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News: Auch gebrochene Herzen können heilen

Der Herzmuskel ist so spezialisiert, daß Wissenschaftler bisher angenommen haben, seine hochdifferenzierten Zellen hätten ihre Reproduktionsfähigkeit verloren. Jetzt allerdings wurden erstmals Herzmuskelzellen beobachtet, die sich gerade teilen. Ließe sich nun herausfinden, was genau diese Vermehrung auslöst, könnten so die natürlichen Heilungsprozesse unterstützt werden, die man aus geschädigten Herzen kennt.
Normalerweise teilen sich spezialisierte Zellen, wie sie in Muskeln vorkommen, nicht mehr. Müssen sie ersetzt werden, übernehmen undifferenzierte Stammzellen diese Aufgabe und ergänzen die verbrauchten Zellen. Omnipotente Stammzellen, die verschlissene Herzzellen wieder ersetzen können, hat allerdings noch niemand gefunden. Seit Jahren suchten Pathologen vergebens Beweise dafür, daß sich Herzzellen auch nach der Säuglingszeit noch vermehren.

Lehrbüchern zufolge stellen Herzmuskelzellen kurz nach der Geburt die Reproduktion ein. Piero Anversa vom New York Medical College allerdings war schon immer skeptisch. Vorausgesetzt das menschliche Herz schlägt etwa 70mal pro Minute, meint er, müßten die Zellen unsterblich sein, um Jahrzehntelang ohne Mitosen zu überleben. Zudem fänden sich in kranken Herzen im allgemeinen mehr Zellen als in gesunden. Deshalb begannen Anversa und seine Mitarbeiter mit einer systematischen Suche nach Beweisen für die Reproduktionsfähigkeit von Herzzellen. Ihre Untersuchung veröffentlichten sie in den Proceedings of the National Academy of Science vom 21. Juli 1998 (Abstract).

Das Team untersuchte 27 kranke Herzen von Transplantationspatienten und neun gesunde Herzen aus Autopsien. Die Wissenschaftler färbten die DNA in Teilen des Herzens an. Dann zählten sie unter dem Mikroskop die Anzahl der Zellen, die gerade eine Mitose durchmachten, als das Organ konserviert wurde. In normalen Herzen teilten sich von einer Million Zellen 15, in geschädigten Herzen 150. Die Wissenschaftler vermuten, daß geschädigte Herzen die Produktion eines molekularen Signals zur Reproduktion ankurbeln, um die toten Zellen zu ersetzen. Ist eine Krankheit allerdings zu schwer, kann die Teilungsrate nicht mit der Absterberate Schritt halten, und das Herz nimmt Schaden, wie Anversa spekuliert.

Allerdings hat er nicht jeden überzeugt. Loren Field, Molekularbiologe am Indiana University Medical Center bemerkt dazu, daß wiederholt Versuche fehlgeschlagen seien, die Vermehrung von Herzzellen bei Versuchstieren anzuregen. Außerdem könnten mikroskopische Bilder schwierig zu interpretieren sein. Falls die Beobachtung allerdings bestätigt werden kann, müsse als nächster Schritt das chemische Signal entschlüsselt werden, das die Teilungen anregt. Dann bestünde die Hoffnung auf eine medikamentöse Therapie, die Herzen ermutigen kann, sich selbst zu heilen.

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