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News: Auf fast natürlichem Wege

Wenn man menschliche Zellen im Labor züchten möchte - was liegt da näher, als jenes Organ nachzubilden, das in unserem Körper die gewünschten Zellen produziert. Dies dachten sich auch amerikanische Wissenschaftler und schufen eine künstliche Thymusdrüse, die beständig T-Zellen erzeugt. Das Verfahren könnte helfen, Teile eines durch Infektionen oder Chemotherapie beschädigten Immunsystems zu ersetzen.
Die heute gängigen Methoden, T-Zellen zu produzieren, sind zumeist schwerfällig, langwierig und mit einer geringen Ausbeute beschieden. Um die in der Immunabwehr ungemein wichtigen Lymphocyten zu erzeugen, vermehrt man bisher Zellen, die bereits auf das T-Zell-Schicksal festgelegt sind. Mediziner konnten diese zwar zu fertigen Lymphocyten ausbilden, ihnen aber keine neuen Spezifitäten oder "Feindbilder" anerziehen.

Doch genau diese Prägung auf ein bestimmtes Antigen von angreifenden Mikroorganismen oder entarteten Körperzellen wollten Mark Pozansky und seine Kollegen vom Massachusetts General Hospital in Boston erreichen. Da sie annahmen, dass die räumliche Struktur des Thymus – in dem die T-Lymphocyten aus Vorläuferzellen heranreifen – eine wichtige Rolle bei deren Entwicklung spielt, schufen sie ein dreidimensionales Abbild dieses Organs. Sie hofften, dass durch die somit gewährleisteten Zell-Zell-Kontakte der Reifungsprozess der Vorläufer unter natürlichen Bedingungen nachempfunden wird (Nature Biotechnology vom Juli 2000).

Die Grundlage ihres künstlichen Organs bildet CellFoam, eine biokompatible, poröse, metallüberzogene Kohlenstoff-Substanz, die oft zur Behandlung von beschädigten Knochen verwendet wird. Auf diesem Grundgerüst siedelten die Wissenschaftler Thymusgewebe, in das sie schließlich aus dem Knochenmark stammende Lymphocyten-Vorläuferzellen fügten. Schon nach zwei Wochen produzierten diese Zellen reife T-Lymphocyten – und das nicht nur in großen Mengen, sondern auch mit einem ausgesprochen weitem Wirkspektrum.

Indem die Forscher die Struktur und Porendichte der Grundgerüstes variierten, konnten sie bestätigen, dass die Architektur ihres künstlichen Organs entscheidend für die Entwicklung der T-Zellen war. So waren sie zum Beispiel in dreidimensionalen Konstrukten sehr viel effizienter als in einschichtigen Systemen. Obwohl die Versuche zeigen, wie nützlich die Zell-Zell-Interaktionen sind, ist der genaue Mechanismus allerdings noch unklar.

Theoretisch wäre es möglich, den T-Zellen dieses falschen Thymus eine bestimmte Spezifität anzuerziehen, um sie bei Vireninfektionen oder in der Gentherapie einzusetzen. Hierfür müssten die Wissenschaftler die Grundsubstanz mit Gewebe überziehen, das ein bestimmtes Antigen aufweist. Aber bevor diese Wunschvorstellung real wird, müssen die Forscher die komplexe Mikrostruktur des Thymus genauer untersuchen und außerdem einen Weg finden zu erkennen, gegen welches Antigen die gezüchteten Lymphocyten gerichtet sind.

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