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Ökologie: Inselriesen und -zwerge sterben leichter aus

Elefanten auf Sardinien oder Zypern? Das gab es einmal. Doch die Zwergformen der Dickhäuter starben nach Ankunft der Menschen aus - ihre Größe spielte eine Rolle.
Illustration ausgestorbener Säugetiere von Sardinien
Vor Ankunft der Menschen lebten auf Sardinien Zwergelefanten, Riesenotter und andere Arten, die heute fast alle ausgestorben sind.

Bis vor wenigen tausend oder zehntausend Jahren lebten auf vielen Inseln im Mittelmeerraum Zwergelefanten: Skelettfunde existieren von Sardinien, Sizilien, Malta, Zypern und zahlreichen anderen Eilanden der Region. Heute sind alle diese Arten ausgestorben, und das hat durchaus mit ihrer Größe zu tun, wie ein Team um Roberto Rozzi vom Naturkundemuseum der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg in »Science« beschreibt: Die im Vergleich zu Festland-Arten zwerg- und riesenwüchsigen Vertreter bestimmter Säugetierfamilien starben überproportional häufig aus.

Inseln gelten allgemein als Labore für die Evolution: Um sich an die kleinen Ökosysteme mit ihren beschränkten Ressourcen anzupassen, entwickelten sich viele Arten entweder zu Riesen oder zu Zwergen – kleine Arten wurden größer und umgekehrt. Das gilt nicht nur für Säugetiere wie die Elefanten, sondern auch für Vögel, Reptilien oder Insekten. Bekannte Beispiele sind der Komodowaran in Indonesien, Riesenschildkröten auf Inseln im Indischen und Pazifischen Ozean, die neuseeländischen Moas und madegassischen Elefantenvögel oder Zwergbüffel auf den Philippinen. Aktuell kann man das auf der Atlantikinsel Gough beobachten, wo normale Hausmäuse Riesenwuchs entwickelten.

Rozzi und Co konnten mit ihrer Analyse nun zeigen, dass die Entwicklung hin zum Zwergwuchs oder Gigantismus jedoch oftmals das Aussterberisiko steigert. »Die Riesen versprechen Jägern als Beutetiere potenziell einen größeren Ertrag«, sagt Rozzi: »Zwergarten wiederum sind weniger abschreckend und daher attraktiv für neu eingeschleppte Räuber.«

Führ ihre Studie hatte die Arbeitsgruppe die Daten von 1200 noch lebenden und 350 bereits ausgestorbenen Säugetierarten von insgesamt 182 Inseln und ehemaligen Eilanden (die einst abgeschnitten waren, heute aber zum Festland gehören) untersucht. Das Ergebnis: Arten, deren Körpergröße sich besonders extrem von der ihrer Festlandsverwandtschaft unterscheidet, sind auf Inseln mit höherer Wahrscheinlichkeit vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben – mit einem wichtigen zeitlichen Unterschied. Bevor europäische Nationen expandierten und Inseln in Übersee kolonisierten, starben eher Giganten aus: Sie waren beliebte Jagdopfer der heimischen Bevölkerung.

Die europäischen Siedler brachten dann eine Vielzahl fremder Arten auf diese Eilande, darunter Katzen, Hunde, Ratten, Schweine und andere Fleischfresser, denen kleinere Säuger, Vögel oder Reptilien zum Opfer fielen. Bei Säugetieren, die zur gleichen Zeit wie moderne Menschen auf Inseln lebten, waren die Aussterberaten mehr als zehnfach erhöht. »Diese Ergebnisse auf globaler Ebene schließen aber nicht den Einfluss anderer Umweltfaktoren wie etwa des Klimawandels aus«, sagt der an der Studie beteiligte Jonathan Chase vom Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Halle.

Der Schutz von Inseln ist daher besonders wichtig: Sie machen zwar weniger als sieben Prozent der Landmasse auf der Erde aus, beherbergen jedoch bis zu einem Fünftel aller bekannten landlebenden Arten. Gleichzeitig stellen die Inselarten die Hälfte aller Spezies, die auf Roten Listen stehen, weil sie bedroht sind.

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