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Materialwissenschaften: Auf Biegen und Brechen

Schrumpfende Computerchips verlangen nach immer kleineren Komponenten - umso wichtiger ist es deshalb, die eingesetzten Materialien den neuen Maßstäben anzupassen. Möglicherweise stoßen Materialwissenschaftler dabei aber schon bald an die Grenzen des Machbaren.
Verformung eines Drahtes
Büroklammern sind wahrlich keine Bewegungskünstler: Einmal zu fest an ihnen gezogen, geraten sie sofort außer Form – und lassen sich ohne weiteres auch nicht mehr zurechtbiegen. Wird dagegen nur leicht am Draht gezupft, schnappt er umso entschiedener wieder in seine ursprüngliche Stellung zurück.

Außer Form | In dieser zeitlichen Abfolge wird das Biegen eines Drahtes mit verschiedenen Durchmessern simuliert (von oben links nach unten rechts nimmt der Durchmesser jeweils um eine Größenordnung von 100 Mikrometern auf 0.1 Mikrometer ab). Mit abnehmenden Durchmesser geraten die Verformungen des Drahtes außer Kontrolle.
Die von außen einwirkenden Einflüsse provozieren ein Kräftemessen im Inneren der Büroklammer, wo die einzelnen Bausteine, die Atome, in einem dreidimensionalen Gitter fest angeordnet sind. Werden die äußeren Kräfte zu mächtig, sprengen sie diese Bindungen auf – das Metall verändert seine Form. Doch die vermeintlich wehrlose Büroklammer hält dagegen und mobilisiert selbst alle verfügbaren Kräfte, um ihre ursprüngliche Form zu erhalten.

Während dieses – zugegeben ungerechten – Wettstreits biegen sich die Bindungen zwischen den Atomen bis zu ihrer Elastizitätsgrenze – wird diese überschritten, brechen sie an einigen Stellen abrupt auf. Dort lässt sich der Draht fortan fast nach Belieben verändern.

Um Metalle zurechtzubiegen, nutzen auch Materialwissenschaftler diesen Effekt. Dazu lösen sie gezielt die Bindungen zwischen den einzelnen Bausteinen, sodass sich die Atome benachbarten Ebenen anschließen. Indem sie äußere Kräfte auf das Material einwirken lassen, produzieren Forscher gezielt solche Fehler im fein justierten Gitter des Kristalls, so genannte Versetzungen.

Ob dies allerdings auch bei Metallen in sehr kleinen Maßstäben gelingt, ist ungewiss. Denn die Untersuchung solider Festkörper erwies sich in der Vergangenheit als äußerst komplex. Berücksichtigt werden muss unter anderem die Vorgeschichte des Metalls, falls dieses zuvor bereits über seine Elastizitätsgrenze hinaus verbogen wurde: Einmal provozierte Versetzungen bleiben schließlich erhalten, sodass sich das Material verfestigt. Zur weiteren Verarbeitung bedarf es daher einer größeren Spannung.

Trotz solcher Schwierigkeiten konnten Wissenschaftler um Michael Zaiser von der Universität Edinburgh nun zeigen, dass bei der Bearbeitung von Metallen in kleineren Formaten die gleichen Effekte greifen. Sie entwickelten ein Computermodell, mit dem sie das Biegen von Drähten aus Aluminium im Mikromaßstab berechneten. Dazu simulierten sie die Veränderungen der Versetzungen im kristallinen Gitter des Metalls, wenn dieses durch äußere Krafteinwirkungen unter Spannung steht.

Dabei zeigte sich allerdings, dass Versetzungen immer schwieriger nach Wunsch manipuliert werden können, je kleiner der Draht ist. Wie die Simulationen der Forscher zeigen, kann bei einem Draht mit einem Durchmesser kleiner als 0,1 Mikrometer nicht mehr genug Spannung aufgebaut werden, um das Gitter gezielt zu sprengen und das Metall damit in die gewünschte Form zu biegen – stattdessen gerät es außer Kontrolle und nimmt eine zufällige Form an. Einfache Büroklammern sind davon natürlich nicht betroffen – die Herstellung immer winzigerer Drähte wird diese Unberechenbarkeit aber womöglich erschweren.

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