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News: Auf der Spur des Riechens

Das Riechen chemischer Substanzen spielt im Tierreich und beim Menschen eine immense Rolle. Dennoch ist über die molekularen Grundlagen wenig bekannt. Erst jetzt gelang es Biologen, den Rezeptor für einen bestimmten Duftstoff zu finden und dessen Spezifität nachzuweisen.
Ein Team von Molekularbiologen der Columbia University hat unter Leitung von Stuart Firestein in den Membranen von Nervenzellen in der Nasenhöhle Proteine entdeckt, die als Rezeptoren Moleküle aus der Luft binden (Science vom 9. Januar 1998). Dadurch wird eine Reaktionskaskade ausgelöst, die schließlich im Gehirn eine Geruchsempfindung hervorruft. Das erste Aroma, dessen Entstehung die Wissenschaftler so verfolgen konnten, war der Geruch von Fleisch.

„Ich glaube, dieses Experiment wird sich als eine Art Stein von Rosetta im Gebiet des Riechens herausstellen. Jetzt können wir Geruchsstoffe mit Rezeptoren verbinden und diese schwer faßbare Sinneswahrnehmung endlich entschlüsseln“, so Darcy Kelley, Professorin für Biowissenschaften an der Columbia University in einem Interview.

1991 entdeckten Wissenschaftler sowohl die Familie der transmembranen Proteine, die sie für Geruchsrezeptoren hielten, als auch einige der Gene, welche für diese Proteine codieren. Insgesamt fanden sie fast 1.000 Rezeptoren – eine Anzahl, die beim Menschen nur von den Rezeptoren im Immunsystem übertroffen wird. Indes konnten die Forscher keinen einzigen Rezeptor mit einem bestimmten Geruch verbinden, bis Professor Firesteins Team von seinen Forschungsergebnissen berichtete.

Wenn der Mensch 1000 Geruchsrezeptoren produzieren kann, muß er hierfür auch 1000 Gene besitzen. Das wären zwischen einem und zwei Prozent der 50000 bis 100000 im menschlichen Genom vermuteten Gene. „Für eine einzige Form der Sinneswahrnehmung ist das eine gewaltige Zahl“, meinte Firestein. „Nun würden wir gerne wissen, warum der Geruchssinn so wichtig ist, daß ein ganzes Hundertstel des gesamten Genoms für ihn vorgesehen ist.“

Die Nervenzellen im Epithelium, einem empfindlichen Gewebe, das die Nasenhöhle auskleidet, können ein außergewöhnlich großes Repertoire von Reizen erkennen und darauf reagieren: über 10000 chemische Gerüche. Diese Glanzleistung gelingt ihnen zumindest teilweise durch ihre zahlreichen schleimbedeckten Fasern, welche die Rezeptoren beherbergen.

Firestein entwickelte eine leistungsfähige Methode, um das Geheimnis des Riechens zu entschlüsseln. Die Idee ist ganz einfach: Wenn eine ausreichend große Menge von Geruchsneuronen gezwungen würde, einen bestimmten Rezeptor zu produzieren, dann würde der Geruch, der diesen Rezeptor aktiviert, eine viel intensivere Reaktion als sonst üblich auslösen, die sich dann leicht messen ließe.

Das Team fügte daher zwei gekoppelte Gene in einen deaktivierten Adenovirus ein – den gleichen Virus, der Erkältungen hervorruft. Das eine Gen codiert für den Geruchsrezeptor ratI7 von Ratten und das andere für das grün fluoreszierende Protein (GFP). GFP findet man gewöhnlich in fluoreszierenden Quallen, mittlerweile benutzen es Molekularbiologen, um genetisch veränderte Zellen zu markieren.
Das modifizierte Adenovirus wurde in die Geruchsnerven von Ratten gebracht. Etwa zwei Prozent der Neuronen nahmen die neuen Gene auf. ratI7-tragende Zellen besaßen auch das GFP-Gen und waren daher leicht erkennbar: Im blauen Licht leuchteten sie hellgrün.

Die Forscher besprühten Nervenzellen von Ratten mit jeweils einem von 74 unterschiedlichen Gerüchen. Die Zellen enthielten einen bestimmten Geruchsrezeptor, der vorher eingefügt worden war. Der erste Geruch, den die Wissenschaftler einem Rezeptor zuordnen konnten, war jener von Octanal, einem Aldehyd, das für Menschen den Geruch von Fleisch verkörpert.

Zhao zeichnete die elektrische Aktivität der Neuronen auf, und es entstand so eine Tabelle. Die Aktivität war am höchsten, wenn die Nervenzellen Octanal ausgesetzt waren. Verwandte Substanzen mit einem Gras- oder Fruchtgeruch bewirkten in den modifizierten Nervenzellen jedoch nichts. Auch einzelne Geruchsnerven reagierten selektiv auf Octanal, wodurch bestätigt wurde, daß das ratI7-Protein auf die Chemikalie reagiert.

Von allen menschlichen Sinnen verstehen wir den Geruch bisher am wenigsten. Die neue Entdeckung könnte daher helfen, viele Fragen zu beantworten. Reagieren ähnliche Rezeptoren auf Gerüche derselben chemischen Klasse, oder hat die Gensequenz mit der Chemie der Gerüche nichts zu tun? Erkennen individuelle Rezeptoren mehrere Geruchsstoffe, oder haben einzelne Neuronen multiple Rezeptoren? Und wie nutzt das Hirn diesen gewaltigen genetischen Fundus, um Geruchswahrnehmungen zu bilden und wiederzuerkennen?

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