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Immunologie: Anti-Aging für Immunzellen

Ein HIV-Infektion ist eine enorme Herausforderung für das Immunsystem - ständig muss es gegen den Eindringling ankämpfen. Das geht nicht spurlos an den Immunzellen vorbei: Sie altern vorzeitig. Dauer-Power erhalten sie durch die künstliche Aktivierung eines Jungbrunnen-Enzyms.
In jeder Zelle tickt ein Zählwerk, das erbarmungslos jede Teilung der Zelle notiert. Ist eine bestimmte Anzahl an Teilungsschritten erreicht, gibt es für die Zelle kein Entrinnen: Ihre Lebenzeit ist abgelaufen. Als Zeiger dient dem zellinternen Chronographen dabei eine Kappe an den Enden des Chromosoms, das Telomer. Dieses Endstück wird bei jeder Zellteilung (auch als Mitose bezeichnet) um einen kleinen Abschnitt gestutzt. Ist es auf eine bestimmte Länge zusammengeschrumpft, gibt es der Zelle den unbarmherzigen Befehl, Selbstmord zu begehen.

Doch vollständig wehrlos sind die Zellen nicht. Prinzipiell besitzen sie über ein Anti-Aging-Mittel: die Telomerase. Dieses Enzym verlängert bei jedem Teilungsschritt die Telomere und hält sie so auf konstanter Länge – das Todessignal bleibt aus. Allerdings ist dieser Jungbrunnen erwachsenen Zellen in der Regel abgeschaltet; nur wenige Zelltypen wie beispielsweise Keimbahnzellen halten die Telomerase in aktivem Zustand und bleiben deswegen unbegrenzt teilungsfähig.

Auch Immunzellen nutzen zeitweise ihre Telomerase – und zwar einmal während ihrer Entwicklung und dann später nochmals vorübergehend nach Kontakt mit Fremdkörpern. Dadurch verfügen sie über ein recht großes Konto an Zellteilungen – ist es jedoch erschöpft, treten sie in den Zustand der Seneszenz ein. Dann bleiben sie zwar aktiv, können sich aber nicht mehr teilen.

Bei einer HIV-Infektion steht das Immunsystem unter Dauerbeschuss: Permanent werden die Immunzellen mit Virusmaterial konfrontiert, teilen sich daraufhin und versuchen, das Virus in Schach zu halten. Durch diesen immensen Druck erschöpfen sie recht schnell ihr Mitosekonto. Ein bestimmter Typ der Immunzellen, die T-Zellen, die bei der Bekämpfung des Eindringlings eine entscheidende Rolle spielen, altert bei HIV-Infizierten deswegen besonders schnell: Die Telomere der T-Zellen von vierzigjährigen HIV-Patienten sind etwa so lang wie die von neunzigjährigen Gesunden.

Um den Körper im Kampf gegen HIV zu unterstützen, könnte man doch etwas für die Fitness des Immunsystems tun, dachten sich nun Rita Effros und ihre Kollegen von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Sie hatten die Idee, den Jungbrunnen der T-Zellen zu aktivieren, damit diese länger gegen HIV vorgehen können.

Die Wissenschaftler versorgten sich also mit T-Zellen von HIV-Infizierten und schalteten mit einem genetischen Kniff deren Telomerase permanent an. Diese Power-Zellen ließen sie dann auf HI-Viren los.

Das Jungbrunnen-Konzept ging auf: Das Enzym hielt die Telomere auf konstanter Länge, und die Zellen teilten sich unbegrenzt. Gleichzeitig produzierten sie über einen längeren Zeitraum als Zellen mit inaktiver Telomerase Zytokine, die sie als Waffen gegen das Virus einsetzen. Die aufgepeppten Zellen blieben also dauerhaft jung und arbeitsfähig. Unerwünschte Nebenwirkungen wie Veränderungen an den Chromosomen, die Krebs auslösen könnten, beobachtete die Arbeitsgruppe dabei nicht.

Die künstliche Aktivierung der Telomerase verzögert also erfolgreich die durch den permanenten viralen Belagerungsdruck verursachte vorzeitige Alterung der T-Zellen. Dadurch können sie dem Eindringling über einen längeren Zeitraum die Stirn bieten. Nach Ansicht der Forscher könnte daraus eines Tages eine zusätzlichen Strategie zur Behandlung von Aids-Patienten entstehen, um die antivirale Therapie zu unterstützen.

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