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Artenvielfalt: Europa hatte sein ganz eigenes Galapagos-Archipel

Die Galapagosinseln gelten als Musterbeispiel, wie Evolution funktioniert. Europas atlantische Inseln stünden dem berühmten Archipel nicht nach - wären nicht schon viele Arten ausgestorben.
Nahaufnahme eines Reptilienkopfes mit detaillierter Schuppenstruktur. Das Auge ist gelb mit einer schwarzen Pupille. Die Umgebung ist unscharf, was den Fokus auf das Reptil lenkt.
Die Kanareneidechse (Gallotia galloti) gehört zu den letzten Überlebende der einstigen Reptilienvielfalt der Inselwelt.

 Große Echsen, Riesenschildkröten, unterschiedliche Finken - was sich liest wie eine Beschreibung der Tierwelt auf Galapagos, ist tatsächlich eine Auflistung von Arten, die in Makaronesien lebten oder dort noch immer existieren. Denn auf den unter diesem Begriff zusammengefassten Inseln der Kanaren, Azoren, Kapverden und Madeira konnte wie auf dem berühmten Archipel vor der südamerikanischen Küste die Evolution unbeeinträchtigt wirken: Sie brachte hier zahlreiche Spezies hervor, die sich unter den jeweiligen Bedingungen der einzelnen Eilande aus gemeinsamen Vorfahren weiterentwickelten. Leider starben viele dieser Arten in den vergangenen Jahrhunderten aus, wie eine Studie von José María Fernández-Palacios von der Universität La Laguna auf Teneriffa und seinem Team zusammenfasst.

Die Arbeitsgruppe hat alle Erkenntnisse zu ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten Makaronesiens zusammengetragen, die bislang bekannt sind: Sie basieren auf fossilen und subfossilen Funden, etwa von Knochen, oder Museumsexemplaren, die in der Vergangenheit gesammelt wurden. Vielfach konnten die Wissenschaftler auch dokumentieren, wann diese Spezies ungefähr verschwunden sind oder warum.

Insgesamt ermittelten sie 220 Aussterbeereignisse, die mindestens 3,1 Prozent der insgesamt bekannten, endemischen Spezies der Region betreffen. Besonders deutlich ist der Rückgang bei Landschnecken: 111 Arten davon existieren heute nicht mehr. Prozentual am stärksten getroffen hat es die Vögel, bei denen die Hälfte aller bislang bekannten endemischen Arten nicht mehr vorhanden sind. Darunter befindet sich die Jorge-Ralle (Rallus nanus) von der gleichnamigen Insel São Jorge in den Azoren, die Madeira-Zwergohreule (Otus mauli) und der Dünnschnabel-Grünfink (Chloris aurelioi) von Teneriffa.

Ebenfalls ausgestorben sind 15 Reptilienarten, dabei auch mehrere Arten an Riesenschildkröten sowie große Eidechsen. Die Verluste bei Pflanzen sind geringer, bei Pilzen und Flechten konnten die Forscher zudem kein Aussterbeereignis nachweisen. Das könne jedoch den schlechten Belegen aus früheren Jahrhunderten geschuldet sein, die diesen beiden Gruppen wenig Aufmerksamkeit widmeten. 

Dünnschnabel-Grünfink | Diese Art lebte einst auf Teneriffa, ist aber inzwischen wie viele andere Arten ausgestorben.

Mindestens die Hälfte der Ausrottungen fand statt, nachdem Spanier und Portugiesen die Inseln entdeckt und besiedelt hatten. Ein Teil der Verluste könnte auch auf die Altkanarier zurückzuführen sein, die vor den Europäern die Inseln erreicht hatten. Menschen brachten zudem zahlreiche Tiere wie Schweine, Ziegen oder Ratten und Katzen mit, die gerade für Reptilien und flugunfähige Vögel verheerende Folgen hatten. Nur ein kleiner Teil der Aussterbeereignisse ging auf veränderte klimatische Bedingungen oder Naturkatastrophen wie Vulkanausbrüche zurück.

Fernández-Palacios und Co betonen jedoch, dass Makaronesien immer noch eine große Vielfalt an Arten aufweist, die nur hier vorkommen und dringend geschützt werden müssen. Auf den Kanaren leben beispielsweise verschiedene große Eidechsenarten der Gattung Gallotia, die zum Teil extrem selten oder vielleicht auch schon ausgerottet sind wie die La-Palma-Rieseneidechse (Gallotia auaritae). Immerhin konnte die bis zu 75 Zentimeter lange El-Hierro-Rieseneidechse (Gallotia simonyi) 1975 wiederentdeckt und in Terrarien nachgezüchtet werden.

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  • Quellen
Fernández-Palacios, J. et al., PNAS Nexus 10.1093/pnasnexus/pgaf215, 2025

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