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News: Arbeitsam und trotzdem arm

Arbeitslosigkeit ist eines der großen Probleme unserer Zeit. Allein in Deutschland sind vier Millionen Menschen ohne Arbeit. Doch auch wer erwerbstätig ist, gehört noch lange nicht zu den sozial Abgesicherten. Eine neue Studie zeigt, dass Armut trotz Job in unserem Land sehr häufig vorkommt und vor allem Familienhaushalte betrifft.
Dass in Haushalten ohne Erwerbstätige das Geld sehr knapp werden kann, wird sicher niemanden verwundern. Aber die Armut in Deutschland betrifft auch Haushalte mit festem Einkommen, und davon ganz besonders Familien. Diese Ergebnisse des neuen Arbeitsberichtes stellte Gerhard Bäcker von der Fachhochschule Niederrhein am 4. Oktober 2000 auf der Bundespressekonferenz in Berlin vor. Demnach lebte 1998 rund jeder elfte Bundesbürger in Einkommensarmut. Das Problem der Armut trotz Erwerbstätigkeit existiere in erheblich größerem Umfang, als dies vielfach unterstellt werde. Bestätigt wurde auch die These, dass in der Bundesrepublik vor allem Familienhaushalten betroffen sind.

Mit der neuen Studie wird der 1994 veröffentlichte erste nationale Armutsbericht für das vereinte Deutschland fortgeschrieben und aktualisiert. Sie erfasst die Jahre 1985 bis 1998 und basiert auf einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage. Danach lag die Quote der Einkommensarmen im alten Bundesgebiet mit 8,7 Prozent etwas niedriger und in den neuen Bundesländern mit 10,7 Prozent etwas höher als der Bundesdurchschnitt (9,1 Prozent). Als einkommensarm gelten dabei Bürger, die mit ihrem Einkommen unter der Armutsschwelle von 50 Prozent des durchschnittlichen verfügbaren bedarfsgewichteten Pro-Kopf-Einkommens liegen.

Überraschend ist, dass die Armutsquote von Menschen in Erwerbstätigenhaushalten nur geringfügig unter der allgemeinen Armutsquote liegt. "Probleme entstehen vor allem dann, wenn in Paar-Haushalten mit minderjährigen Kindern nur ein Partner erwerbstätig ist und ein niedriges Arbeitseinkommen hat", so die Autoren. In Arbeitslosenhaushalten liegt die Armutsquote mehr als dreimal so hoch wie für die Gesamtbevölkerung – mit steigender Tendenz. "Die soziale Absicherung bei Arbeitslosigkeit reicht bei vielen Haushalten nicht aus, um einen Abstieg bis unter die Armutsgrenze zu verhindern". Die Analysen der Studie lassen daher keineswegs den Schluß zu, dass es den Arbeitslosen in der Bundesrepublik "zu gut" geht. Etwa dreimal so hoch wie für die Gesamtbevölkerung ist die Armutsquote auch für Alleinerziehende, Ausländer und Spätaussiedler. Migranten sind aber nicht nur in stärkerem Maß, sondern auch länger arm.

Den Stellenwert der Politik gegen Armut in der Bundesrepublik bezeichnen die drei Sozialforscher als "nach wie vor eher begrenzt". "Ausgehend vom Problem der Einkommensarmut sind vor allem der Ausbau der Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, die armutsfeste Ausgestaltung der Einkommenssicherung beim Einkommensausfall sowie eine konzeptionelle Neudefinition der Ausgleichsleistungen für besondere Lasten gefordert." Es werde in der Bundesrepublik in den kommenden Jahren darauf ankommen, das in anderen Ländern erfolgreiche Konzept der "Aktivierung" im Sinne echter Reintegrationshilfen in Arbeit und Gesellschaft zu akzentuieren.

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