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Artenschutz: Die Rückkehr der Holzschabe

Über Jahrzehnte hatte niemand das Insekt beobachtet. Doch unter dem ersten Stein, den ein Biologe bei seinem Inselbesuch aufhob, fand sich das mythische Tier.
Holz fressende Kakerlake der Art Panesthia lata

Seit den 1930er Jahren hatte niemand mehr die Lord-Howe-Kakerlake mit Namen Panesthia lata beobachtet – bis der Biologe Maxim Adams von der University of Sydney auf die Insel kam. »In den ersten zehn Sekunden dachte ich ›Nein, das kann nicht sein‹. Schließlich war es der erste Stein, den ich unter diesem riesigen Banyan-Baum angehoben hatte, und da war sie«, berichtet Adams, dem zusammen mit seinem Team die Wiederentdeckung im Juli 2022 gelang. Unter dem besagten Baum wies die Gruppe später ganze Familien des Insekts nach.

Bis 1918 war die Art auf der australischen Pazifikinsel Lord Howe weit verbreitet, doch als nach einem Schiffbruch Hausratten das Eiland eroberten, verschwanden diese Insekten wie viele andere Arten rasch. Im Lauf der nächsten Jahrzehnte wurden verstreute Populationen von nahen Verwandten auf zwei winzigen Inseln vor der Küste entdeckt. Doch die Gruppe auf Lord Howe unterscheidet sich genetisch von diesen.

Die flügellose Schabe wird bis zu 40 Millimeter lang und hat eine metallische Körperfarbe, die von rötlich bis schwarz variiert. Sie ist eine von elf Arten an Panesthia-Holzschaben Australiens: kräftige Höhlenbewohner, die im Regenwald und in offenen Wäldern im nördlichen und östlichen Küstenbereich Australiens leben und sich von verrotteten Stämmen ernähren. Zu diesem Zweck beherbergen sie spezielle Mikroorganismen in ihren Eingeweiden, die die Zellulose im Holz verdauen helfen.

»Obwohl ihr gebräuchlicher Name vermuten lässt, dass es sich um Holz zersetzende Schaben handelt, die sich in verrottenden Baumstämmen eingraben, glauben wir jetzt, dass sie eher ›Felsschaben‹ sind«, sagt der an der Untersuchung beteiligte Biologe Nicholas Carlile. Dort sind sie besser vor den Lord-Howe-Rallen (Gallirallus sylvestris) geschützt, die im Boden und Unterholz nach Nahrung suchen. Es könnte sich also um eine Anpassung an die speziellen Bedingungen in dem räumlich eingeschränkten Inselökosystem sein.

Da die Insekten über ihren Kot wieder wertvolle Nährstoffe aus dem Holz in die Landschaft eintragen, hatten Wissenschaftler überlegt, Tiere von den vorgelagerten Inseln wieder auszusetzen. Doch das dürfte sich nun erübrigen. Zum Überleben der Insekten dürften verschiedene Kampagnen beigetragen haben, bei denen eingeschleppte Tiere wieder ausgerottet wurden: Neben den Ratten bekämpfte man auch verwilderte Schweine, Ziegen und Katzen, wovon neben den Schaben auch die Rallen profitierten.

Das bekannteste Beispiel eines verschwundenen Insekts von Lord Howe sind die riesigen Baumhummer (Dryococelus australis). Sie überlebten tatsächlich nur auf einem winzigen Felsen im Meer namens Ball's Pyramid; nach ihrem Fund züchtete man sie 100-fach in Zoos nach. Nach Wiederherstellung des Ökosystems auf Lord Howe sollen diese Insekten in ihre ursprüngliche Heimat zurückkehren.

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