Praxistipps fürs Smartphone : Wie fotografiert man den Sternenhimmel am besten?

Serie »Das Smartphone als Astrokamera«
Der Sternenhimmel, die Milchstraße, Polarlichter und unsere Nachbarn im Sonnensystem: Faszinierende Ansichten des Himmels und kosmische Objekte lassen sich nicht nur mit Hilfe von Teleskopen in professionellen Sternwarten oder mit Weltraumteleskopen wunderbar ablichten. In dieser Serie verraten wir, wie mit einem Smartphone und etwas Experimentierfreude vorzeigbare Astrofotos gelingen.
Teil 1: Den Sternenhimmel fotografieren
Teil 2: Sonne, Mond und Planeten fotografieren erscheint am 25.10.2025
Im Jahr 2025 feiert das Smartphone seine Volljährigkeit: 18 Jahre zuvor wurde das Apple iPhone 1 an die Kundschaft ausgeliefert. Die Markteinführung markiert den Beginn einer rasanten technischen Weiterentwicklung, die nahezu jährlich mit mehr oder minder bahnbrechenden Neuerungen aufwartet. Besonders die in den Geräten verbauten Kameras haben von den zahlreichen Innovationen profitiert. Apple iPhones sowie Geräte anderer Hersteller mit Android als Betriebssystem haben sich zu einer echten Alternative für klassische Foto- und Videokameras gemausert – aber nur wenige Menschen richten diese Kamera auf den Sternenhimmel (siehe »Startklar für die Astrofotografie«).
Längst hat sich herumgesprochen, dass in den Handys nur winzige Bildsensoren ihren Dienst verrichten (siehe »Sensorgrößen im Vergleich«). Gerade die Fläche des Sensors ist jedoch ein entscheidendes Kriterium für die Qualität von Fotos bei schlechten Lichtverhältnissen. Tendenziell gilt: Je größer der Sensor ist, umso besser gelingen Aufnahmen bei Nacht. Dieser theoretisch völlig korrekte Zusammenhang führte anfangs tatsächlich dazu, dass Smartphones bei Dunkelheit keine brauchbaren Ergebnisse lieferten. Doch von Generation zu Generation ließen sich die Hersteller mehr und mehr Tricks einfallen, um den physikalischen Nachteil kleiner Sensoren zu kompensieren. Heute bewerben sie Smartphones sogar mit der ausdrücklichen Eignung für das Fotografieren bei Dunkelheit. Die Geschwindigkeit der Weiterentwicklung von Smartphone-Kameras ist bedeutend höher als bei allen anderen Kamerasystemen; daher lohnt sich ein genauerer Blick. Was die fotografischen Qualitäten angeht, sind weder Android-Geräte besser als Apple iPhones, noch trifft das Umgekehrte zu. Statt eine Kaufentscheidung davon abhängig zu machen, empfiehlt sich eher, die Spezifikationen der eingebauten Kameras und den Funktionsumfang der mitgelieferten Kamera-Apps zu vergleichen.
Sensorgrößen im Vergleich
Die Tabelle gibt einen Überblick über typische Sensorformate von Digitalkameras und Smartphones. Die Bezeichnungen der Smartphone-Sensoren in Zoll (1 Zoll = 25,4 Millimeter) haben historische Gründe; der in der ersten Spalte angegebene Wert in Zoll entspricht demnach weder der Breite noch der Höhe und auch nicht der Diagonalen des Sensors.
Wer ausschließlich die technische Qualität der Ergebnisse als Maßstab betrachtet, braucht sich mit der Smartphone-Fotografie grundsätzlich nicht zu beschäftigen, denn es gibt keinen Bereich, in dem Smartphones technisch bessere Resultate hervorbringen als andere, speziell geeignete Kamerasysteme. Um zufriedenstellende Aufnahmen zu erhalten, sollte man entsprechende Kamerasysteme nicht nur besitzen, sondern auch ihren Gebrauch sowie die anschließenden Bildbearbeitungsverfahren beherrschen. Ein großes Spektrum an unterschiedlichen Motiven erfordert mehrere unterschiedliche Kameras: Neben einer klassischen, spiegellosen Systemkamera (DSLM) oder einer Spiegelreflexkamera (DSLR) kommen beispielsweise dedizierte Astrokameras mit gekühlten Sensoren für die Deep-Sky-Fotografie oder Videokameras zum Fotografieren von Planeten zum Einsatz.
Qualitativ kann also selbst ein noch so gutes Smartphone mit den erwähnten Kamerasystemen nicht mithalten – dennoch gibt es gute Gründe, sein Handy unter dem Sternenhimmel einzusetzen:
Gewicht und Größe: Verglichen mit anderen Kameras sind Smartphones klein und leicht. Somit reichen kleine und leichte Stative aus. Am Fernrohr montiert, wird der Okularauszug nur geringfügig belastet.
Mobilität: Ein Smartphone ist immer griffbereit, weil es auch für viele andere Aufgaben des täglichen Lebens unverzichtbar geworden ist. Potenziell bessere Kameras liegen oft unerreichbar zu Hause und benötigen eine längere Rüstzeit.
Unkomplizierte Bedienung: Dank der problemlosen Handhabung von Smartphones kann auf das Studium von Bedienungsanleitungen verzichtet werden. Alles lässt sich intuitiv, wenn auch nicht immer auf Anhieb, erschließen.
Computational Photography: Unter diesem Begriff fasst man das »rechnerunterstützte Fotografieren« zusammen. Beispielsweise analysiert die Kamera die konkrete Motivsituation und trifft automatisch richtige Entscheidungen. Bei Smartphones ist diese Technik viel ausgereifter als bei Fotokameras.
Schnelles Publizieren: Fotos, die auch ohne Nachbearbeitung vorzeigbar sind, können mit dem Smartphone in Sekundenschnelle verschickt, publiziert und in sozialen Medien geteilt werden.
Interessante Herausforderung: Es hat einen eigenen Reiz, mit suboptimaler Ausrüstung erfolgreich zu sein. Daher geht es auch nicht darum, statt spezieller Kameras nun das Smartphone zu benutzen, sondern es ist als Ergänzung zu betrachten.
Welches Smartphone für die Astrofotografie?
Wohl kaum jemand wird sich ein Smartphone speziell für die Astrofotografie zulegen wollen. Daher lautet die erste Empfehlung: Setzen Sie dasjenige Smartphone ein, welches Sie ohnehin besitzen! Zumindest Ihre ersten Gehversuche sollten Sie damit unternehmen – es sei denn, das Gerät ist relativ alt (ausgeliefert etwa 2018 oder früher), oder es ist ein ausgesprochen einfaches Modell aus dem Einsteigersegment für einen niedrigen dreistelligen Eurobetrag. Ansonsten gilt: Je neuer, desto besser, denn im Bereich der Kameratechnik hat bei den Smartphones in den letzten Jahren eine enorme Weiterentwicklung stattgefunden. Tendenziell findet sich die beste Kameratechnik in den Spitzengeräten, die üblicherweise Namenszusätze wie »Ultra«, »Pro« oder »Max« tragen. Das ist auch beim Neukauf ein Tipp, falls das im Gebrauch befindliche Gerät ersetzt werden soll. Für die jeweiligen Spitzenmodelle der Hersteller reichen dreistellige Beträge allerdings nicht mehr aus, hier nähert man sich bereits der 2000-Euro-Grenze.
Android oder iOS?
Bei einem Neukauf steht eine Grundsatzentscheidung an: Für welches Betriebssystem sollte man sich entscheiden? Die iPhone-Modelle von Apple sind mit dem Betriebssystem iOS ausgestattet, die allermeisten Smartphones der anderen Hersteller mit dem Betriebssystem Android von Google. Geht es bei der Entscheidung nur um die eingebaute Kamera, ist das Ergebnis unentschieden. Die verbaute Hardware ist in den Spitzenmodellen aller Hersteller durchaus vergleichbar. Interessanter ist ein Blick auf die mitgelieferten Kamera-Apps. Für astrofotografische Zwecke sind Apps zu bevorzugen, bei denen möglichst viele Einstellungen manuell vorgenommen werden können. Tendenziell sind die manuellen Eingriffsmöglichkeiten bei den Kamera-Apps der iPhones etwas eingeschränkt, auch wenn von Generation zu Generation Verbesserungen stattfinden. Andererseits ist bei iOS das computerunterstützte Fotografieren sehr weit entwickelt; die Geräte treffen nach simplem Auslösen selbstständig gute Entscheidungen und liefern ohne eigenes Zutun überzeugende Resultate ab.
Zu guter Letzt ist man nicht auf den Funktionsumfang der vorinstallierten Kamera-App angewiesen, sondern kann andere Kamera-Apps mit dem gewünschten Funktionsumfang installieren, auch wenn dafür unter Umständen ein überschaubarer Betrag zu zahlen ist. Vor einem Neukauf sollten auf jeden Fall die Funktionen der mitgelieferten Kamera-App in Erfahrung gebracht und bei Bedarf die Verfügbarkeit und Kompatibilität von alternativen Kamera-Apps geprüft werden.
Hinsichtlich des im Gerät verfügbaren Speichers sind keine sonderlich hohen Anforderungen notwendig, denn die Anzahl der Auslösungen pro Beobachtungsnacht hält sich in Grenzen. Zudem wird man die Fotoausbeute einer Nacht nicht dauerhaft auf dem Gerät abgespeichert lassen, sondern regelmäßig auf andere Speichermedien übertragen.
Bedeutung der Kamera-App
Die auf dem Smartphone installierte Kamera-App ist sozusagen die Schnittstelle zwischen der eingebauten Kamera-Hardware und dem Anwender oder der Anwenderin. Sie entscheidet darüber, wie benutzerfreundlich bestimmte Einstellungen vorgenommen werden können (siehe »Vorbereitung einer Himmelsaufnahme«).
Freilich spielt auch die Kamera-Hardware eine Rolle, aber die Kamera-App ist es, welche die Fähigkeiten der Hardware zugänglich macht und darüber hinaus mit Softwarelösungen viele zusätzliche Anwendungen erst möglich macht (siehe »Kamera-Apps: Was sollten sie können?«). Lässt sich zum Beispiel in einer Kamera-App als Dateiformat kein RAW-Format auswählen, liegt der Grund in der Software, nicht in der Hardware. Eine andere Kamera-App auf demselben Gerät könnte diese Funktion durchaus bieten.
Kamera-Apps: Was sollten sie können?
Die Tabelle bietet Hinweise zur Auswahl einer geeigneten Kamera-App. Sie listet diejenigen Einstellmöglichkeiten auf, die für die Astrofotografie relevant sind, von wichtigen Eigenschaften (oben) nach weniger wichtigen Eigenschaften (unten).
Die Objektive von Smartphones sind fix; sie können nicht – wie bei Systemkameras – gewechselt werden. Für Weitfeldaufnahmen des Himmels kommt demnach nur die Benutzung der eingebauten Objektive infrage. Nicht selten sind in einem einzigen Smartphone vier Kameras mit vier unterschiedlichen Objektiven untergebracht. Die Hauptkamera besteht üblicherweise aus einem Weitwinkelobjektiv mit einer hohen Lichtstärke und einem relativ großen Sensor. Oftmals erfasst diese Kamera einen Bildwinkel, der dem eines 28-Millimeter-Objektivs an einer Vollformatkamera entspricht. Zusätzlich gibt es eine Ultraweitwinkelkamera mit einem deutlich größeren Bildwinkel, wobei das Objektiv lichtschwächer ist und zuweilen auch der Sensor kleiner ausfällt. Die dritte Kamera arbeitet mit einer längeren Brennweite, also mit einem leichten Teleobjektiv mit ebenfalls eingeschränkter Lichtstärke und kleinerem Sensor. Entsprechendes gilt für die vierte Kamera, die eine noch längere Brennweite und damit einen noch kleineren Bildwinkel erfasst.
Gerade von den Teleobjektiven sind keine Wunder zu erwarten, was die vergrößernde Wirkung betrifft, denn Optiken mit langen Brennweiten lassen sich in den flachen Smartphones nur schwer unterbringen. Trotz eines im Gerät um 90 Grad umgelenkten Strahlengangs erreichen die Telekameras nur Bildfelder, die denen eines 120-Millimeter-Objektivs an einer Vollformatkamera entsprechen.
Lange Brennweiten und kleine Bildfelder sind folglich die Achillesferse der Handykameras. Das ist auch den Herstellern bekannt; daher bieten die Kamera-Apps über die physikalischen Grenzen hinaus einen Digitalzoom an, der nichts anderes als eine Ausschnittvergrößerung ist: Lediglich ein Teilbereich des Sensors wird verwendet und das Foto durch eine Software rechnerisch hochskaliert. Hierbei kommt nicht selten auch künstliche Intelligenz zum Einsatz, die den Schärfeeindruck steigert und vom Sensor nicht aufgezeichnete Bilddetails ergänzt und rekonstruiert. In Extremfällen, beispielsweise bei Aufnahmen des Mondes mit hoher Zoomstufe, wurde bereits nachgewiesen, dass auf gespeichertes Bildmaterial aus fremder Quelle zurückgegriffen wird, um das digital gezoomte Foto aufzumöbeln! Das hat mit ehrlicher Fotografie natürlich nichts mehr zu tun und soll hier nicht weiter betrachtet werden.
Muss die optische Reichweite eines Smartphones erweitert werden, ist die afokale Methode zu empfehlen, bei der das Handy unmittelbar hinter dem Okular eines Fernglases oder Teleskops montiert wird. Damit lassen sich Objekte des Sonnensystems wie Sonne, Mond und Planeten aufnehmen – dazu später mehr. Es ist sinnvoll, den astronomischen Einsatz eines Smartphones im Folgenden in drei Bereiche zu gliedern: Aufnahmen aus der freien Hand, die Verwendung eines Stativs ohne und mit astronomischer Nachführeinheit sowie die afokale Fotografie durch ein Fernglas oder ein Teleskop, die im zweiten Teil dieses Beitrags behandelt wird.
Aufnahmen ohne Stativ
Steht außer dem Smartphone keinerlei Ausrüstung zur Verfügung, dann sollten Sie versuchen, den Himmel freihändig aufzunehmen. Das klingt zunächst verwegen, funktioniert aber inzwischen erstaunlich gut. Während bei klassischen Kameras hocheffektive Bildstabilisatoren dafür sorgen, dass freihändige Belichtungszeiten von bis zu einer Sekunde, vielleicht zwei Sekunden, ohne verwackelte Sterne möglich werden, gehen die Smartphones weit darüber hinaus. Statt einer einzigen langen Belichtung erstellen sie nämlich viele kurz belichtete Aufnahmen, legen diese passgenau übereinander und addieren sie zu einem Summenbild. Dadurch wird eine Langzeitbelichtung simuliert, und die unvermeidbaren Kamerabewegungen während der Aufnahme werden kompensiert. Mehr noch: Die Kamera-App wendet beim Kombinieren der Einzelbilder einen High-Dynamic-Range-Algorithmus (HDR-Algorithmus) an, sodass sehr helle Objekte, etwa ein beleuchtetes Haus unter dem Sternenhimmel, nicht überbelichtet werden (siehe »Hoher Dynamikbereich«). Bei einer einzigen, langbelichteten Aufnahme wäre eine Überbelichtung des Hauses hingegen unvermeidbar.
Diese durchdachte Technik wird angewendet, ohne dass man als Anwender oder Anwenderin darüber informiert wird oder etwas davon bemerkt. Nach Beendigung der Belichtung liegt das Ergebnis ohne nennenswerte Wartezeit vor. Auf dem Bildschirm des Smartphones erscheint während der Belichtung lediglich der Hinweis, man möge sein Gerät möglichst ruhig halten. Aktiv ist diese Technik im dedizierten Nachtmodus, oftmals mit »Nacht« bezeichnet. Zuweilen muss man nach diesem Modus ein wenig suchen, beispielsweise, wenn er in der Rubrik »Mehr« versteckt wurde. Hiermit ist die Erweiterung der standardmäßig angebotenen Modi wie »Foto«, »Video«, »Porträt«, »Landschaft« gemeint.
Zwei bedeutende Einschränkungen bringt der Nachtmodus mit sich: Einerseits erlaubt er keine oder nur sehr wenige Einstellmöglichkeiten, um das Bildergebnis in die eine oder andere Richtung zu lenken, andererseits werden die entstehenden Fotos nur im JPG- und nicht im RAW-Format gespeichert. In Anlehnung an einen uralten Werbespruch der Firma Kodak funktioniert der Nachtmodus also nach dem Motto »You press the button, I do the rest« (Sie drücken den Auslöser, den Rest erledige ich).
Als Motive für den Nachtmodus der Smartphone-Kamera eignen sich Dämmerungsaufnahmen mit Mond und Planeten, der Sternenhimmel über einer Landschaft, die Milchstraße, Polarlichter und helle Kometen. Des Weiteren lassen sich auch Meteore ablichten, indem man ein Foto nach dem anderen aufnimmt – in der Hoffnung, eine helle Leuchtspur am Himmel zu erwischen. Die Vorgehensweise ist denkbar einfach: Aktivieren Sie den Nachtmodus und stellen Sie die Zoomstufe auf »1x«. Nun arbeitet die Kamera mit dem lichtstärksten der Objektive. Anschließend visieren Sie das Motiv an, wählen einen gefälligen Bildausschnitt und drücken den Auslöseknopf. Je nach Motiv nimmt sich die Kamera-App einige oder etliche Sekunden Zeit, die nötigen Daten zu sammeln, und beendet die Belichtung dann selbsttätig. Über das Ergebnis kann man oftmals nur staunen.
Auf dem Smartphone-Display ist ein scharfes, ausbelichtetes Foto mit lebendigen Farben zu sehen, meist mit gestochen scharfen Sternen. Nicht verschwiegen werden soll, dass sich auf größeren Bildschirmen bei genauer Betrachtung hin und wieder kleinere Artefakte oder Ungenauigkeiten verraten, die auf Fehler beim Addieren der Einzelaufnahmen zu einem Summenbild zurückzuführen sind. Und da das Foto nur ein JPG-Bild ist, verbieten sich anschließende, tiefgreifende Bearbeitungsverfahren, welche die Bildqualität weiter vermindern würden.
Dennoch ist es faszinierend, wie ohne jegliche Ausrüstung viele Astromotive auf einfachste Art eingefangen werden können. Alles, was dazu nötig ist, ist das Smartphone selbst – und das passt in jede Hosentasche. Wird man von einer astronomischen Erscheinung überrascht, etwa einem plötzlich auftauchenden Polarlicht, ist das Fotohandy in Sekundenschnelle einsatzbereit und kann ohne nennenswerte Vorkenntnisse sehenswerte Resultate hervorbringen.
Mit Stativ und ohne Nachführung
Wer statt der beschriebenen »Einknopfmethode« gerne klassisch vorgehen und alle Belichtungsparameter selbst einstellen möchte, wird im Pro-Modus sein Glück finden. Auch dieser Modus verbirgt sich unter Umständen in der Rubrik »Mehr«. Die Abkürzung »Pro« steht für »Professional«. Dieser Modus richtet sich an Fotografen und Fotografinnen, die mit der Wirkung und den Skalen der Belichtungsparameter vertraut sind. Im Pro-Modus greift die Software nicht so radikal ein wie im Nachtmodus. In diesem Fall ist für Langzeitbelichtungen ein Stativ erforderlich, um verwackelte Aufnahmen zu verhindern.
Smartphones haben kein Stativgewinde. Um sie auf einem Fotostativ zu befestigen, wird ein Adapter, eine Smartphone-Stativhalterung, benötigt. Diese besteht aus einer verstellbaren Spange, um Smartphones unterschiedlicher Größe aufzunehmen, sowie einem negativen Stativgewinde. Schon für wenige Euro gibt es entsprechende Produkte, die jedoch aus Kunststoff gefertigt sind und oft nicht einmal dem leisesten Windhauch standhalten. Folglich rate ich dringend dazu, in eine stabile Halterung aus Metall zu investieren, die zwar mehr kostet, aber dennoch eine überschaubare Investition darstellt (siehe »Solide Basis«).
An das Stativ sind keine hohen Anforderungen geknüpft, denn es muss nur das geringe Gewicht des Smartphones verkraften. Gedanken sollte man sich lieber darüber machen, wie man das Smartphone auslöst, ohne auf das Display tippen zu müssen; dies könnte nämlich leicht Verwacklungen verursachen. Eine elegante Möglichkeit bieten drahtlose Handauslöser, die via Bluetooth mit dem Smartphone gekoppelt werden und für wenige Euro zu haben sind. Vielleicht besitzen Sie aber auch schon einen Selfie-Stick, der eine solche Funktion enthält. Gegebenenfalls können Sie ihn als Fernauslöser verwenden, wobei Sie natürlich das Smartphone nicht in den Stick einspannen, sondern auf dem Stativ belassen. Übrigens lassen sich manche Selfie-Sticks als Kleinstativ aufstellen – doch davon nehmen Sie bitte Abstand, weil das stets eine sehr wackelige Angelegenheit ist.
Einer der entscheidenden Vorteile des Pro-Modus liegt darin, dass man für die Fotos das Dateiformat RAW wählen kann. Die entsprechende Einstellung ist meist in den Menüs der Kamera-App verborgen. Hat man die Option gefunden und angewählt, speichert die App alle Fotos sowohl im RAW- als auch im JPG-Format. Sehr erfreulich ist, dass als RAW-Format das universelle DNG-Format benutzt wird, sodass es bei der Entwicklung der Fotos auf dem PC oder einem Mac keine Probleme mit der verwendeten Bildbearbeitungssoftware geben sollte. Werden bei der Auswahl des RAW-Formats Optionen angeboten, etwa »Ultra RAW«, würde ich diese nicht verwenden. Auch das High-Efficiency-Image-File-Format (HEIF), sofern vorhanden, nutze ich nicht, wenn RAW zur Verfügung steht. Ohne die RAW-Option wäre HEIF dem JPG-Format jedoch vorzuziehen.
Eine weitere Entscheidung betrifft die Anzahl an Megapixeln pro Foto. Ich begnüge mich dabei mit der nativen Auflösung der verwendeten Bildsensoren; das sind oftmals Werte um 12,5 Megapixel. Dennoch wird vielfach ein High-Resolution-Modus (Hi-Res-Modus) angeboten, der beispielsweise 50 Megapixel verspricht. Hiervon mache ich keinen Gebrauch, weil ich hinsichtlich der Auflösung in der Praxis keinerlei Vorteile feststellen konnte; vermutlich handelt es sich hierbei um hochinterpolierte Daten ohne echten Mehrwert.
Für Aufnahmen im Pro-Modus ohne Zusatzoptik kommen die gleichen Motive in Betracht, die auch für den Nachtmodus genannt wurden. Alle relevanten Belichtungs- und Aufnahmeparameter werden manuell eingestellt. Dieser Mehraufwand im Vergleich zum Nachtmodus wird belohnt mit einer sichtbar besseren Bildqualität, einer Reproduzierbarkeit sowie der Möglichkeit, die entstehenden RAW-Dateien später durch die Art ihrer Entwicklung hinsichtlich Dynamikumfang, Schärfe, Farbgebung und Rauschverhalten optimal zur Geltung zu bringen. Wiederum empfehle ich die Nutzung der Hauptkamera mit dem lichtstärksten Objektiv und dem besten Sensor. In der Praxis haben sich bestimmte Parameter für die Aufnahme des Sternenhimmels bewährt (siehe »Ihr erstes Astrofoto«).
Ihr erstes Astrofoto
Um den Sternenhimmel bei klarem Wetter an einem dunklen Standort in einer mondlosen Nacht aufzunehmen, sollten Sie mit den in der folgenden Tabelle angegebenen Einstellungen beginnen. Belichtungsanpassungen sollten vorzugsweise anhand des ISO-Werts vorgenommen werden.
Ist das Motiv ein Sternenhimmel mit oder ohne die Milchstraße, empfiehlt sich die Verwendung eines Weichzeichnungsfilters. Er macht das Foto nicht per se unscharf, sondern überlagert ein scharfes Bild mit einem unscharfen. Der Effekt ist, dass helle Sterne größer abgebildet werden und deren Eigenfarbe sichtbar wird (siehe »Einfluss des Weichzeichners«). Mit einem solchen Filter entsteht eine Abbildung, die unserem visuellen Eindruck entspricht. Gut geeignete Filter sind unter anderem Cokin P820/P830, Hoya/Kenko Softon A und NiSi Star Soft.
Leider bieten nur wenige Smartphones die Möglichkeit, klassische Fotofilter in ein mechanisches Gewinde vor die Objektive zu schrauben. Fehlt diese Option, muss der Filter provisorisch befestigt oder einfach während der Belichtung vor das Kameramodul des Smartphones gehalten werden. Letzteres bietet den Vorteil, dass man die Wirkung des Filters mildern kann, wenn man ihn nach Ablauf der halben Belichtungszeit einfach wegnimmt und aus dem Strahlengang entfernt.
Im Unterschied zu Aufnahmen des Sternenhimmels sind 30 Sekunden Belichtungszeit für Polarlichter zu lang: Ein helles, dynamisches Polarlicht tanzt regelrecht und bewegt sich rasch am Firmament. Hierbei sind zehn Sekunden das absolute Maximum, um sich nicht zu viel Bewegungsunschärfe einzuhandeln; ideal wären fünf Sekunden. Um dieses Ziel zu erreichen, schrecke ich nicht davor zurück, den ISO-Wert anzuheben, im Notfall auf bis zu 6400.
Eine kleine astronomische Nachführeinheit auf dem Stativ genügt, um ein Smartphone darauf zu befestigen (siehe »Kompakte Montierung«). Damit folgt das Handy der Bewegung des Himmels. Auf diese Weise kann auch eine Kamera des Smartphones benutzt werden, die nicht so lichtstark ist, also die Ultraweitwinkelkamera oder die Telebrennweite. Man nutzt die Nachführung, um eine ganze Serie desselben Himmelsausschnitts zu fotografieren, etwa einen Abschnitt der Milchstraße. Die erhaltenen Fotos sind dann passgenau und können zum Zweck der Rauschminderung im Rahmen der Bildbearbeitung kombiniert werden (englisch: stacking). Sehr nützlich in diesem Szenario ist die Möglichkeit, Intervallaufnahmen zu programmieren, also beispielsweise eine Serie von 40 Fotos à 20 Sekunden Belichtungszeit mit einer Sekunde Pause nach jeder Belichtung. Zum Teil verbirgt sich diese Funktion hinter abenteuerlich klingenden Bezeichnungen wie etwa »Zeitgesteuerter Burst«.
Wegen des geringen Gewichts, des großen Bildfelds und der begrenzten Maximalbelichtungszeit der Smartphones braucht die Nachführeinheit keinen sehr hohen Anforderungen an die Nachführgenauigkeit zu genügen. Selbst kleinste Modelle leisten gute Dienste, beispielsweise ein Sky-Watcher Star Adventurer Mini, ein iOptron SkyTracker Pro oder ein Vixen Polarie Star Tracker. Auch beim unverzichtbaren Ausrichten der Montierung auf den Himmelspol reicht eine Grobjustage völlig aus: Die angetriebene Achse der Montierung wird per Augenmaß auf den Polarstern ausgerichtet. Genauer gelingt die Justage mithilfe eines eingebauten Polsucherfernrohrs, mit welchem der Polarstern angepeilt werden kann.
Tiefer ins All
Die bisherigen Betrachtungen zeigen, dass aktuelle Smartphones vielfältige technische Eigenschaften bieten, die ihren Einsatz für die Astrofotografie rechtfertigen. Schon freihändig gehalten oder in Kombination mit einem Stativ ermöglichen diese kompakten Geräte vorzeigbare Aufnahmen des Sternenhimmels. Im zweiten Teil dieses Artikels geht es um die Fotografie mit höherer Vergrößerung: In Verbindung mit einem Fernglas oder einem Teleskop erweisen sich die Sonne, der Mond und die helleren Planeten als lohnende Motive für Smartphone-Kameras.
Redaktioneller Hinweis: Die im vorliegenden Beitrag abgebildeten Geräte dienen lediglich zur Veranschaulichung der beschriebenen Sachverhalte; sie stellen keine Produktempfehlungen dar.
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