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News: Anziehende Elektronen

Ladungen ziehen im Festkörper schnell die Aufmerksamkeit des Kristallgitters auf sich. Wie schnell, das konnten Wissenschaftler nun erstmals mit hoher Genauigkeit bei Silicium feststellen.
Quasiteilchen
Klarer Fall: Bewegt sich ein Elektron durch einen Festkörper, dann beeinflussen sich die negative Ladung des Elektrons und die Atomrümpfe und Ionen des Kristalls gegenseitig. In der Regel wird es sich um positiv geladene Atomrümpfe handeln, die aufgrund der in diesem Fall anziehenden Coulombkraft dem Elektron etwas näher rücken. Das nackte Elektron wird gewissermaßen angekleidet, "dressed" wie Festkörperphysiker auch sagen, wobei sich seine Eigenschaften ändern. Und weil das angezogene Elektron nicht mehr sonderlich viel mit seinen nackten Kollegen gemein hat, behandeln es Physiker gleich als neues Teilchen – ein Quasiteilchen, um genau zu sein.

Bereits vor etwa zwei Jahren hat ein Forscherteam um den Physiker Alfred Leitenstorfer die Geburt solcher Quasiteilchen unter die Lupe genommen [1]. Allerdings sorgte in dem damaligen Versuch nicht das Kristallgitter des Halbleiters Galliumarsenid für die züchtige Bedeckung allzu freizügiger Elektronen, vielmehr hüllten positiv geladene Löcher die negativen Ladungen ein.

Schon damals waren ultrakurze Lichtblitze im Femtosekundenbereich notwenig, um die schnelle Reaktion der Teilchen zu beobachten. Noch ein bisschen schneller musste es nun bei Muneaki Hase und seinen Kollegen vom National Institute for Materials Science im japanischen Tsukuba sowie der University of Pittsburgh gehen [2]. Mit gerade mal zehn Femtosekunden langen Laserpulsen schossen die Physiker auf einen Silicium-Kristall, um die Bildung von Quasiteilchen zu untersuchen.

Dabei diente der erste intensive Puls der Anregung freier Elektronen im Kristall, während ein zweiter, etwas schwächerer Blitz kurz danach die elektrooptischen Eigenschaften des Materials prüfen sollte. Dazu maßen die Wissenschaftler, wie stark dieser zweite Lichtstrahl an der Oberfläche des Galliumarsenid-Kristalls reflektiert wurde. Indem die Physiker die Zeit zwischen den beiden aufeinander folgenden Laserpulsen variierten, konnten sie zeitlich genau verfolgen, was sich im Material tat.

Das Ergebnis des Blitzlichtgewitters: Zum einen eine gedämpfte Oszillation der Reflektivität, die nach Meinung der Forscher von der Wechselwirkung zwischen Kristallgitter und den erzeugten Elektronen kündet; zum anderen zeigten die Messkurven der Forscher ein flüchtiges Signal von lediglich 50 Femtosekunden Dauer. Letzteres, so die Interpretation von Hase und Co aber auch von ihrem Kollegen Leitenstorfer, kennzeichnet den Augenblick, in dem das Quasiteilchen entsteht.

Für herkömmliche Elektronik ist diese Erkenntnis weitgehend irrelevant. In dem Maße, in dem die Industrie jedoch zu immer kleineren Chip-Strukturen vordringt, gewinnen derartige Experimente jedoch zunehmend an Bedeutung. Leitenstorfer kommentiert entsprechend: "Der Tag wird kommen, an dem Quantenphysik direkt die Funktionalität von Computern und anderen elektronischen Geräten beeinflusst, die wir im Alltag nutzen – die Frage ist nur, wann?"

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