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Artenvielfalt: Ein Bärtierchen namens Kretschmann

Bärtierchen sind hart im Nehmen, leben aber unauffällig - im Gegensatz zu vielen Politikern. Eine neu entdeckte Art wurde nun nach einem bekannten Ministerpräsidenten benannt.
Elektronenmikroskopisches Bild eines Bärtierchens, auch Tardigrad genannt. Links ist das Tier in einer seitlichen Ansicht zu sehen, die seine acht Beine und die segmentierte Körperstruktur zeigt. Rechts ist eine Draufsicht, die die robuste, platte Form des Körpers hervorhebt. Beide Ansichten zeigen die charakteristische, faltige Hauttextur des Tardigraden. Der Hintergrund ist einmal grau und einmal grün.
Das ist das Bärtierchen Ramazzottius kretschmanni.

Mit einer Größe von 400 Mikrometern ist das Bärtierchen Ramazzottius kretschmanni nicht einmal halb so groß wie der Punkt am Ende des Satzes - und doch ist es wahrscheinlich wie seine Verwandtschaft zu Großem fähig. Benannt wurde die im Schwarzwald neu entdeckte Art nach dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, wie Biologen um Ralph Schill von der Universität Stuttgart mitteilten. Die Arbeitsgruppe untersucht die Artenvielfalt der Bärtierchen im Nationalpark Nordschwarzwald, dessen Einrichtung von Kretschmann stark unterstützt wurde.

Bis 2025 konnten die Wissenschaftler 28 Bärtierchenarten im Nationalpark nachweisen. Darunter erstmals eine schon aus anderen Regionen beschriebene Art in Deutschland sowie das bislang unbekannte Ramazzottius kretschmanni. Sie wurde erstmals in der Nähe des Ruhesteins nachgewiesen – sowohl im Bereich der bis zu 20 Meter hohen Weißtannen am Nationalparkzentrum als auch im Bannwaldgebiet Wilder See. Die Tiere, die auf und in feuchten Moosen, Flechten und Totholz leben, weisen eine auffällige rötlich-beige, fleckige Färbung auf. Normalerweise kommen Bärtierchen meist farblos oder unscheinbar daher. Auch Anzahl, Anordnung und Form ihrer kräftigen Klauen an den Beinen unterscheiden sich von denen anderer Bärtierchenspezies. Insgesamt gibt es damit 99 Bärtierchenarten in Deutschland: 91 an Land, acht im Meer.

Eine Fähigkeit erstaunte Schill und Co besonders: Ramazzottius kretschmanni lebt in Baumkronen, obwohl sie nicht klettern können. Stattdessen lassen sie sich entweder vertrocknet vom Wind in die Kronen transportieren oder sie reisen mit Moos mit, das Vögel zum Nestbau dort oben verwenden. Von Moos und Algen ernähren sich die Tierchen auch.

Austrocknung schadenfrei zu überstehen, ist nicht die einzige Superkraft der Bärtierchen: Sie überleben ebenso strengen Frost bis minus 100 Grad Celsius, Hitze bis 200 Grad Celsius, starke radioaktive Strahlung und sogar Ausflüge ins All ohne Schutzanzug, wie experimentell festgestellt wurde. Unter extremen Bedingungen schrumpfen manche Arten schlicht zusammen und überdauern in diesem Zustand bis zu 20 Jahre, bevor sie durch Feuchtigkeit wiederbelebt werden. Dann erwachen sie innerhalb von 30 Minuten wieder zu voller Vitalität.

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