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Verhaltensforschung: Auch einsame Schildkrötenbabys bevorzugen Gesichter

Obwohl sie allein aufwachsen, wenden sich Jungschildkröten ähnlich wie Menschenbabys bevorzugt Gesichtern zu. Das wirft ein neues Licht auf die Ursachen dieser Vorliebe.
Schildkröte schlüpft aus Ei

Ob Affe, Haushuhn oder Mensch: Bei Spezies, die sich intensiv um ihren Nachwuchs kümmern, wenden Babys sich schon früh bevorzugt Gesichtern zu. Aber auch junge Schildkröten scheinen eine angeborene Gesichtspräferenz zu besitzen – und das, obwohl sie im Gegensatz zu den oben genannten Tieren von Beginn an auf sich selbst gestellt sind. Das berichten Wissenschaftler um Elisabetta Versace von der Queen Mary University of London nun im Fachmagazin »PNAS«.

Die Forscher führten Experimente mit Landschildkröten der Gattung Testudo durch. Die Tiere betreiben keine Brutpflege: Nach der Paarung graben die weiblichen Schildkröten Nisthöhlen im Boden, wo sie ihre Eier ablegen und dann mehr oder weniger sich selbst überlassen. Die Jungschildkröten sind nach dem Schlüpfen körperlich bereits voll entwickelt und können eigenständig leben. Und auch sonst suchen sie nur selten Kontakt zu Artgenossen.

Um zu testen, wie sich das auf ihre Vorliebe für Gesichter auswirkt, konfrontierten Versace und ihr Team 136 frisch geschlüpfte Schildkröten mit gesichtsähnlichen Stimuli. Obwohl die Tiere zu diesem Zeitpunkt noch in kein Antlitz – sei es von Mensch oder Schildkröte – geblickt hatten, wandten sie sich eher Punktmustern zu, die an Gesichter erinnerten: mit zwei Punkten oben für die Augen und einem Punkt unten in der Mitte für Mund oder Nase.

Die Forscher schlussfolgern daraus, dass die angeborene Präferenz für Gesichter, die auch menschliche Babys besitzen, nicht zwingend etwas mit Brutpflege zu tun hat. Die Tatsache, dass sogar Schildkröten, die als Einzelgänger unterwegs sind, sie zeigen, spreche vielmehr für einen grundlegenderen evolutionären Mechanismus, der sich bereits bei den gemeinsamen Vorfahren von Säugetieren, Vögeln und Reptilien vor mehr als 300 Millionen Jahren herausgebildet haben müsse. Womöglich helfe die Spezialisierung auf Gesichter den Tieren, Informationen über ihre Umwelt zu sammeln. So verrate die Präsenz von anderen Lebewesen zum Beispiel etwas über die Verfügbarkeit von Ressourcen.

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