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Neurobiologie: Auf das Timing kommt es an

Wenn der Arzt zur Spritze greift, wird es dem Patienten oft flau im Magen - denn er weiß aus Erfahrung, dass es gleich piekst. Vielleicht sollte der Arzt ihm die Spritze demnächst nur noch nach der Injektion zeigen?
"Januskopf" einer Fliege
Würden Sie auf eine heiße Herdplatte greifen? Sicherlich nicht, denn Sie wissen, dass Sie sich daran verbrennen werden. Wie sich das anfühlt, haben Sie wahrscheinlich schon schmerzhaft erfahren – und haben daraus gelernt. Ihr Gehirn hat die Aktion, die dem Schmerz vorausging, als bedrohlich abgespeichert und warnt Sie nun, wenn sie wieder einmal dem Herd zu Nahe kommen sollten.

Auch Tiere können durch solche Erlebnisse lernen. Schon lange ist bekannt, dass Schmerzen mit den Sinneswahrnehmungen in Verbindung gesetzt werden, die ihnen unmittelbar vorangegangen sind. So stellten auch Hiromu Tanimoto und seine Kollegen von der Universität Würzburg fest, dass Taufliegen (Drosophila melanogaster) einen Duft meiden, dem sie zuvor stets unmittelbar vor einem Elektroschock ausgesetzt waren. Je schneller der Schock auf den Geruch folgte, desto intensiver war die antrainierte Abneigung der Insekten – sie empfanden den Duft als Bedrohung. Aber wie erinnern sie sich an Dinge, die sie nach dem Elektroschock wahrnahmen?

Frontale Ansicht eines Fliegenhirns | In der Schematischen Darstellung sind die Zentren der Duftverarbeitung blau, die Sehregionen rot und ein motorisches Zentrum grün eingefärbt. Die sogenannten Pilzkörper, der Ort der Duftgedächtnisse, sind braun getönt.
Um das herauszubekommen änderten die Forscher für eine andere Gruppe von Taufliegen die experimentelle Reihenfolge: Sie versetzten den Fliegen zuerst einen Elektroschock und ließen sie erst unmittelbar danach einen bestimmten Duft schnuppern. Auch bei diesem Experiment erinnerten sich viele der Insekten an den Geruch – allerdings suchten sie ihn nun, anstatt ihn zu meiden. Offenbar verbanden sie ihn mit dem angenehmen Gefühl des nachlassenden Schmerzes, und wähnten sich in seiner Nähe in Sicherheit.

Es ist also denkbar, dass jedes Schockerlebnis zwei verschiedene Gedächtnisse erzeugt: Alle dem Ereignis vorangehenden Sinneseindrücke werden als unangenehm abgespeichert, alle nachfolgenden als angenehm. Der genaue Ablauf der Ereignisse entscheidet daher, ob sich ein Schock strafend oder belohnend in der Erinnerung auswirkt. Welche Prozesse dabei auf neuronaler Ebene eine Rolle spielen, wollen die Forscher als nächstes untersuchen. Sie erhoffen sich Erkenntnisse, die – wenn sie sich auf den Menschen übertragen lassen – eventuell auch einmal Trauma-Patienten zugute kommen könnten.

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