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Antarktis: Vier von fünf Kaiserpinguinkolonien ohne Nachwuchs

Der Verlust des Meereises in der Antarktis erschwert die Brut für Kaiserpinguine. Wahrscheinlich haben 2022 in vier von fünf beobachteten Kolonien keine Küken überlebt.
Ein ausgewachsener Kaiserpinguin und sieben Jungtiere auf dem Eis.
Kaiserpinguine (Aptenodytes forsteri) werden mehr als einen Meter groß und sind die am südlichsten lebende Pinguinart.

Dickes Meereis ist für die Aufzucht von Kaiserpinguinküken unerlässlich. Denn es dauert sehr lange, bis die Kleinen schwimmtauglich sind: Ab Mitte Juli brüten zunächst die Väter etwa 65 Tage die Eier aus, dann übernimmt die Mutter die Aufzucht, schließlich kümmern sich beide. Viele Monate verbringen die jungen Kaiserpinguine so auf dem Eis, ehe sie endlich zwischen Dezember und Januar flügge werden und den Sprung ins kalte Wasser wagen können. Schwindet das Eis im südlichen Sommer zu früh, noch ehe die Pinguinkinder ihr wassertaugliches Federkleid besitzen, haben sie allerdings keine Chance.

2022 waren die Brutbedingungen besonders schwierig. Erstmals war im Februar 2022 der Wert des antarktischen Meereises auf unter zwei Millionen Quadratkilometer gesunken, ein Drittel weniger als üblich. Mit dramatischen Folgen für manche Populationen: Laut einer in »Communications Earth & Environment« veröffentlichten Studie haben wohl in vier von fünf bekannten Kaiserpinguinkolonien in der zentralen und östlichen Bellingshausensee keine Küken überlebt. Das ergab die Auswertung von Satellitenbildern, die zeigten, dass das Meereises an den Brutplätzen schon geschwunden war, lange bevor die Küken wasserfeste Federn hätten entwickeln können. »Wir haben noch nie erlebt, dass Kaiserpinguine in einer einzigen Saison in diesem Ausmaß nicht erfolgreich brüten«, sagt der Hauptautor der Studie Peter Fretwell von der British Antarctic Survey (BAS). Laut dem BAS-Forscherteam untermauert die Entdeckung die Vorhersage, dass mehr als 90 Prozent der Kaiserpinguinkolonien bis zum Ende des Jahrhunderts ausgestorben sein könnten, wenn man die derzeitigen Trends der globalen Erwärmung zu Grunde legt. »Wir wissen, dass Kaiserpinguine in einem sich erwärmenden Klima sehr gefährdet sind«, erklärt Fretwell. »Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass extreme Meereisverluste wie dieser häufiger und häufiger auftreten werden.«

Das Meereis wächst im antarktischen Winter kontinuierlich, so dass bislang im Schnitt bis Ende September riesige Eisflächen von zusammengenommen 18,5 Millionen Quadratkilometern entstehen. Bis zum Sommer schrumpfen sie wieder, bis durchschnittlich noch drei Millionen Quadratkilometer davon übrig bleiben. Doch diese Werte schwanken von Jahr zu Jahr teils erheblich. Seit 2016 verzeichnete man innerhalb des 45-jährigen Beobachtungszeitraums bereits die vier Jahre mit der geringsten Ausdehnung des Meereises. Zwischen 2018 und 2022 waren 30 Prozent der 62 bekannten Kaiserpinguinkolonien in der Antarktis von einem teilweisen oder vollständigen Verlust des Meereises betroffen. Erst kürzlich gab es einen erneuten negativen Höchststand: Am 20. August 2023 lag die Meereisausdehnung um 2,2 Millionen Quadratkilometer unter dem Mittelwert der Daten von 1981 bis 2022. Diese fehlende Eismenge ist größer als die Fläche Grönlands oder etwa zehnmal so groß wie das Vereinigte Königreich. »Jetzt, im August 2023, liegt die Meereisausdehnung in der Antarktis immer noch weit unter allen bisherigen Aufzeichnungen für diese Jahreszeit«, sagt die BAS-Klimaforscherin Caroline Holmes. »In dieser Zeit, in der die Ozeane zufrieren, gibt es Gebiete, die bemerkenswerterweise noch weitgehend eisfrei sind.«

In der Vergangenheit haben die Kaiserpinguine auf fehlendes Meereis entsprechend reagieren können: Sie sind im darauf folgenden Jahr meist an stabilere Orte gezogen, um dort ihre Jungen großzuziehen. Verzeichnet jedoch eine ganze Region den massiven Verlust von Meereis, können die Pinguine diese Strategie nicht anwenden und nicht brüten.

Die fünf untersuchten Pinguinkolonien – Rothschild Island, Verdi Inlet, Smyley Island, Bryan Peninsula und Pfrogner Point – wurden alle in den letzten 14 Jahren mit Hilfe von Satellitenbildern entdeckt. Alle fünf Kolonien kehrten bisher nachweislich jedes Jahr an denselben Ort zurück, um zu brüten. Nur einmal, im Jahr 2010, kam es auf der Bryan-Halbinsel zu einem Brutausfall. Forschende nutzen inzwischen routinemäßig Satellitenbilder, wie beispielsweise die der Satellitenmission Copernicus Sentinel-2, um Kaiserpinguinkolonien zu entdecken und zu überwachen, da sich die braunen Flecken des Guanos der Vögel deutlich vom reinen Weiß des Eises und des Schnees abheben.

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