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Eisformen: Auf Europa thront riesiger Büßerschnee

Sie erinnern an Sünder im Büßergewand: spitze Eiszacken, die zu Hunderten aus Eis- und Schneefeldern aufragen können. Büßerschnee gibt es jedoch nicht nur auf der Erde.
Büßerschnee wie dieser aus dem südamerikanischen Hochland findet sich auch auf Pluto

Vielleicht bemerkten spanische Konquistadoren als erste Europäer Büßereis, als sie Südamerika eroberten und in den trockenen Höhenlagen der Anden auf diese Formation stießen: Die Zacken ähneln weiß gekleideten Büßern in Prozessionen während der vorösterlichen heiligen Woche Spaniens. Bis zu sechs Meter hoch können die Skulpturen des so genannten Büßerschnees werden, deren Entstehung bis heute nicht völlig geklärt ist. Auf der Erde bilden sich die markanten Eiszacken in alten Eisfeldern trockener Hochgebirge mit starker Einstrahlung, wo das Eis nicht zu Wasser schmilzt, sondern gleich verdunstet. Dieser Prozess findet in den vorhandenen Mulden stärker statt, weil hier die einfallende Strahlung mehrfach hin und her reflektiert und verstärkt in Wärme umgewandelt wird. Die kleinen Spitzen werfen sie dagegen direkt in die Umgebung zurück, weshalb diese Bereiche gar nicht oder nur wenig abschmelzen. Mittlerweile weiß man, dass es auch außerhalb der Erde Büßereis gibt, etwa auf Pluto, wo sich im Methaneis mehrere hundert Meter hohe Zacken entwickeln konnten. Und nun legen Daniel Hobley von der Cardiff University und sein Team Daten in »Nature Geoscience« vor, denen zufolge es auch auf dem Jupitermond Europa zumindest in Äquatornähe zackig zugehen könnte.

Der von einer dicken Eisschicht bedeckte Trabant ist von Furchen durchzogen und weist einige Erhebungen auf. Doch sind bisherige Bildaufnahmen Europas nicht so gut aufgelöst, dass kleinere Strukturen erkennbar sind. Hobley und Co berechneten daher anhand bekannter Temperatur- und Einstrahlungswerte, ob die klimatischen Bedingungen ausreichen könnten, damit sich Büßereis entwickelt. In einem breiten Streifen zwischen 23 Grad Nord und Süd wäre es demnach tatsächlich möglich, dass sich Eissäulen entwickeln. Hier übersteigt die Sublimation – also die direkte Verdunstung aus dem Eis – die Erosion durch andere Prozesse der Weltraumverwitterung wie thermischen Stress. Ähnlich wie auf der Erde ist die Verdunstung in den Tälchen größer als auf den Spitzen, weshalb sich hohe Zacken herausmodellieren können. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass das Büßereis an optimalen Stellen bis zu 15 Meter hoch werden kann und die Zacken maximal 7,5 Meter voneinander entfernt stehen.

Gegenwärtig ist zwar keine Landung auf Europa konkret geplant; die Europa Jupiter System Mission / Laplace Mission soll den Jupitermond nur aus dem Orbit beobachten. Nachfolgende Expeditionen müssten das Büßereis jedoch ins Kalkül ziehen, mahnen die Forscher: Die Spitzen können Landungen in der Äquatornähe erschweren oder sogar unmöglich machen, weil sicheres Aufsetzen kaum zu gewährleisten ist.

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