Teilchenphysik: Physiker erzeugen erstes Qubit aus Antimaterie

Ein internationales Team am CERN hat zum ersten Mal ein Qubit aus Antimaterie erzeugt. Dabei produzierten und fingen die Physikerinnen und Physiker ein einzelnes Antiproton und beobachteten 50 Sekunden lang die Änderung seines Spins, wie die Fachleute im Juli 2025 in einer bei der Fachzeitschrift »Nature« veröffentlichen Studie berichten. Sie hoffen dadurch besser verstehen zu können, weshalb Materie in der Form, wie wir sie kennen, überhaupt existiert.
Normalerweise vernichten sich Materie und Antimaterie, sobald sie aufeinandertreffen, und hinterlassen lediglich Energie in Form von Licht. Gäbe es gleichermaßen Materie und Antimaterie, würde unser Universum wohl lediglich aus elektromagnetischer Energie bestehen. Im All findet sich jedoch vorrangig Materie. Wieso das so ist, ist eine der großen ungeklärten Fragen der Wissenschaft. »Wenn man nur die Physik betrachtet, gibt es absolut keinen Grund, warum es mehr Materie als Antimaterie geben sollte«, sagt der Physiker Stefan Ulmer vom CERN, dem europäischen Labor für Teilchenphysik in der Nähe von Genf und Ko-Autor der Studie.
Um diesem Ungleichgewicht auf den Grund zu gehen, suchen Forschende nach Unterschieden zwischen Teilchen und Antiteilchen. Dafür untersuchte das Team um Ulmer zum ersten Mal ein Qubit aus Antimaterie und maß, wie schnell sich dessen Zustand ändert - verhält sich das Antiteilchen hierbei vielleicht anders als sein Gegenstück aus Materie?
Magnetische Eigenschaften von Materie und Antimaterie
Der Spin ist eine grundlegende Eigenschaft von Quantenteilchen, wie die Masse oder die Ladung. Ein Proton oder ein Antiproton kann zwei Spinzustände haben, die oft durch nach »oben« oder »unten« zeigende Pfeile charakterisiert werden. Betrachtet man nur den Spin, ähnelt das Teilchen demnach einem binären Computerbit, das den Zustand 0 oder 1 einnehmen kann. Allerdings folgt der Spin den Regeln der Quantenmechanik, das heißt, er kann auch überlagert vorkommen: Er kann also nach oben, nach unten oder durch eine Kombination aus beidem in eine beliebige Richtung zeigen. Damit hat er die gleichen Eigenschaften wie ein Quanten-Bit, ein sogenanntes Qubit, das eine Überlagerung aus 0 und 1 haben kann. Ein Spinsystem aus einem gefangenen Teilchen wird deshalb auch als Qubit bezeichnet.
Die Forschungsgruppe untersuchte die Antiprotonen-Qubits in einem Teilchenbeschleuniger mithilfe sogenannter Fallen. Diese nutzen verschiedene Magnetfelder, die geladenen Teilchen auf unterschiedlichste Weise beeinflussen. Mit den Fallen konnten die Forschenden Antiprotonen erzeugen, fangen und fixieren, um dann deren magnetisches Moment zu messen.
Protonen und Antiprotonen sind elektrisch geladen - Protonen positiv, Antiprotonen negativ. Die Ladungen und Spins bewirken, dass sich die Teilchen wie kleine Stabmagnete verhalten, die je nach Ausrichtung ihres Spins in verschiedene Richtungen zeigen. Damit besitzen sie ein magnetisches Moment. Falls es einen Unterschied zwischen dem magnetischen Moment von Protonen und Antiprotonen gäbe, könnte das die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie im Universum erklären.
Bisherige Messungen an magnetischen Momenten von Teilchen und Antiteilchen haben keinen Unterschied gefunden. Ähnliche frühere Experimente haben das Phänomen entweder nur in makroskopischen Ansammlungen von Teilchen oder in Ionen, also geladenen Atomen gemessen. Bislang war es Fachleuten noch nie gelungen, die Schwingung des magnetischen Moments eines einzelnen Protons oder Antiprotons zu messen. »Wir haben jetzt die volle Kontrolle über den Spinzustand eines Teilchens«, sagt die Hauptautorin der neuen Studie, Barbara Latacz vom CERN und dem RIKEN Advanced Science Institute in Japan. »Für Grundlagenphysiker ist das eine sehr spannende Möglichkeit.«
Mit dieser technischen Meisterleistung können die Forschenden die Spinübergänge einzelner Teilchen deutlich präziser untersuchen. Noch konnten sie keine signifikanten Unterschiede zwischen Teilchen und Antiteilchen feststellen. Sie erhoffen sich aber in Zukunft das magnetische Moment eines Teilchens bis zu 100-mal genauer messen zu können. Die Ergebnisse sind nicht bloß wichtig für die Grundlagenforschung, sondern sind auch in der Anwendung vielversprechend: Die Fallen lassen sich überall dort nutzen, wo Teilchen oder Teilchenensembles gefangen, fixiert und auf ihre elektromagnetischen Eigenschaften untersucht werden, etwa bei Quantencomputern oder auch optischen Uhren.
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