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News: Aus der Luft gegriffen

Zwischen der abendlichen Dämmerung und der ersten Dunkelheit verlassen die nachtaktiven Fledermäuse ihren Schlafplatz, um zu jagen. Auf dem Speiseplan der einheimischen Flugsäuger stehen überwiegend Insekten. Doch die Individuen der größten europäischen Art, des Riesenabendseglers, scheinen diese Vorliebe nicht mit ihren Verwandten zu teilen. Statt dessen bevorzugen sie offenbar kleine Vögel, die sie sogar aus der Luft fangen.
Zielsicher spüren Fledermäuse mithilfe der Echoortung ihre Beute auf, die schwerpunktmäßig aus Insekten besteht. In den Tropen existieren ebenfalls Arten, die sich auf andere Nahrungsquellen wie Nektar, Blütenpollen, Früchte oder sogar Vogel- beziehungsweise Säugerblut spezialisiert haben. Und schon seit längerem sind Flugsäuger bekannt, die auch Vögel als Mahlzeit nicht verschmähen. Bisher gingen Forscher davon aus, dass die Flattertiere bei derartigen Jagden nur auf in Bäumen sitzende Beute oder auf Nester abzielen.

Doch weit gefehlt, wie Carlos Ibanez und seine Kollegen von der Universidad de Acalá de Henares in Madrid nun herausfanden. Im Brennpunkt ihrer Untersuchungen stand die äußerst seltene, größte europäische Fledermausart, der Riesenabendsegler (Nyctalus lasiopterus), der in Höhen bis zu 500 Metern jagt – außerhalb der Reichweite von Fledermaus-aufspürenden Mikrofonen. Deshalb vermuteten Forscher, dass die Individuen dieser Art es bei ihren Beutezügen, ähnlich wie die europäischen Verwandten, auf Insekten abgesehen haben.

Um Einzelheiten über die Ernährung der Riesenabendsegler zu erfahren, nahmen die Wissenschaftler um Ibanez nun 14 000 Ausscheidungen der Tiere näher unter die Lupe. Dabei entdeckten sie in den Gewöllen unter den Schlafplätzen der Fledermaus-Kolonien neben Insektenteilen oftmals Federn von einer Vielzahl kleiner Vögel. Wie weitere Analysen ergaben, war der Gehalt an Federn im Frühling und im Herbst am höchsten, also genau dann, wenn die meisten Zugvögel unterwegs sind. Zudem lagen die maximalen Werte in Nord- und Südspanien zwei bis drei Tage auseinander, was das Wandern der Vögel widerspiegelt.

Da Riesenabendsegler nicht tagsüber jagen, wenn sich die Vögel von dem anstrengenden Flug ausruhen, müssen sie ihre Beute nachts während des Fluges orten und aus der Luft greifen. Für diese These spricht ebenfalls, dass die Fledermäuse bestens an das schnelle Fliegen im offenen Gelände angepasst sind. Für ein langsames Manövrieren, das zum Fang eines sitzenden Vogels nötig wäre, sind ihre Flügel gar nicht ausgelegt. Nyctalus lasiopterus ist damit die erste bekannte Art, die von den fliegenden Nahrungsressourcen in der Luft profitiert, doch ist denkbar, dass es dort noch weitere Fälle gibt, wo sich das Verbreitungsgebiet großer Fledermäuse und die Wanderstrecken von Zugvögeln überlappen.

Mit ihrem geringen Körpergewicht um 50 Gramm und ihrer Flügelspannweite von bis zu 60 Zentimetern können die Riesenabendsegler jedoch nur sehr kleine Vögel jagen, vermutet Colin Catto vom UK National Bat Monitoring Programme. Anhand von DNA-Analysen wollen die Forscher um Ibanez nun die Vogelarten identifizieren, welche die Fledermäuse bevorzugt verspeisen. Und mithilfe hochauflösender Radargeräte könnten die nächtlichen Attacken der Flugsäuger auf ihre Opfer sogar verfolgt werden.

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