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Antikes Rom: Wo Imperatoren Weinbauern spielten

Wer im Luxus lebt, sehnt sich vielleicht auch einmal nach dem einfachen Leben. Spuren davon finden sich unweit von Rom, wo die Kaiser ein marmorgetäfeltes Fake-Weingut unterhielten.
Blick auf das Weingut in der Villa der Quintilier
Durch die drei mittleren Nischen ergoss sich der Traubensaft in den Bereich mit den großen Gärbehältern. Die Anlage erinnerte auch von ihrem Grundriss her an ein Theater.

In einer kaiserlichen Villa an der Via Appia nahe Rom unterhielten die römischen Kaiser ein ausgedehntes Landgut mit allerlei Annehmlichkeiten, zu denen neben einer Pferderennbahn auch ein nachgebautes, aber voll funktionstüchtiges Weingut gehörte. Dort konnten die Potentaten mit ihrer Entourage speisen und dabei den Arbeitern beim Pressen der Trauben zuschauen und die Weinverarbeitung als Spektakel genießen. Möglicherweise legten sie auch selbst Hand an oder gaben als Priester der römischen Staatsreligion den rituellen Startschuss für den Beginn der Weinlese.

Das schreibt ein Team um Emlyn Dodd von der australischen Macquarie University in Sydney im Fachblatt »Antiquity«. In dem Aufsatz analysieren Dodd und Kollegen die Anlage, deren archäologische Überreste von 2017 bis 2018 ausgegraben wurden. Sie wurde spätestens um die Mitte des 3. Jahrhunderts n. Chr. errichtet, aus dieser Zeit stammt ein Stempel, der den Bau in die Regierungszeit von Kaiser Gordian III. datiert. Gordian war von 238 bis 244 römischer Kaiser. Womöglich ließ er die Anlage aber auch nur modernisieren. Sie ist Teil eines 24 Hektar großen luxuriösen Landsitzes, der unter dem Namen Villa der Quintilier bekannt ist. Die namensgebenden Quintilier waren zwei wohlhabende und einflussreiche Brüder, die von Kaiser Commodus unter einem Vorwand hingerichtet wurden. Im Jahr 182 eignete er sich ihr Landgut an, das sich ab diesem Zeitpunkt im Besitz der Kaiser befand.

Laut den Autoren der Studie kennt man bislang nur noch ein weiteres Schau-Weingut im alten Rom. Es befindet sich in der Villa Magna, die rund 100 Jahre vor Gordians Zeit vergleichbar opulent ausgestattet wurde. Auch hier tafelte wohl die feinere Gesellschaft mit Blick auf Winzer und ihre Arbeiter, mutmaßlich Sklaven. In der Villa der Quintilier gab es sogar noch zwei großzügig dimensionierte Weinpressen zu beiden Seiten der 1000-Quadratmeter-Anlage. In ihrem Zentrum befand sich der Bereich, in dem Arbeiter mit ihren Füßen die Trauben zerquetschten. Anders als bei richtigen Weingütern war der Boden hier nicht mit feuchtigkeitsresistentem Zement, sondern mit Marmor ausgelegt. Eine unpraktische Wahl, weil das Material bei Nässe sehr rutschig wird. Es mache noch einmal deutlich, wo für die Bauherren die Prioritäten gelegen hätten, schreiben die Forscher.

Von hier floss der Traubensaft zur Klärung in einen Absetzbehälter. Die zerquetschen Trauben wurden vermutlich anschließend in die Pressen gegeben. Auch sie entleerten – über filigrane, mit weißem Marmor ausgekleidete Kanälchen – ihren Saft in das Absetzbecken. Über drei springbrunnenartige Wasserfälle floss der Traubenmost daraufhin in einen vorgelagerten, oben offenen Raum, in dem sich große, im Boden eingelassene Gärbottiche befanden. Beiderseits dieses Raums gelangte man in kostbar ausgestattete Speisesäle, die freien Blick auf das Spektakel boten. Von ihrer Ausstattung zeugt etwa der in Teilen erhaltene Fußboden. Die ganze Anlage zeige eine geradezu bizarre Opulenz, sagt Dodd.

Das Weingut aus der Luft | In dem mit A bezeichneten Raum begann die Weinherstellung. Hier wurden die Trauben gestampft. In B1 und B2 standen die Pressen, die aus den angrenzenden Räumen C1 und C2 bedient wurden. Im Speisesaal F1 sind die Reste des Fußbodenbelags aus roten Marmorintarsien zu erkennen.

Landwirtschaftliche Arbeit sei von der römischen Elite häufig romantisiert worden, schreiben die Wissenschaftler. In der Villa der Quintilier wurde der jährlich wiederkehrende Prozess der Weinherstellung zu einer Art von Darbietung gemacht, in der auch die Herrschenden ihre Rolle spielten: Sie stellten ihre eigene Verbindung zur Welt der Bauern und Arbeiter zur Schau, die ja gleichzeitig die Quelle ihres Wohlstands waren, erläutert Dodd. »Es gibt in der römischen Religion definitiv diese Idee, sich mit dem einfachen Volk gemein zu machen.«

Dass die Vorgänge in den Schau-Weingütern auch eine rituelle Komponente hatten, zeigt ein Brief, in dem der spätere Kaiser Mark Aurel im Jahr 141 von seinem Aufenthalt in der Villa Magna berichtet. »Ich begab mich zu meinem Vater und begleitete ihn bei dem Opfer. Dann machten wir uns daran, die Trauben zu ernten. Wir schwitzen und waren vergnügt.« Nach einem Bad tafelt er mit seinem Vater Antoninus Pius und anderen Anwesenden im Raum, wo man »fröhlich dem Geschwätz der Landarbeiter« lauschte, die die Trauben stampften. Das Schlachten eines Lamms sollte vermutlich für gute Bedingungen in der beginnenden Weinlese sorgen, einem immens wichtigen Wirtschaftszweig für das ganze Imperium.

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