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Rotstift beim Artenschutz: Umweltverbände fordern Lemke zu Rücknahme von Kürzungsplänen auf

Nach »Spektrum«-Informationen plant das Umweltministerium, wichtige Artenhilfsprogramme zu kürzen. Kritiker sehen den ohnehin unterfinanzierten Naturschutz mit Füßen getreten.
Graugänse auf Föhr, im Hintergrund ein Windrad
Zwei Graugänse passieren ein Windrad. Der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien ist häufig eine Zumutung für den Natur- und Artenschutz. Dass bei den Ausgleichsmaßnahmen nun noch weniger Geld zur Verfügung stehen soll, wird von Naturschutzverbänden heftig kritisiert.

Die führenden Natur- und Umweltschutzverbände haben Bundesumweltministerin Steffi Lemke aufgerufen, ihre Sparpläne im Bereich des Artenschutzes umgehend zurückzunehmen. Die geplanten Einschnitte bei Arten- und Biodiversitätsprogrammen seien eine »Kampfansage an den Naturschutz«, kritisierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Auch der Präsident des mit 900 000 Mitgliedern größten deutschen Naturschutzverbands Jörg-Andreas Krüger bezeichnete eine Umsetzung der Pläne als »verheerendes Signal für fehlende Ernsthaftigkeit der Bundesregierung, die Arten- und Naturkrise zu bewältigen«.

Fehlendes Geld sei seit Jahren einer der wichtigsten Gründe dafür, dass Naturschutz selbst in Schutzgebieten nicht funktioniere, sagte der NABU-Präsident. Nun bei weiter steigendem Druck auf die Natur auch durch den Ausbau der erneuerbaren Energien die schon eingeplanten Mittel zu kürzen, würde die Verluste in der Natur weiter vorantreiben, warnte Krüger.

Die Naturschutzverbände reagierten auf eine exklusive Recherche von spektrum.de zu den Kürzungsplänen für die Artenhilfsprogramme. Danach plant Lemke als Reaktion auf Sparvorgaben von Bundesfinanzminister Christian Lindner, das Budget der Programme von den bislang für 2025 vorgesehenen 25 Millionen Euro jährlich auf nur noch 13,8 Millionen Euro herunterzufahren. Auch das Budget des Bundesnaturschutzfonds soll jährlich um einen zweistelligen Millionenbetrag gekürzt werden (mehr dazu auf Spektrum.de: »›Verheerende Pläne‹: Artenhilfsprogramme sollen drastisch gekürzt werden«).

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte Lemke ebenfalls angesichts der Pläne zum Eingreifen auf. »Für vieles ist Geld da – nur für die Natur nicht«, monierte der Leiter des Bereichs Naturschutz der DUH Peer Cyriacks. Der Naturschutz habe in dieser Legislaturperiode schon reichlich Federn lassen müssen, beklagte er mit Blick auf zahlreiche Gesetzespakete zur Beschleunigung des Ausbaus erneuerbarer Energien. »Eine weitere Abschwächung durch finanzielle Kürzungen darf es nicht geben – Steffi Lemke muss sich durchsetzen.«

Artenschutz nur »nice to have«?

»Die Sparpläne zeigen, dass der Schutz der biologischen Vielfalt auch von dieser Bundesregierung nicht als absolut zentrale Aufgabe angesehen wird, die auf Augenhöhe mit dem Klimaschutz bewältigt werden muss«, kritisierte der Vorsitzende des bayerischen Naturschutzverbandes LBV Norbert Schäffer. Auch in grün geführten Ministerien werde Artenschutz und der Erhalt der Biodiversität offenbar lediglich als ein Nice-to-have angesehen, wenn es gerade keine anderen Probleme gebe. »Das ist entlarvend und zeigt die Prioritäten der Bundesregierung.«

»Habeck ist kein Freund von Schweinswal oder Rotmilan«NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller

Schäffer betonte, der Klimaschutz werde zunehmend auf Kosten der biologischen Vielfalt betrieben. »Es geht nicht um entweder Klima- oder Artenschutz, sondern um ein Sowohl-als-auch. Beides ist möglich, aber nur, wenn Artenschutzmaßnahmen auch finanziert werden.«

NABU-Bundesgeschäftsführer Miller hob die besondere Bedeutung der Artenhilfsprogramme hervor. Kürzungen in Naturschutzbudgets seien immer schmerzlich. »Die jetzige Diskussion macht uns aber nicht nur Sorgen, das ist eine Kampfansage gegen den Natur- und Artenschutz.« Neben den geplanten Einschnitten kritisierte er außerdem das schleppende Tempo bei der Umsetzung der Programme, die ohnehin ein Feigenblatt seien. Selbst eineinhalb Jahre nach ihrer Einrichtung gebe es bis heute keine Förderrichtlinien für Artenhilfsprojekte, sagte Miller.

Artenhilfsprogramme gelten als zentrale Ausgleichsmaßnahme

Hinter der Schwächung des Artenschutzes im Zuge der Energiewende sieht Miller vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Habeck gebe sich als Freund der Schweinswale aus, trete mit seinem Ministerium aber den Artenschutz mit Füßen, so Miller. Habeck sei weder ein Freund der Schweinswale noch von Rotmilanen oder Schreiadlern, sagte Miller mit Blick auf Tierarten, die durch den Windkraftausbau gefährdet sind. »Der Schutz der Biodiversität ist diesem Ministerium allen Lippenbekenntnissen zum Trotz scheinbar egal.«

Die Artenhilfsprogramme sind von der Ampelkoalition als zentrale Ausgleichsmaßnahme für den massiven Ausbau der erneuerbaren Energien im Zuge der Energiewende ins Leben gerufen worden. Sie sollen den Erhaltungszustand vor allem solcher Vogelarten verbessern, denen durch den Ausbau etwa der Windenergie zusätzliche Verluste durch Kollisionen mit den Rotoren drohen. Naturschützer, aber auch Umweltpolitiker aus den Regierungsparteien hatten ihre Unterstützung für den beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien maßgeblich an starke Ausgleichsprogramme geknüpft.

Angesichts der Kürzungspläne fordert der umweltpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion Jan-Niclas Gesenhues Bundesfinanzminister Christian Lindner auf, von seinen Einsparvorgaben abzurücken. »Ich kann dem Haushalt nur zustimmen, wenn der Artenschutz ausreichend finanziert ist«, sagte Gesenhues.

Das Bundesumweltministerium erklärte auf Anfrage lediglich, das regierungsinterne Verfahren zur Aufstellung des Bundeshaushalts 2024 laufe derzeit noch. »Wegen der schwierigen Ausgangslage zu den Haushaltsberatungen über die erforderlichen Einsparungen bitten wir um Verständnis dafür, gegenwärtig keine öffentlichen Erklärungen zu einzelnen Positionen im BMUV Haushalt abzugeben, um zunächst die regierungsinternen Beratungen abzuschließen.«

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