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News: Atomares Schiebepuzzle

Jede Festkörperoberfläche hat unbesetzte Stellen im Kristallgitter - so genannte Leerstellen. Forscher in den Niederlanden konnten nun zeigen, dass sich diese Lücken sehr schnell über die Oberfläche bewegen, indem sie häufig ihren Platz mit Nachbaratomen tauschen.
Kein Kristall ist perfekt. Auch wenn er noch so rein ist, so ist er trotzdem durchsetzt von Fehlstellen und anderen Unregelmäßigkeiten im Aufbau – das sind beispielsweise freie Plätze in der Gitterstruktur, die normalerweise von einem Atom besetzt sein sollten. Solche unbelegten Gitterplätze zeigen sich auch auf der Oberfläche eines Kristalls. Wissenschaftler nahmen bereits an, dass diese Lücken auf der Oberfläche des Festkörpers wandern – also den Platz mit einem Nachbaratom im Gitter tauschen. Allerdings fiel es bislang schwer, diese Bewegung sichtbar zu machen.

Nun gelang es Raoul van Gastel und seinen Kollegen von der University of Leiden, die Bewegung der Leerstellen in einem Kupferkristall zu messen. Die Wissenschaftler nutzten dafür ein herkömmliches Rastertunnelmikroskop. Allerdings konzentrierten sie sich nicht direkt auf die wandernden Löcher; das wäre eine hoffnungsloses Unterfangen gewesen, da sie sich offenbar sehr schnell bewegen. Mit derart rasanter Geschwindigkeit kann ein Rastertunnelmikroskop nicht mithalten, es braucht teilweise mehrere Minuten, um ein Bild aufzunehmen. Die Forscher beobachteten stattdessen Indium-Atome, die im Kupfergitter eingebettet waren. Zwischen zwei Aufnahmen vollführten diese Atome große Sprünge im Gitter, indem sie mehrfachen den Platz mit Löchern tauschten. Aus der Bahn der Indium-Atome konnten die Physiker schließlich auf die Bewegung der Leerstellen schließen.

Es stellte sich heraus, dass die Löcher erstaunlich beweglich sind – Atom-Loch-Paare tauschen bei Raumtemperatur offenbar rund hundert Millionen Mal in der Sekunde den Platz. Die Entdeckung ist durchaus bedeutsam für die Halbleiterindustrie und generell für jegliche Technik, die auf winzige Oberflächenstrukturen setzt – denn diese können durch die Bewegung zerstört werden.

In Zukunft wollen die Forscher bewusst Fehlstellen in das Kristallgitter einbringen, indem sie einzelne Atome einer gekühlten Oberfläche herauspicken. Die Lücken sollten sich bei tiefen Temperaturen langsamer bewegen, sodass vielleicht auch direkte Aufnahmen mit dem Rastertunnelmikroskop möglich werden.

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