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News: Arten zu verkaufen

Es ist nicht leicht, Entwicklungsländer von Konzepten zur Erhaltung der Artenvielfalt zu überzeugen. Diese Länder haben meist andere Prioritäten. Für sie ist es erst einmal wichtig, für die Ernährung, Bekleidung und Unterkunft ihrer Bevölkerung zu sorgen und Arbeitsplätze zu schaffen. Das bedeutet, in ihrem Verständnis geht Entwicklung vor Erhaltung. Nun wurde ein neues Konzept ins Leben gerufen, in dem diese beiden Ansprüche miteinander verbunden werden sollen: der ecosystems approach.
Erhaltung und Entwicklung werden oft als Ziele gesehen, die nicht miteinander zu vereinbaren sind. Zum Beispiel mag der Schutz einer bestimmten Fischart jene Gemeinschaften in ihren Lebensgrundlagen bedrohen, die vom Fang abhängig sind. Diese Debatten beherrschten oft die Treffen der United Nations Biodiversity Convention. Organisationen wie die International Union for the Conversation of Nature (IUCN) fahren damit fort, die Listen von gefährdeten Planzen und Tieren zu publizieren. Doch viele Regierungen ignorieren diese Aufrufe zum Schutz.

Viele der Dokumente, die auf einer Konferenz zur United Nations Biodiversity Convention vom 4. bis 15. Mai in Bratislava veröffentlicht wurden, verweisen auf eine Phrase, unter der man sich auf Anhieb wenig vorstellen kann: Es geht um den "ecosystems approach". Doch dieser Begriff besitzt wichtige Implikationen für die Erhaltung der Biodiversität und die Entwicklung. Er bezieht sich auf die Idee, daß die Arterhaltung genauso die Menschen beachten sollte wie die Pflanzen und Tiere. Dies bedeutet, daß Projekte, die sich mit dem Schutz der Biodiversität befassen, sich auch zum Ziel machen sollten, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, die in oder in der Nähe der Schutzgebiet leben.

Das würde zum Beispiel bedeuten, daß die Geldmittel, die durch Touristen in die Kassen der Safari-Wildparks fließen, zu einem Teil für örtliche Gesundheits- und Schulsysteme verwandt werden. Durch den Artenschutz könnten auch Arbeitsplätze geschaffen werden und Ausbildungsmöglichkeiten für die Einheimischen. Im Wesentlichen ist der ecosytems approach ein Versuch, die Welten der Erhaltung und der Entwicklung näher zusammen zu bringen.

Bisher befindet sich das Projekt noch in den Anfängen, ja es gibt noch nicht einmal eine klare Definition. Doch unter den 172 Ländern, die die Biodiversity Convention unterzeichnet und ratifiziert haben, findet sich breite Unterstützung dieses Ansatzes. Auch viele Naturschutzgruppen billigen das Vorhaben.

"Wir können den Artenschutz nicht behandeln, als befänden wir uns in einem Museum", sagt Peter Bridgewater, leitender Wissenschaftler im Department of the Environment, Australien. "Die Menschen sind ebenfalls ein Teil der [Erden-]Gleichung. Wir leben in ihr, auf ihr und mit ihr. Einiges an Natur werden wir verlieren. Und ein Teil davon wird durch menschliche Eingriffe verloren gehen."

Die International Union for the Conversation of Nature sieht sich ebenfalls an der vordersten Front der Entwicklung und hat eine Kommission zum Management von Ökosystemen geründet. Diese wird von Edward Maltby, Professor für Umweltwissenschaften am Royal Holloway, University of London, geleitet.

Maltby ist der Meinung, der neue Ansatz würde vielleicht keinen Anklang bei den Menschen finden, die er "conversation purists" nennt. Damit zielt er auf diejenigen, die Artenschutz ohne Blick auf die Kosten propagieren. Aber Maltby glaubt, das nur auf eine solche Art wie nun angedacht, Erhalt mit Entwicklung auf gangbare Weise verbunden werden können.

Die Billigung des IUCN zeigt eine deutliche Entwicklung auf, da der Ansatz des ecosystems approach teilweise aus der Verdrossenheit über die Einstellung entstanden ist, alle Arten müßten grundsätzlich geschützt werden – ohne Beachtung der Folgen, die dies vielleicht für Menschen haben könnte. Dieser Anspruch wurde bisher als einer der Eckpfeiler der durch den IUCN vertretenen Philosophie gesehen und zeigte sich in seinen berühmten Roten Listen der gefährdeten Pflanzen und Tiere.

Diese Listen wurden gewissenhaft im World Conversation Monitoring Center der IUCN in Cambridge zusammengetragen. Die letzte Liste wurde im vergangenen Monat (April 1998) herausgegeben. Bridgewater betont, daß der ecosystems approach nicht die Wichtigkeit der Taxonomie in Frage stellt, der Arbeitsdisziplin, die sich mit der formalen Benennung der Arten beschäftigt. Dieser Bereich ist für ihn einer der Grundsteine der Arterhaltung.

Trotzdem hat die Beunruhigung über ein nachlassendes Interesse an Taxonomie in den Entwicklungsländern und ein allgemeiner Mangel an Taxonomen Australien dazu veranlaßt, eine Global Taxonomy Initiative ins Leben zu rufen. So soll das Interesse an diesem Gebiet erhalten und verstärkt werden. Während nach Bridgewater die Artensuche und Aufnahme in den Entwicklungsländern immer größeren Umfang annimt und schwieriger zu handhaben wird, nimmt die Anzahl der Fachleute ab, die zu solchen Tätigkeiten in der Lage sind. Gerade in den ärmeren Ländern, die einige der artenreichsten Gebiete umfassen, gäbe es so gut wie keine Kapazitäten im Bereich der Taxonomie. Es ist an der Zeit, daß dieses Fach von seinem Image weg kommt, das immer noch von gepreßten Pflanzen und aufgespießten Insekten bestimmt wird, sagt er.

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