Artenschutz: Der dickste Papagei der Welt feiert sein Comeback
Als er im Norden Englands aufwuchs, war James Chatterton von den Büchern des Zoowärters und Naturschützers Gerald Durrell begeistert. Seinetwegen träumte Chatterton davon, selbst bedrohte Tierarten zu retten. Nun hat er auf der anderen Seite der Welt genau das getan: Der Tierarzt hat geholfen, den dicksten Papagei der Welt vor dem Aussterben zu bewahren.
Nahezu ein Jahr lang schufen Chatterton und sein Team quarantänegerechte Bedingungen und erprobten neue Behandlungsmethoden; und das an vorderster Front im Kampf gegen eine tödliche Krankheit, von der die neuseeländischen Kākāpōs (Strigops habroptila) betroffen sind.
»Die meisten Menschen denken, unsere Aufgabe sei es, den Roten Panda zu streicheln und mit den Kākāpōs zu kuscheln«, sagt Chatterton, Manager der Veterinärdienste im Neuseeländischen Zentrum für Umweltmedizin des Aucklander Zoos. Selbst in einem normalen Jahr geht es bei der Pflege von Zootieren und Behandlung einheimischer Wildtiere um mehr als das. Aber 2019 war »gewaltig«, sagt er. Denn im April des Jahres begann sich die tödliche Atemwegserkrankung Aspergillose unter den gefährdeten Kākāpōs auszubreiten.
Kākāpōs – flugunfähig, nachtaktiv und mit wohlduftenden Federn
Kākāpos sind nicht nur selten, sondern auch äußerst seltsam: flugunfähig, nachtaktiv, mit wohlduftenden Federn und einem drolligen Watschelrennen. Die Männchen wummern, um Weibchen anzulocken, und sie vermehren sich nur alle drei bis sechs Jahre, wenn die einheimischen Rimu-Bäume besonders viele Früchte tragen oder jede Menge Samen produzieren. 2019 gab es eine Megamast, so dass reife Früchte die Böden bedeckten – und die Kākāpōs früher als je zuvor Eier legten.
Als der Sommer auf der Südhalbkugel im Februar zu Ende ging, waren die insgesamt 147 Kākāpōs dank der intensiven Bemühungen des neuseeländischen Department of Conservation (DOC) Kākāpō Recovery Programme um mehr als 80 Küken reicher. Ein bedeutsamer Rekord, denn die durch Inzucht erzeugte Spezies kämpft mit Unfruchtbarkeit.
»Die Krankheit ist schwer zu diagnostizieren, extrem schwer zu behandeln und verläuft in der Regel tödlich«
James Chatterton, Tierarzt
Die Tierärzte des Auckland Zoos wechselten sich ab und arbeiteten zusammen mit Naturschützern auf den abgelegenen Inseln des Schutzgebietes im äußersten Süden des Landes, wo die Vögel leben. Im April waren alle Küken erschöpft, fingen aber schließlich an, sich zu erholen.
Dann starb eines der Küken plötzlich. Bei dem Tier wurde Aspergillose festgestellt: eine brutale Infektion, bei der sich Pilzklumpen in den Lungen der Vögel bilden und diese langsam ersticken lassen. »Die Krankheit ist schwer zu diagnostizieren, extrem schwer zu behandeln und verläuft in der Regel tödlich, besonders bei Wildvögeln. Normalerweise findet man sie nur noch tot auf«, sagt Chatterton. Die Krankheit war damals lediglich bei einem Kākāpō aufgetreten. »Wir nahmen an, es wäre ein Einzelfall.«
Doch wenige Wochen später starben zwei weitere Küken. Dann wurden zwei erwachsene Weibchen krank und mussten eingeschläfert werden. »Wir dachten: ›Hier ist etwas sehr Seltsames los.‹ Wir stehen da vor viel Unbekanntem.«
Wer hat sich mit wem ein Nest geteilt?
Wenn ein Wildvogel beginnt, Krankheitssymptone zu zeigen – oder Blutuntersuchungen auffällig sind –, ist es meist schon zu spät, um das Tier zu retten. Die einzige Möglichkeit, die Krankheit rechtzeitig zu diagnostizieren, sind ein CT-Scan oder eine Endoskopie, um Pilzwachstum in der Lunge zu erkennen.
Die Tierärzte und DOC-Wissenschaftler begannen zuzuordnen, welcher Kākāpō sich mit den kranken Vögeln ein Nest geteilt hatte und welche Vögel dasselbe Futter bekommen hatten. Die zwölf Vögel, die als am stärksten gefährdet eingestuft wurden, wurden aus ihrem Zuhause, Codfish Island/Whenua Hou, entfernt und mit dem Hubschrauber nach Auckland gebracht.
»Wir begannen zu glauben, dass möglicherweise die ganze Insel betroffen ist«
Andrew Digby, Kākāpō-Wissenschaftler
Das tierärztliche CT-Gerät der Stadt wurde unglücklicherweise gerade ausgetauscht und war somit fünf Wochen lang außer Betrieb. Die Tierärzte mussten die Kākāpōs deswegen in eines der normalen Krankenhäuser der Stadt bringen. Obwohl die Vögel alle vollkommen gesund erschienen, wurden bei jedem der zwölf Tiere Läsionen in der Lunge gefunden.
Das sei schockierend gewesen, sagt Kākāpō-Wissenschaftler Andrew Digby, der damals auf Whenua Hou stationiert war. »Wir begannen zu glauben, dass möglicherweise die ganze Insel betroffen ist ... Wenn man mit einer bedrohten Tierart arbeitet, ist das immer die größte Angst. Die Tiere könnten jederzeit aussterben. Wenn eine Seuche ausbricht, verliert man schnell die Hälfte der Population, wodurch das Programm um Jahrzehnte zurückgeworfen wird.«
Wöchentlich nahmen die Ärzte Blutproben
Früh genug erkannt, lässt sich Aspergillose mit Antimykotika behandeln. »Es hat bei anderen Papageien wirklich gut funktioniert, aber jede Spezies braucht eine eigene Dosis«, sagt Chatterton. »Einige Vögel starben, also entschieden wir uns für eine hohe Dosis. Wir waren besorgt, dass wir einige Vögel retten und gleichzeitig andere töten würden.«
Um die Medikamente in die Lunge der Vögel zu bringen, mussten die Tierärzte zu einem Zerstäuber greifen. Kākāpōs mögen zwar die dicksten Papageien der Welt sein, aber ihre Atemwege sind immer noch zu klein für die Tröpfchen, die aus einem Zerstäuber für erwachsene Menschen kommen. Also versuchte Chatterton es mit einem Zerstäuber für Kinder. Es gelang – doch in Neuseeland standen anfangs nur zwei solcher Geräte zur Verfügung.
Währenddessen trafen weitere gefährdete Vögel von der Insel ein
»Zu Spitzenzeiten haben wir 19 Vögel im Krankenhaus behandelt, von denen jedes Tier zweimal täglich 30 Minuten lang einen Zerstäuber brauchte, bei nur zwei Stück, die zur Verfügung standen. Wir mussten jede Woche Blutproben entnehmen, um sicherzugehen, dass sie nicht an Leberschäden starben, die durch die Medikamente entstehen konnten. Und wir hatten 19 Vögel, die zweimal täglich gefüttert und gesäubert werden mussten.«
Aus der ganzen Welt kamen ehrenamtliche Tierärzte zur Hilfe. Um die Vögel unterbringen zu können, wurden zusätzliche Gehege gebaut. Helfer gingen in die lokalen Parks der Stadt und sammelten einheimische Pflanzen, die Kākāpōs gerne fressen. Fünf Wochen lang arbeitete Chatterton jeden Tag.
Mehr als 200 Kākāpōs leben nun wieder in Neuseeland
Bis September schließlich waren 51 Kākāpōs von der Insel weggebracht und untersucht worden – fast ein Viertel der gesamten Population. Von 21 infizierten Vögeln waren neun an Aspergillose erkrankt, wobei es die meisten Todesfälle gab, bevor die Antipilzbehandlung begann.
Viele Vögel mussten monatelang täglich gepflegt werden, aber es gelang, den Ausbruch einzudämmen. Die Küken wuchsen zu Jungvögeln heran. Die meisten haben überlebt und sind jetzt Teil der Population von 211 Vögeln. Als Chatterton vor sieben Jahren in Neuseeland eintraf, waren es nur 123 gewesen.
Es ist ein viel glücklicheres Ende als erwartet. Digby und Chatterton führen den Erfolg auf die große Aufmerksamkeit zurück, die das Team den Kākāpōs während der Brutzeit geschenkt hat, auf die detaillierten Aufzeichnungen über die Bewegungen der einzelnen Vögel und auf die Verbindungen, die Wissenschaftler und Tierärzte in den vergangenen zwei Brutzeiten geknüpft haben. »Die einzige Chance, die gefährdete Spezies haben, ist, dass wir alle zusammenarbeiten«, sagt Chatterton.
Kate Evans via The Story Market; erstmals erschienen in »The Guardian«.
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