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News: Auf der Flucht vor dem Zucker

Auf der Flucht vor dem Zucker landen viele Diabetiker offenbar beim Fett - dies jedenfalls ergab eine an der Universität Ulm durchgeführte Studie über das Ernährungsverhalten von 40jährigen und älteren Diabetikern in Deutschland.
Etwa einer unter zwanzig Deutschen leidet an Diabetes, die überwiegende Mehrheit von ihnen (ca. 90%) am Typ II, dem Altersdiabetes. Grundlage der Therapie und Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz von Medikamenten ist vor allem die richtige Ernährung, entsprechend den auch für Nicht-Diabetiker geltenden Empfehlungen einschlägiger Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Die Wissenschaftler haben den Ernährungsgewohnheiten erwachsener Diabetiker bisher kaum Beachtung geschenkt.

Dr. Friederike Bischof von der Universität Ulm hat nun im Rahmen der „Nationalen Verzehrsstudie“, einer repräsentativen ernährungsepidemiologischen Studie auf der Grundlage eines 7-Tage-Ernährungsprotokolls und eines umfangreichen Fragebogens zu Ernährungsgewohnheiten und Gesundheitsbewußtsein, Einstellungen und Ernährungsweise von (Typ-II-)Diabetikern über vierzig mit denen ihrer nicht-diabetischen Altersgenossen und mit den offiziellen Empfehlungen verglichen.

Insgesamt 5.343 über Vierzigjährige fanden sich in ihrer Stichprobe und unter diesen 383 (=7,2%) Diabetiker – 28 mit Insulin, 99 mit oralen Antidiabetika, 69 ausschliesslich mit Diät und 187 ueberhaupt nicht behandelte. Allgemein präsentierten sie sich in einem schlechteren Gesundheitszustand als die Nicht-Diabetiker,immerhin genießt aber die Hälfte von ihnen den Vorzug sorgfältiger ärztlicher Überwachung und fachmännischer Beratung bezüglich Lebensweise und Ernährung. Trotzdem halten nur 38% der erfaßten Diabetiker Diät, eingerechnet jene, die ausschließlich diätetisch behandelt werden. Bischof vermutet, daß sich unter den medikamentös Therapierten ein beträchtlicher Teil in der trügerischen Sicherheit wiegt, mit der pharmazeutischen Versorgung sei das Stoffwechselproblem gelöst.

Gemessen an den Nährstoffempfehlungen der Fachgesellschaften unterscheidet sich der Speisezettel des Diabetikers kaum von dem des Nichtdiabetikers. In puncto Energieaufnahme, Verzehr von gesättigten Fettsäuren und Kochsalz schneiden Diabetiker sogar ungünstiger ab: Nur 13% von ihnen halten sich an die Empfehlung, höchstens 35% ihres Gesamtenergiebedarfs mit Fett zu decken; der Richtwert von 10% für den Kalorienanteil gesättigter Fettsäuren wurde von fast allen Patienten überschritten. Hinsichtlich der Cholesterinaufnahme gleichen Diabetiker dem Durchschnitt, ihre Versorgung mit Ballaststoffen und Vitaminen ist – wie übrigens auch in der Gesamtbevölkerung – unbefriedigend. Verzehrt werden dagegen viel tierische Kost und Kochsalz, obwohl gerade Diabetiker hier angesichts ihrer (drohenden oder manifesten) Begleitkrankheiten allen Grund zur Zurückhaltung hätten.

Komplex gemieden

Als folgenschweres Mißverständnis erweist sich der landläufige Fehlschluß: „Zucker ist schädlich. Zucker besteht aus Kohlenhydraten. Also sind Kohlenhydrate schädlich.“ Vermeintlich weisungsgemäß verzehren viele Betroffene darum nicht nur weniger Süßigkeiten, Honig und Weißbrot als Quellen der insulinkritischen Einfach-Kohlenhydrate, sondern meiden auch stärke-, also komplex-kohlenhydratreiche Nahrungsmittel wie Nudeln und Vollkornbrot – mit der Folge, daß es kaum einem Diabetes-Patienten gelingt, seinen Energiebedarf zur Hälfte aus diesen komplexen Kohlenhydraten zu decken, wie es ernährungsphysiologisch sinnvoll wäre. Die Ursache der meisten dieser Fehler sieht Bischof in mangelndem Detailwissen ueber die ernährungsphysiologischen Grundlagen. Die einschlägigen Schulungen speziell für Diabetiker werden offenbar den Anforderungen nicht vollständig gerecht.

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