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Astrophysik: Rätsel im Drachenei-Nebel gelöst?

Das Doppelsternsystem HD 148937 liefert nicht nur fantastische Bilder. Es ist auch außergewöhnlich. Astronomen haben jetzt seine wilde Vergangenheit erforscht.
Diese Aufnahme im sichtbaren Licht des  VLT Survey Telescope zeigt im Zentrum einen hell leuchtenden Stern, der umgeben ist von einem farbigen kosmischen Nebel. Außerhalb des Nebels leuchten zahlreiche weitere Sterne in der Schwärze des Universums
Der Drachenei-Nebel gehört zu den vielleicht schönsten Objekten im All: Seine Entstehung wurde nun untersucht.

Doppelsternsysteme sind eigentlich wie Zwillinge, weil sich ihre beiden Sterne normalerweise sehr ähneln. Doch das System HD 148937 entspricht so gar nicht diesen Erwartungen, denn einer der beiden massereichen Sterne ist deutlich jünger als der andere und magnetisch. Warum das so ist, haben Abigail Frost von der ESO und ihr Team durch Beobachtungen und Messungen des Gebildes wohl herausbekommen: Wie sie in »Science« erläutern, handelte es sich dabei einst um ein Trio, in dem später zwei Sterne miteinander fusionierten – woraus gleichzeitig der außergewöhnliche Drachenei-Nebel hervorging.

»Ein Nebel, der zwei massereiche Sterne umgibt, ist eine Seltenheit, und wir hatten wirklich das Gefühl, dass in diesem System etwas Cooles passiert sein muss. Als wir uns die Daten ansahen, wurde die Begeisterung nur noch größer«, sagt Frost in einer Mitteilung der ESO. In dem 3800 Lichtjahre von der Erde entfernten System umkreisen zwei stellare Giganten in einem 26 Jahre dauernden Orbit ihren gemeinsamen Schwerpunkt, wobei einer der beiden Sterne knapp 30-mal so massereich ist wie die Sonne und der andere 26,6-mal. Am Ende ihrer Tage würde das ausreichen, dass daraus Schwarze Löcher entstehen könnten.

Der größere der beiden Sterne ist magnetisch, was ungewöhnlich ist, da dies bei Sonnen dieser Größe eigentlich nicht vorkommt – was aber das Interesse von Frost und Co erst recht weckte. Die Arbeitsgruppe analysierte daher mehrjährige Datenreihen des Very Large Telescope der ESO und Archivdaten des 2,2-Meter-Teleskops von MPG/ESO. Dabei stellten die Beteiligten fest, dass die beiden Sterne unterschiedlich alt sind, was bei diesen kosmischen Zwillingen nicht der Fall sein sollte. Während der größere Stern 2,7 Millionen Jahre alt ist, kommt der kleinere auf 4,1 Millionen Jahre, was einen signifikanten Unterschied darstellt, da die Sterne auf Grund ihrer Nähe gleichzeitig entstanden sein müssen.

Verglichen mit dem umgebenden Nebel sind sie allerdings bereits Methusaleme: Denn der Drachenei-Nebel entstand sogar erst vor 7500 Jahren und ist damit nach kosmischen Maßstäben sehr jung, obwohl derartige Gebilde normalerweise von sterbenden Sternen erzeugt werden, was für die beiden Sterne dieses Systems definitiv nicht zutrifft. Frosts Team wies zudem große Mengen an Stickstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff in der Signatur des Nebels nach, die ebenfalls nicht um die Sterne wabern, sondern sich in diesen selbst befinden sollten.

Die Wissenschaftler halten es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass das heutige Sternenduo zuvor als Trio unterwegs war, bevor zwei kleinere Sterne zu dem massereichen, magnetischen Riesen fusionierten. Bei dieser Verschmelzung könnten die Elemente des Nebels freigesetzt worden sein.

»Wir vermuten, dass dieses System ursprünglich mindestens drei Sterne hatte; zwei von ihnen müssen an einem Punkt der Umlaufbahn nahe beieinandergelegen haben, während ein anderer Stern viel weiter entfernt war«, sagt der an der Studie beteiligte Astronom Hugues Sana von der Universität Leuven. »Die beiden inneren Sterne verschmolzen dann auf gewaltsame Weise, wodurch ein riesiger, magnetischer Stern entstand und Material herausgeschleudert wurde, der den Nebel erzeugte. Der weiter entfernte Stern bildete eine neue Umlaufbahn mit diesem Partner, woraus das Doppelsternsystem hervorging, den wir heute im Zentrum des Nebels sehen.«

HD 148937 wäre damit der erste handfeste Beleg dafür, dass Sternfusionen tatsächlich zu Magnetfeldern führen, die gelegentlich um massereiche Sterne auftreten. Damit ließe sich auch das junge Alter des Nebels erklären, wie Frost erläutert: »Man geht davon aus, dass der Magnetismus in massereichen Sternen nicht sehr lange anhält, verglichen mit der Lebensdauer des Sterns. Es scheint also, dass wir dieses seltene Ereignis sehr bald nach seinem Auftreten beobachtet haben.«

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