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Artensterben in der Südsee: Weiße Schnecken überleben länger

Die Südsee war auch für Schnecken ein Paradies. Bis der Mensch die Rosige Wolfsschnecke einführte. Eine Art entging dem Aussterben dank ihres weißen Hauses.
Baumschnecke Partula hyalina mit Mini-Computer im Vergleich

Tahiti und der Rest der Gesellschaftsinseln beherbergten einst mindestens 61 Baumschnecken-Arten der Gattung Partula: ein Musterbeispiel für die Aufspaltung von Arten. Dann kamen Menschen auf die Idee, die afrikanische Große Achatschnecke einzuführen, um damit das Nahrungsangebot etwas aufzustocken. Ohne natürliche Feinde vermehrte sie sich jedoch stärker, als die Küchenkapazitäten hergaben, was sich wiederum nachteilig auf pflanzliche Nahrungsmittel auswirkte. Um den Fehler zu beheben, setzten neuerlich Menschen Rosige Wolfsschnecken aus, die ihre Molluskenverwandtschaft jagt und frisst. Nicht bedacht hatte man dabei die Folgen für die heimische Schneckenfauna, die derartige Räuber gar nicht kannte.

Rasch starben 56 Partula-Baumschneckenarten aus; nur wenige überlebten in entlegenen, kühlen Hochtälern Tahitis. Eine der wenigen Ausnahmen auch in tieferen Lagen der Insel bildet Partula hyalina, die trotz der hohen Dichte an Wolfsschnecken immer noch in warmen Regionen überdauert. Warum das so ist, beschreiben Cindy Bick von der University of Michigan in Ann Arbor und ihr Team in »Communications Biology« mit Hilfe eines der kleinsten Computer, die jemals entwickelt wurden.

Die kleinen, relativ dünnhäusigen Schnecken waren wegen ihrer strahlend weißen Gehäuse früher ein beliebtes Schmuckstück für die Polynesier. Gleichzeitig wurde schon vor 100 Jahren berichtet, dass die Tiere häufiger in stark besonnten und wärmeren Bereichen ihres Lebensraums umherkriechen als ihre Verwandtschaft. Bick und Co vermuteten daher, dass das weiße Gehäuse die Ursache dafür sein könnte: Es reflektiert so viel Sonnenlicht, dass die Tiere weniger Gefahr laufen auszutrocknen als ihre dunkleren Verwandten.

Die Biologinnen und Biologen griffen daher auf einen 2014 entwickelten Miniaturcomputer zurück, der über winzige Solarzellen aufgeladen und mit Sensoren bestückt werden kann. Bick und ihr Team rüsteten anschließend einige Wolfsschnecken mit den Computern aus. Weil Partula hyalina unter Schutz steht, ging dies bei der Art nicht. Sie ist zudem nachtaktiv und ruht tagsüber auf und unter Blättern. Die Forscher platzierten die Sensoren daher mit Hilfe von Magneten an der Ober- und Unterseite der Schlafplätze.

Während der Mittagsstunden erhält der bevorzugte Lebensraum der Baumschnecken zehnmal so viel Sonnenlicht wie derjenige der Wolfsschnecken. Tagsüber ist dieser Bereich also lebensgefährlich für die Tiere, für Partula hyalina dagegen nicht – wegen ihres Gehäuses. Und selbst nachts können sich die Räuber offensichtlich nicht so weit aus der Deckung wagen, weil der Rückweg wohl zu lang ist, um mit Tagesanbruch wieder im Schatten anzukommen, schreiben die Wissenschaftler.

Die Erkenntnisse sollen nun helfen, die überlebenden Spezies der Baumschnecken besser zu schützen. Immerhin hatten einige Biologen vorausschauend Vertreter von einem Dutzend Spezies eingesammelt, als sie bemerkten, was auf Tahiti passiert. Diese Tiere vermehrten sich in verschiedenen Zoos der Welt und könnten eines Tages wieder ausgewildert werden.

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