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Verhalten: Auch junge Affenmännchen werden eher kriminell

Im Uluwatu-Tempel auf Bali ziehen Javaneraffen marodierend umher und beklauen Touristen. Die Beute wird nur gegen Lösegeld freigegeben. Wie kam es zu diesem Verhalten?
Javaneraffe mit geklauter Sonnenbrille

Unter Kriminologen ist es gesicherte Erkenntnis, dass junge Männer überdurchschnittlich oft kriminell werden – weil sie noch impulsiver sind und Grenzen austesten wollen als ältere Generationen. Doch mit diesem Verhalten sind sie nicht allein, wie eine Studie an Javaneraffen in der balinesischen Tempelanlage Uluwatu zeigt. Dort treiben seit Jahren marodierende Makakenbanden ihr Unwesen und berauben Touristen ihrer Habseligkeiten. Vor allem Brillen, aber auch Fotoapparate oder Hüte stehen im Zentrum der Delikte. Erst wenn die Tiere von Tempelwächtern mit Futter bestochen werden, rücken sie mit der Hehlerware wieder heraus. Welche grundlegenden Muster es dabei gibt, warum dieses Verhalten sich so rasant ausbreitet und wer vor allem an den Diebeszügen beteiligt ist, diskutierten Biologen um Fany Brotcorne von der Universität Lüttich in der Fachzeitschrift "Primates".

Vier Monate verbrachten die Wissenschaftler in der Tempelanlage, die zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten der indonesischen Insel gehört, und beobachteten, wie die Affen klauten und anschließend dealten. Insgesamt bemerkten sie etwas mehr als 200 Diebstähle, die von den vier Makakenverbänden im Heiligtum verübt wurden. Zwei der Verbände verbrachten deutlich mehr Zeit in der Nähe der Touristen als ihre Artgenossen – und ihre Mitglieder erwiesen sich in der Folge kleptomanischer und sicherer im Zugriff als die Affen, die seltener in den am stärksten von Besuchern frequentierten Gebieten auftauchten. Einen starken Zusammenhang gab es zudem zwischen der Zahl der jungen Männchen in einer Gruppe und einer erhöhten Zahl an Diebstählen: Der männliche Nachwuchs klaute deutlich häufiger als der weibliche.

Die Makaken lernten dieses Verhalten von älteren Verwandten und gaben es dann selbst an ihren Nachwuchs weiter. "Unsere Ergebnisse deuten an, dass Diebstahl und anschließender Tausch eine neue Verhaltenstradition sein können, die zumindest von einigen Gruppenmitgliedern über mehrere Generationen weitergegeben werden kann", fassen die Forscher zusammen. Dafür spricht auch eine weitere Beobachtung: Während des ersten Studienaufenthalts 2010 bemerkten Brotcorne und Co, dass eine fünfte Affenfamilie im Umfeld der Tempel auftauchte, die zuvor keinen näheren Kontakt zu Menschen hatte. Als die Wissenschaftler einige Jahre später nach Uluwatu zurückkehrten, hatten auch deren Mitglieder kleptomanische Züge entwickelt.

© Jean-Baptiste Leca
Langes Verhalten mit diebischem Affen

Erstaunlicherweise hat sich dieses Verhalten in diesem Ausmaß bislang nur in Uluwatu entwickelt, obwohl Javaneraffen und Menschen auch an anderen Sehenswürdigkeiten Balis in engen Kontakt kommen – etwa im Ubud-Affenwald im Zentrum der Insel. Womöglich gab es dort aber bislang nicht so viele wohlmeinende Tempelwächter, die im Fall eines Diebstahls mit Futter die Herausgabe belohnten. Die Affen lernten daher nicht, dass sich Verbrechen lohnen können. In Uluwatu hingegen lassen sie sich nicht mehr mit jedem Lösegeld überreden: Videos zeigen, dass sie sich teilweise erst nach verschiedenen dargereichten Futterangeboten auf einen Deal einließen. Gleichzeitig profitieren aber ebenso die Tempelwächter, denn nach erfolgreichen Verhandlungen bitten sie die Touristen um ein Trinkgeld. Es ist aber noch nicht geklärt, ob Anstiftung das Verhalten überhaupt erst ausgelöst oder später gefördert hat.

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