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Angriffskrieg: Was der Krieg in der Ukraine fürs Klima bedeutet

Der russische Angriffskrieg hat auch Folgen fürs Klima: Forscher haben berechnet, wie viele Emissionen durch das Kampfgeschehen und die Zerstörung von Städten und Umwelt entstehen.
Panzer prorussischer Separatisten in der Ukraine
Ein Panzer prorussischer Separatisten in der Ukraine.

Zerstörte Kraftwerke, brennende Wälder und Wohnblocks, die in Schutt und Asche liegen: Mit dem Angriffskrieg in der Ukraine raubt Russland Menschen ihre Heimat oder sogar ihr Leben. Und auch auf die Umwelt hat das Kriegsgeschehen starke Auswirkungen, wie unter anderem die Zerstörung des Staudamms Kachowka am 06. Juli zeigt. Was der Krieg für das Klima bedeutet, hat nun ein internationales Forscherteam berechnet. Allein im ersten Jahr hat der Krieg in der Ukraine etwa so viele Emissionen verursacht wie ein Land wie Belgien im gleichen Zeitraum: 120 Millionen Tonnen CO2-Emissionen-Äquivalente.

»Es ist zuallererst natürlich eine menschliche Tragödie«, sagt der federführende niederländische Klimaforscher Lennard de Klerk im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa). »Doch es gibt auch einen großen Umweltschaden.« Der Wissenschaftler hat in der Vergangenheit bereits in Moskau sowie in Kiew gelebt. Als Russland die Ukraine überfiel, habe er sich die Frage gestellt: Was kann ich tun? Schnell merkte er, dass sich mit dem ökologischen Fußabdruck von Kriegen bislang noch kaum jemand beschäftigt hat. Bei den UN-Klimaverhandlungen in Bonn stellt er am 07. Juli vor, was er mit einem internationalen Team herausgefunden hat.

Die Experten schätzen den Anteil der Emissionen, der durch das direkte Kampfgeschehen verursacht wurde, auf 19 Prozent des Gesamtausstoßes im ersten Kriegsjahr. Dabei kam der Großteil durch den Spritverbrauch vor allem russischer, aber auch ukrainischer Truppen zu Stande. Ähnlich hohe Emissionen entstanden de Klerk und seinen Kollegen zufolge auch durch Feuer, die oft nahe der Frontlinie ausbrechen. Schätzung zufolge machen sie 15 Prozent aus.

Den größten Teil der Emissionen sehen die Forscher mit rund 50 Millionen Tonnen beim Wiederaufbau nach dem Krieg, etwa wenn Kraftwerke, Industrie und Gebäude neu errichtet werden müssen. Der Bausektor, in dem viel Beton verarbeitet wird, gehört generell zu jenen Sektoren mit einem sehr hohen Ausstoß an Treibhausgasen. Darüber hinaus werden in der Rechnung auch die Lecks an den Nordstream-Pipelines sowie die Emissionen berücksichtigt, die Flugzeuge durch ihre weiträumigen Umwege über Asien verursachen, seit die Sanktionen gegen Russland gelten.

Dass die Umweltschäden Tag für Tag größer werden, wird ganz aktuell an der Zerstörung des Staudamms Kachowka deutlich. Das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe wird wohl erst in den kommenden Tagen und Wochen sichtbar. Zehntausende Menschen sind von Hochwasser bedroht, das ukrainische Agrarministerium rechnet ersten Schätzungen zufolge zudem mit der Überschwemmung von etwa 10 000 Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche am nördlichen Ufer des Dnepr in der Region Cherson. Am südlichen Ufer, im russisch besetzten Gebiet, werde ein Vielfaches dieser Fläche überflutet, teilte das Ministerium am Dienstagabend auf seiner Webseite mit.

Der britische Mathematiker Stuart Parkinson, der die Organisation Scientists for Global Responsibility leitet, versucht schon seit Jahren, der Rolle des Militärs für die Klimakrise auf den Grund zu gehen, stößt dabei aber immer wieder auf Hürden. »Es gibt riesige Lücken in den Daten«, sagt er im Gespräch mit der dpa. »Viele Daten sind vertraulich.« Es sei überfällig, dass sich das Militär auf den Weg Richtung Klimaneutralität mache, denn: »Die Zeitspanne von militärischen Investitionen sind auf Jahrzehnte ausgelegt.« Die EU, Großbritannien und die USA wollen bis 2050 klimaneutral werden.

»Es ist ein blinder Fleck für alle, die im Bereich Klima forschen«, sagt auch der Niederländer de Klerk. Das Militär habe sich in der Vergangenheit wenig fürs Klima interessiert, obwohl der Klimawandel seine Aktivitäten entscheidend beeinflusse.

Langsam wächst im Militär das Bewusstsein, dass sich auch die Armeen umstellen müssen. Doch der Prozess steht noch am Anfang. Vor vier Jahren schlossen sich Militärvertreter und Experten unter anderem aus den USA, Frankreich und den Niederlanden zusammen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie das Militär der Klimakrise begegnen sollte. In einem im Jahr 2022 veröffentlichten Bericht stellt die Gruppe, die sich International Military Council on Climate and Security (IMCCS) nennt, fest, dass es bislang kein standardisiertes Verfahren gibt, um den Ausstoß von Treibhausgasen bei Armeen zu messen. Aus dem Pariser Klimaschutzabkommen ist das Militär ausgeklammert. Bislang habe es oft auch die Sorge gegeben, zu viel Transparenz könnte Armeen strategisch schwächen.

Die Gruppe ruft Nato und EU auf, zusammenzuarbeiten und gemeinsame Standards zu setzen. Die Nato sei dabei wichtig, um Normen zu etablieren, und die EU müsse das Militär verpflichtend in ihren »Green New Deal« einbeziehen. (dpa/doe)

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