Astrobiologie: Weltraum-Miso schmeckt überraschend nussig

Inzwischen hat Miso seinen Weg in viele irdische Küchen gefunden. Die aus Japan stammende Gewürzpaste wird durch Fermentierung von gekochten Sojabohnen, Salz und Kōji (Aspergillus oryzae, ein Schimmelpilz, der auf Reis oder Gerste wächst) hergestellt. Der Prozess kann sehr komplex sein und erinnert an ein mikrobiologisches Experiment. Folgerichtig hat sich nun eine Gruppe von Wissenschaftlern, Bioingenieuren und kulinarischen Experten zusammengetan, um Miso im Weltraum zu fermentieren.
Im Vergleich zu irdischem Miso schmeckt »Weltraum-Miso« nussiger, hat einen stechenderen Geruch und fällt etwas dunkler aus. »Aber alles in allem ist das Weltraum-Miso ein Miso«, schlussfolgern die Forschenden in ihrer Arbeit, die sie in der Fachzeitschrift »iScience« veröffentlicht haben. Die neue Studie ist mehr als nur eine lustige Abwechslung zu den mikrobiologischen Experimenten, die auf der Internationalen Raumstation (ISS) durchgeführt werden. Denn die Fermentierung von Weltraum-Miso wirft interessante Fragen über die Rolle von Mikroben bei der weiteren Erforschung des Weltraums auf.
Besonders faszinierend findet die Forscherin Maggie Coblentz die Möglichkeit, die Geschmackserlebnisse der Astronauten zu erweitern: »Die Fermentierung bietet den Astronauten eine größere Autonomie, um die Kontrolle über die von ihnen produzierten Lebensmittel zu übernehmen und ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden auf eine sehr persönliche Weise zu steuern.«
»Aus astrobiologischer Sicht veranschaulicht die Miso-Fermentation, wie das Leben im Weltraum durch die Vielfalt der mikrobiellen Gemeinschaften gedeihen kann«, sagt Coblentz. Der Geschmack und die Qualität von Miso hängen in hohem Maß von Faktoren ab, die von der mikrobiellen Aktivität beeinflusst werden: unter anderem von der Temperatur, dem atmosphärischen Druck und den Lichtverhältnissen. All das unterscheidet sich im Weltraum stark von der irdischen Umgebung. Deshalb interessierten sich Coblentz und ihr Kollege Joshua Evans für die leichten Unterschiede im mikrobiellen Profil des Weltraum-Misos.
Zum Beispiel mutierten die Pilze im Weltraum-Miso häufiger, möglicherweise wegen der erhöhten kosmischen Strahlung, sagt Evans, ein Lebensmittelforscher an der Technischen Universität von Dänemark. Außerdem könnte die schwache Schwerkraft das Wachstum und den Stoffwechsel der Mikroben beeinflusst haben. »Jetzt, da wir wissen, dass Fermentierung im Weltraum möglich ist, könnten Folgeexperimente diese Hypothesen untersuchen«, sagt er.
»Niemand hat sich bisher mit der Ernährung von Astronauten befasst, aber sie sprechen über den Verlust ihres Geschmacks- und Geruchssinns«Jay Nadeau, Astrobiologe und Physiker
»Miso und andere fermentierte Lebensmittel sind nicht nur schmackhaft, sondern können auch die Gesundheit des Darms fördern – das Ergebnis ist also eine gute Nachricht für Astronauten«, erklärt Jay Nadeau, Astrobiologe und Physiker an der Portland State University. Nadeau, der nicht an der neuen Studie beteiligt war, weist darauf hin, dass Astronauten im Weltraum oft Probleme haben, gesund zu bleiben, und zwar nicht nur wegen der Auswirkungen der Schwerelosigkeit, sondern auch wegen der Veränderungen in ihrem Darmmikrobiom.
»Niemand hat sich bisher mit der Ernährung befasst, und ich weiß, dass Astronauten über den Verlust ihres Geschmacks- und Geruchssinns sprechen«, sagt der Astrobiologe. »Sie achten nicht wirklich darauf, was sie essen, obwohl sie starke Geschmacksrichtungen mögen. Deshalb halte ich es für sehr wichtig, fermentierte Lebensmittel sowohl für den Geschmack als auch für ein gesundes Mikrobiom einzuführen.«
Coblentz zufolge kann die Lebensmittelvielfalt das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Astronauten steigern, wenn sie ein breiteres Spektrum an Geschmäcken, Ernährungsbedürfnissen und kulturellen Vorlieben abdecke. Die Fermentierung von Miso im Weltraum erweitert das bisher verfügbare Spektrum. Zudem verdeutlicht es die komplexe Mikrobiologie einer scheinbar so sterilen Raumstation. »Wenn ein Astronaut ins All reist«, sagt Coblentz, »trägt er sein eigenes Mikrobiom mit sich, und jedes Material, jede Pflanze und sogar jedes Lebensmittel, das ihn begleitet, hat etwas Ähnliches bei sich.«

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