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Ingenieurwesen: Auf dem Schlitten in die Verbotene Stadt

Kaiserpalast

Er wiegt über 300 Tonnen und kam im Winter per Frachtschlitten nach Peking: ein riesiger Stein mit Schnittdekor, der den historischen Kaiserpalast schmückt. Überlieferungen zufolge schufen Arbeiter eine Eisbahn, indem sie entlang des Weges Brunnen gruben und das Wasser vor dem Koloss ausschütteten, wo es gefror. Forscher um Jiang Li von der University of Science and Technology in Peking bestätigten nun in einer technischen Analyse an einem ähnlichen, auch historischen Transport, dass die Ingenieure damals tatsächlich die günstigste Fortbewegung wählten.

Kaiserpalast | Das Steinmonument am Kaiserpalast der Verbotenen Stadt wurde als 300 Tonnen schweres Felsstück auf Schlitten transportiert. Eine technische Analyse zeigt, dass die damaligen Ingenieure so die natürlichen Gegebenheiten optimal ausnutzten.

Die Forscher hatten in einem 500 Jahre alten Dokument den Hinweis gefunden, dass 1557 ein Stein von etwa 123 Tonnen in vier Wochen über 70 Kilometer Distanz mit einem Schlitten in die Verbotene Stadt transportiert worden war – sie fanden sogar eine Karte, in der der Weg vom Steinbruch zum Ziel verzeichnet war. Doch warum ein Schlitten und kein Vehikel mit Rädern, für das weit weniger Arbeiter nötig gewesen wären? Schließlich sei der Einsatz von vielen Helfern in China unüblich gewesen, so die Forscher.

Die Frage nach den Vorteilen des Schlittens gegenüber einem Wagen ist ihrer Ansicht nach schnell geklärt: Die Ladekapazität lag zu dieser Zeit bei maximal 95 Tonnen, so die Wissenschaftler. Außerdem sei der Zustand des Transportweges (Unebenheiten, Kurven) bei Wagen von größerer Bedeutung als bei Schlitten. Das gelte auch für die ebenfalls mögliche Alternative, den Felsblock über rollende Baumstämme ans Ziel zu bringen, wie es beispielsweise in Ägypten üblich war.

Ein weiterer Aspekt ist der Reibungswiderstand, denn Li und seine Kollegen für verschiedene historische und heutige Transporte ermittelten. Entscheidend sei der Einsatz eines Schmiermittels gewesen – so wie einst Öl bei einem 14-Tonnen-Stein in Japan, der von 36 Arbeitern über Rollhölzer auf einer schlammigen Straße gezogen wurde, oder Wasser auf Holzbalken, wie etwa 1880 v. Chr. in Ägypten. Die klimatischen Winterbedingungen in China machten jedoch eine Eisstraße möglich – die durchschnittlichen Januartemperaturen lagen damals bei -3,7 Grad Celsius. Erst ein Wasserfilm senkte jedoch den Reibungswiderstand so weit, dass womöglich nicht einmal 50 Arbeiter nötig waren, um den Schlitten gen Peking zu ziehen. Ohne Wasserfilm wären über 300 Helfer nötig gewesen, errechneten die Forscher. Bei noch niedrigeren Temperaturen hätte das Wasserfilmprinzip allerdings nicht funktioniert: Er wäre zu schnell gefroren. So aber reichte die Zeit gerade aus, um den mit etwa acht Zentimetern pro Sekunde gleitenden Schlitten (errechnet aus der Distanz und der dafür benötigten Zeit) über das frisch ausgeschüttete Wasser zu ziehen.

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  • Quellen
Proc. Natl. Acad. Sci. 10.1073/pnas.1309319110, 2013

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