Neutronensterne: Atmosphäre aus Kohlestaub
Cassiopeia A ist so etwas wie der Rosettastein für die Supernova- und Neutronensternforscher. Jetzt haben Astrophysiker anhand von Röntgenspektren das Rätsel um seine ungewöhnliche Leuchtkraft gelöst.

© NASA, CXC, STScI, JPL, Caltech (Ausschnitt)
© NASA, JPL / Caltech / Steward Observatory, Oliver Krause (Ausschnitt)
Supernova Cassiopeia A | Falschfarbenbild des Supernova-Überrests Cassiopeia A, aufgenommen mit dem Röntgensatelliten Chandra im Röntgenbereich (blau und grün), dem Weltraumteleskop Hubble im Optischen (gelb) und dem Weltraumteleskop Spitzer im mittleren Infrarot (rot). Sterne und das von der Supernova-Explosion mit schweren Elementen angereicherte Gas leuchten besonders im Optischen, während die Emission im Infraroten warmen Staub im Überrest zeigt. Das kompakte türkise Objekt (im Kästchen) ist der nur im Röntgenbereich sichtbare Neutronenstern.
Erst mit der Erfindung der Radioteleskope wurde 1947 die Explosionswolke von damals wieder sichtbar – und schließlich als hellste Radioquelle am Himmel nach der Sonne erkannt: Cassiopeia A. Drei Jahre später konnte die zarte Gashülle auch mit optischen Instrumenten ausgemacht werden. Doch was ist mit dem kompakten Überrest im Zentrum der Detonation? Die Theoretiker erwarteten hier eigentlich ein sehr exotisches Objekt: einen Neutronenstern. Ein solcher sollte auf Grund des immensen Drucks entstehen, der während der Supernova-Explosion den Kern des ausgebrannten Riesensterns so sehr zusammenpresst, dass Protonen und Elektronen zu je einem Neutron verschmelzen, um weniger Platz zu brauchen. Dabei ist eine Masse vom Eineinhalbfachen der Sonne auf eine Kugel von nur rund 20 Kilometer Durchmesser zusammengequetscht. Die Neutronen sind dabei genauso dicht gepackt wie die Teilchen in einem Atomkern – ein Kubikzentimeter dieser Materie hätte die gleiche Masse wie ein Eiswürfel mit einem Kilometer Kantenlänge!
© NASA / CXC / Melissa Weiss (Ausschnitt)
Versteckt in Cassiopeia A | Auch wenn Cassiopeia A der hellste Supernova-Überrest im Radiobereich ist, wurde der Neutronenstern in seinem Innern erst 1999 aufgespürt. Der Grund dafür wird in einer Atmosphäre vermutet, die überwiegend aus Kohlenstoff besteht.
Dann müsste etwas am Verständnis der Supernovae falsch sein, denn diese gehen von einem recht engen Massenbereich für die Entstehung von Neutronensternen aus. Ist der Vorläuferstern zu klein, findet überhaupt keine Explosion statt, und nach dem Verbrauchen allen Treibstoffs bleibt – wie bei unserer Sonne in fünf bis sechs Milliarden Jahren – ein Weißer Zwerg zurück. Ist der Stern jedoch zu riesig, ist der Druck auf den Kern so groß, dass er vollends kollabiert und ein Schwarzes Loch entsteht.
© NASA / CXC / Melissa Weiss (Ausschnitt)
Atmosphäre – einmal anders | Dieser Größenvergleich zeigt Ausdehnung und Aufbau der irdischen Lufthülle (links) und den grundlegenden Aufbau eines Neutronensterns (rechts). Dieser vereinigt 1,5 Sonnenmassen auf 20 Kilometer Durchmesser, seine Atmosphäre ist gerade einmal zehn Zentimeter stark (Ausschnittsvergrößerung). Im Fall von Cassiopeia A besteht diese aus Kohlenstoff.
Cassiopeia A bietet mit seinem Alter von knapp 330 Jahren eine bisher einzigartige Möglichkeit, einen Neutronenstern kurz nach seiner Geburt untersuchen zu können. Alle anderen bekannten Vertreter haben ein Alter von einigen tausend bis zu etlichen hunderttausend Jahren. Sind die unterschiedlichen Atmosphären also eine reine Frage des Altersunterschieds? Zudem legt das Modell von Ho und Heinke bei diesem Exemplar ein vergleichsweise niedriges Magnetfeld nahe. Folgestudien müssten versuchen zu ermitteln, ob dieses durch Dynamoprozesse so weit aufgebaut wird, dass jener Mechanismus einsetzen kann, der das Objekt als Pulsar sichtbar werden lässt. Ist das nicht der Fall, könnte es neben diesen kosmischen Leuchttürmen eine Population an Neutronensternen wie dem von Cassiopeia A geben, die still und leise einfach immer kühler werden – bis zur endgültigen Unsichtbarkeit.
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