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Kosmochemie: Asymmetrische Moleküle aus dem All

Mit Propylenoxid konnten Forscher erstmals ein chirales Molekül außerhalb des Sonnensystems nachweisen. Für die Bausteine von Leben, wie wir es kennen, ist diese Symmetrieeigenschaft äußerst wichtig.
Blick ins Zentrum der Galaxis

Man kennt sie aus vielen biochemischen Prozessen, und man hat sie auch schon in Meteoriten auf der Erde und in Kometen im All entdeckt. Nun ist es Forschern erstmals gelungen, einen Vertreter so genannter chiraler Moleküle außerhalb unseres Sonnensystems im interstellaren Raum zu finden. Fündig wurden die Wissenschaftler um Brett A. McGuire und P. Brandon Carroll vom California Institute of Technology mit Hilfe des Green-Bank-Teleskops in West Virginia. Seine Aufnahmen einer Molekülwolke nahe dem Zentrum der Milchstraße wiesen Propylenoxid nach. Ergänzt wurden die Messungen durch Analysen am Parkes-Radioteleskop in Australien. Propylenoxid kommt in zwei beinahe identischen Varianten vor. Die chemische Zusammensetzung ist dabei gleich*, und das Spiegelbild der einen Form lässt sich mit der anderen Form zur Deckung bringen – vergleichbar mit Schrauben, die sich entweder nach links oder nach rechts winden, oder den geometrischen Eigenschaften der linken und der rechten Hand. Diese spezielle Form von spiegelverkehrten Molekülvarianten wird von Chemikern als Chiralität bezeichnet.

© Science/AAAS
Chirale Moleküle aus dem All

Die Entdeckung sei ein bahnbrechender Schritt für das Verständnis der Entstehung von Leben im Universum aus seinen Vorläufermolekülen, begeistern sich die Forscher. Denn die chiralen Varianten haben zwar dieselben chemischen und physikalischen Eigenschaften wie etwa Schmelz- oder Gefrierpunkt. Für die Entstehung und die Funktion von Leben ist die Chiralität vieler Biomoleküle jedoch entscheidend. So bilden alle bekannten Organismen nur aus einer der beiden Formen des Zuckermoleküls Ribose das molekulare Rückgrat ihrer DNA. Die "falsche" Form eines chiralen Moleküls kann mitunter sogar gefährlich sein, wie man beim Contergan-Skandal erleben musste, wo eine Mischung der beiden Symmetrievarianten des Wirkstoffs zu Schädigungen bei Embryonen führte.

Woher diese Homochiralität kommt, also die Bevorzugung einer chiralen Variante, ist nicht bekannt. Es könnte auch Zufall sein, dass sich in der Biologie sehr oft eine der beiden Formen unter dem Druck der Evolution durchgesetzt hat. Der spektroskopische Fingerabdruck, den die spezifischen Rotationen der Propylenoxidmoleküle in den Radaraufnahmen aus der Molekülwolke Sagittarius B2 in der Nähe des Zentrums unserer Galaxie nun liefern, reichen zwar noch nicht, um dieses Rätsel zu lösen. Bisher gelang lediglich der Nachweis des als chiral bekannten Moleküls anhand drei seiner Spektrallinien. Welche Variante wie stark vertreten ist, konnten die Forscher daraus nicht ermitteln. Das wird aber nun der nächste Schritt ihrer Arbeit sein. Schließlich wollen sie herausfinden, wo und wie die Moleküle entstehen, bevor sie ihren Weg zu Meteoriten und Kometen finden, und welche Rolle solche Moleküle für die Entstehung von Leben spielen.

*Bei der Beschreibung der Chiralität ist ein Fehler unterlaufen, den wir korrigiert haben. Wir bitten um Entschuldigung.

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