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News: Aus Eierschalen lesen

Dem mit geübten Auge und moderner Technik ausgestatteten Wissenschaftler verraten Eierschalen mehr als nur die Vogelart, von der sie stammen. Die Analyse der Kohlenstoffisotope zum Beispiel läßt Rückschlüsse auf die Nahrung und damit den vorherrschenden Vegetationstyp des Lebensraumes zu. Vergleicht man nun noch Eierschalen aus unterschiedlichen Perioden in der Geschichte eines Kontinents, so läuft dessen allmähliche Erschließung durch den Menschen vor dem geistigen Auge noch einmal ab. So erzählen Eier des australischen Laufvogels Emu von der Ankunft der Aborigines und europäischer Siedler.
Emus fressen eine Vielzahl verschiedener Pflanzen, die sich durch die Verhältnisse zweier Kohlenstoffisotope unterscheiden lassen. Der Stoffwechsel der Vögel ändert daran nichts, so daß später die Eier das gleiche Verhältnis wiedergeben. Diese Information wurde von Wissenschaftlern als Anhaltspunkt verwendet, um auf das Klima und die Vegetation in der australischen Vergangenheit zu schließen. Beverly J. Johnson und Marilyn L. Fogel vom Geophysical Laboratory der Carnegie Institution in Washington, G. H. Miller von der University of Colorado und andere beschreiben ihre Erkenntnisse in Science vom 14. Mai 1999. Mit Hilfe zeitgenössischer Eierschalenproben stellten die Forscher fest, daß die Verhältnisse der Kohlenstoffisotope schwankten, je nachdem, ob bestimmte Gräser in der Ernährung der Emus enthalten waren.

Die Gräser in Australien lassen sich auf der Basis ihrer photosynthetischen Stoffwechselwege in zwei unterschiedliche Gruppen einteilen. Eine Gruppe fixiert Kohlenstoffdioxid im Verlauf der Photosynthese zunächst in einer Substanz mit drei Kohlenstoffatomen (C3-Pflanzen), während die andere das Gas als erstes in einer Verbindung mit vier Kohlenstoffatomen (C4-Pflanzen) bindet. Die Verteilung der C3- und C4-Gräser über den Kontinent hängt von der Regenzeit ab. C3-Gräser herrschen in Südaustralien vor – dort regnet es im Winter und die Temperaturen sind niedriger. C4-Gräser überwiegen dagegen in Nordaustralien mit Niederschlägen im Sommer und höheren Temperaturen.

Nach Datierung und Untersuchung der versteinerten Eierschalenproben aus dem Lake Eyre Basin in Australien kamen die Forscher zu dem Schluß, daß vor 65 000 bis 45 000 Jahren die C4-Gräser in großen Mengen vorkamen und den Emus für den Verzehr während ihrer Brutzeit zur Verfügung standen. Die vom Monsun aus dem Norden beeinflußte Sommerregenzeit war zu jener Zeit ausgedehnter, so daß die im Sommer gewachsenen C4-Gräser immer noch reichlich wuchsen, als die Emus im Winter ihre Eier legten.

Vor 28 000 bis 15 000 Jahren, während des Höhepunktes der letzten Eiszeit, waren C4-Gräser wegen der kälteren Temperaturen fast vollständig verschwunden. Ihr Bereich hätte sich wieder ausdehnen sollen, als sich die Erde während des Holozäns (vor 10 000 Jahren) wieder erwärmte. Allerdings zeigen Daten aus den Emu-Eierschalen, daß das Ökosystem nicht in den Zustand zurückkehrte, der vor der Ankunft der Menschen herrschte. Das Vorkommen von C4-Gras lag unterhalb des Niveaus, das vor der Eiszeit herrschte. Daraus folgern die Forscher, daß das australische Ökosystem in den letzten 65 000 Jahren von anderen Faktoren als dem Klima wesentlich beeinflußt wurde.

Veränderungen der Vegetation in Nord- und Südost-Australien, verursacht durch häufigere Feuer, stehen vermutlich in ursächlichem Zusammenhang mit der Ankunft der ersten menschlichen Einwanderer vor ungefähr 60 000 Jahren. Der Transfer von Feuchtigkeit aus den Pflanzen und Böden in die Atmosphäre ist ein wichtiger Rückkopplungsmechanismus, der die Wanderung des Monsuns in das Innere des Kontinents unterstützt. Eine veränderte Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften durch die Brandrodungen der ersten Siedler könnte diesen Vorgang gestört und die Niederschlagsmenge im Landesinneren vermindert haben. Darin mag ein Grund für die heutige Trockenheit im Hinterland liegen.

Die Zusammensetzung von Eierschalen aus der Zeit nach Besiedlung des Kontinents durch die Europäer vor ungefähr 150 Jahren deuten auf einen weiteren Verlust an C4-Gräser hin. Diese Veränderungen hängen jedoch nicht so sehr mit dem Klima zusammen. Sie sind eher das Ergebnis von Überweidung durch Haustiere und anderer Aktivitäten im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Menschen.

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