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Biodiversitätsgipfel: Die Welt hat ein Naturschutzabkommen

Nach fast vier Jahren zäher Verhandlungen haben sich fast alle Staaten der Erde auf ein neues Abkommen zum Schutz der Natur verständigt. Der Montreal-Deal soll das Artensterben und die Zerstörung der Ökosysteme der Erde bis 2030 stoppen.
Das Konferenzgebäude im verschneiten Montreal
Ob das neue »Globale Rahmenabkommen für Biodiversität«, auf das sich fast alle Staaten dieser Erde in Montreal geeinigt haben, zu einem Erfolg wird, müssen die kommenden Jahre zeigen.

Die Staaten der Erde haben sich auf ein globales Abkommen zum Naturschutz geeinigt, mit dem das Artensterben und die anhaltende Zerstörung von Ökosystemen bis 2030 beendet werden soll. In einer überraschend kurzfristig anberaumten Sitzung verabschiedeten die Delegierten der 196 Mitgliedstaaten der UN-Biodiversitätskonvention (CBD) in der Nacht zum Montag ein neues »Globales Rahmenabkommen für Biodiversität«. Der neue Weltnaturvertrag soll den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt auf der Erde für die kommenden Jahre regeln. Das Abkommen enthält 23 Ziele, mit denen die Natur bis zum Jahr 2030 auf einen Pfad der Erholung gebracht werden soll. Die Konferenz findet seit zwei Wochen im kanadischen Montreal statt.

Nach der Verabschiedung des rechtlich nicht bindenden Dokuments brachen bei der Plenarsitzung Klatschen und lauter Jubel aus. Organisatoren, Wissenschaftler und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen hatten bis zuletzt gehofft, dass bei dem Treffen noch ein richtungsweisendes globales Abkommen für den Artenschutz verabschiedet werden kann.

Konkret verpflichtet sich die Staatengemeinschaft unter anderem dazu, bis 2030 mindestens 30 Prozent der Land- und der Meeresfläche des Planeten unter einen wirksamen Schutz zu stellen. Außerdem sollen auf einer Fläche von 30 Prozent der geschädigten Ökosysteme bis 2030 Renaturierungsmaßnahmen anlaufen. Die Unterschutzstellung von 30 Prozent der Erde gilt als wichtigste Maßnahme, um den Verlust von Arten und Ökosystemen zu stoppen.

Zudem ist vorgesehen, dass die Industriestaaten den ärmeren, aber besonders artenreichen Ländern des globalen Südens bis 2025 mindestens 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr für die Finanzierung des Naturschutzes zahlen. Das entspricht einer Verdoppelung bisheriger Zusagen. Bis 2030 soll dieser Betrag auf mindestens 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr anwachsen.

»Die Staatengemeinschaft hat sich dafür entschieden, das Artenaussterben endlich zu stoppen. Das ist ein guter Tag für den weltweiten Natur- und Umweltschutz«Steffi Lemke, Bundesumweltministerin

Um den Vertrag war vier Jahre lang zwischen den 196 Mitgliedstaaten der CBD – allen Ländern der Erde mit Ausnahme des Vatikans und der USA – gerungen worden. Die chinesische Gipfelpräsidentschaft sprach von einem »historischen Moment«. Die Abschlusserklärung strahle Entschlossenheit aus, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne). »Die Staatengemeinschaft hat sich dafür entschieden, das Artenaussterben endlich zu stoppen.« Es sei ein »guter Tag für den weltweiten Natur- und Umweltschutz«.

Bei Vertretern von Nichtregierungsorganisationen stieß das Abkommen auf geteilte Reaktionen. »Es ist als Erfolg zu bezeichnen, dass nach zähen Verhandlungen der Vertragsstaaten überhaupt eine Vereinbarung zu Stande gekommen ist«, kommentierte Jannes Stoppel von Greenpeace. Es handele sich um ein »lückenhaftes, aber letztlich überraschend gutes Rahmenwerk«, sagte Florian Titze vom Umweltverband WWF Deutschland.

So bedeutend wie der Klimavertrag von Paris?

Der Naturschutzbund NABU reagiert mit Ernüchterung auf die Abschlusserklärung. Trotz inhaltlicher Fortschritte reiche die Vereinbarung nicht aus, um den Verlust der Artenvielfalt und von Ökosystemen zu stoppen oder umzukehren. »Die Welt rast in der Natur- und Klimakrise auf einen Abgrund zu«, warnte NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger. »Doch statt entschieden zu bremsen, geht sie lediglich etwas vom Gas.«

Zu den weiteren Zielen gehören die Reduzierung der schädlichen Wirkung von Pestiziden und Düngern um 50 Prozent in der Landwirtschaft ebenso wie eine Reduzierung neuer Plastikverschmutzung auf »nahe null« bis 2030, eine nachhaltigere Lebensmittelproduktion und der Erhalt der verbliebenen Wildnisgebiete in allen Erdteilen. Wissenschaft, Umweltorganisationen und viele Staaten erwarten von dem Abkommen, dass es für den Natur- und Klimaschutz so bedeutend wird wie der Klimavertrag von Paris für den Kampf gegen die Erderwärmung. Dieser wurde fast auf den Tag genau vor sieben Jahre nach dramatischen Verhandlungen beschlossen.

Der 15. Weltnaturgipfel – der auch unter dem Kürzel CBD COP15 läuft – hätte ursprünglich schon 2020 in China stattfinden sollen, wurde dann aber wegen der anhaltenden pandemischen Lage dort verschoben und zerteilt. Der erste Verhandlungsteil fand im vergangenen Oktober hauptsächlich online im chinesischen Kunming statt. (mit dpa)

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