Felder und Bäume, die sich von der trockenen, felsigen Umgebung abheben. Im Hintergrund sind sanfte Hügel und ein klarer blauer Himmel zu sehen.
Auch wenn die Landwirtschaft schon vor Jahrtausenden Fuß fasste in den Tieflagen des Camarones-Tals, blieben die Menschen wohl ihrer uralten Jagdmethode treu. Das verraten Aufzeichnungen der spanischen Eroberer.

Vor etwa 8000 Jahren begannen Bewohner der Anden, mit riesigen Fallen aus Steinmauern Jagd auf Vicuñas zu machen, die wilden Verwandten der Alpakas. Das System der gemeinschaftlichen Jagd hatte bis weit in die Kolonialzeit hinein Bestand, schreibt Adrián Oyaneder von der University of Exeter im Fachmagazin »Antiquity«.

Mithilfe öffentlich zugänglicher Satellitenbilder hat Oyaneder ermittelt, wie weit verbreitet diese »Chacus« genannten Fallen waren. Er suchte dazu ein 4600 Quadratkilometer großes Gebiet im Camarones-Flusstal ab. Das trockene Tal erstreckt sich im Norden Chiles vom Andenhochland bis zur Pazifikküste. Anfangs habe er nur mit vereinzelten Bauten gerechnet, »aber mit der Zeit habe ich bemerkt, dass sie in Wahrheit im ganzen Hochland auftauchen, und das in Mengen, die man von den Anden bislang überhaupt nicht kannte«, erklärt der Forscher in einer Pressemitteilung des Fachmagazins.

Insgesamt 76 Chacus habe er ausmachen können, schreibt Oyaneder in seinem Beitrag. Die Fallen aus Trockensteinmauern sind immer trichterartig aufgebaut und bestehen aus zwei »Fangarmen«, die im Schnitt 150 Meter lang sind und noch heute etwa anderthalb Meter aufragen. Sie hinderten die Vicuñas daran, nach rechts oder links auszuweichen, und schleusten sie stattdessen in eine zentrale Einfriedung von etwa 95 Quadratmetern Größe, deren Boden um zwei Meter eingetieft war. Dort gab es für die Beute wohl kein Entrinnen mehr, insbesondere weil die Flucht aus dem Zentrum nur hangaufwärts möglich gewesen wäre.

Chacu in der 3-D-Darstellung | Die Fallen haben zumeist einen Hauptarm (3) und einen kürzeren gebogenen Sekundärarm (4). In den Pferch (1) am Ende führte eine rund zwei Meter hohe Stufe (2), die die Tiere vermutlich am Ausbruch hinderte. Das Modell der Falle lässt sich hier auch in 3-D erkunden.

Der Wissenschaftler vermutet, dass jede Falle mit mehreren kleinen Siedlungen oder Behausungen assoziiert war. Diese waren anscheinend nur zeitweise bewohnt gewesen und lagen meist im Umkreis von etwa fünf Kilometern um die Chacus herum. Insgesamt 800 solcher temporären Unterkünfte entdeckte Oyaneder.

Archäologische Befunde legen nahe, dass die Landwirtschaft in der Region ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. zwar eine immer größere Rolle zu spielen begann. Gleichwohl scheint der Lebensstil der Jäger und Sammler nie ganz verschwunden zu sein, wie auch Aufzeichnungen aus der Kolonialzeit verraten. Sie berichten von Ethnien, die als Wildbeuter lebten. Laut ethnografischen Berichten gab es zudem »Choquela« genannte Gruppen, die auf Vicuña-Jagd spezialisiert waren und ein eigenes Vokabular für die Chacu-Jagd hatten. Vergleichbare Fallen hat man bereits in einigen anderen, vorwiegend trockenen Regionen gefunden, so etwa im heutigen Saudi-Arabien.

Zwei benachbarte Chacus | Insgesamt 76 Fallen machte Adrián Oyaneder anhand der Satellitenaufnahmen aus. Sie sprenkeln die Landschaft am Rand der Atacama-Wüste.

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  • Quellen
Oyaneder, A., Antiquity 10.15184/aqy.2025.10213, 2025

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