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Beobachtungstipp: Ein Schwarzes Loch erwacht: Amateure beobachten V404 Cygni

Der erste Ausbruch des Doppelsternsystems V404 Cygni seit 26 Jahren war auch in mittleren Teleskopen zu sehen. Amateure sollten wachsam sein: Die Show ist vielleicht noch nicht vorüber.
Klassische Nova

Ein Vierteljahrhundert lag das Schwarze Loch in V404 Cygni im Tiefschlaf, am 15. Juni 2015 erwachte es: Als Erstes registrierte das Burst Alert Telescope (BAT) an Bord des Swift-Satelliten einen heftigen Anstieg der energiereichen Gammastrahlung aus Richtung des rund 8000 Lichtjahre entfernten Objekts. Kurz darauf war eine ganze Flotte von Weltraum- und erdgebundenen Teleskopen auf das Doppelsystem im Sternbild Schwan gerichtet. Sie maß Strahlungausbrüche über den gesamten Spektralbereich mit Fluktuationen im Stunden- und Minutenbereich. Am drastischsten flammte V404 Cygni im Röntgenbereich auf: Hier war es zeitweise das hellste Objekt des gesamten Himmels, 50-mal heller als die "Standardkerze" der Röntgenastronomen, der Krebsnebel Messier 1 im Sternbild Stier. Den letzten Ausbruch von V404 Cygni hatten Astronomen im Jahr 1989 registriert.

Der Ausbruch von V404 Cygni im Jahr 2015 | Mit den Bilddaten seines Zwölf-Zentimeter-Schmidt-Cassegrain-Teleskops konnte Michael Richmond vom Rochester Institute of Technology im US-Bundesstaat New York diese Animation des Ausbruchs von V404 Cygni im Sternbild Schwan erstellen.

V404 Cygni ist ein Doppelsystem, in dem ein massearmer Stern ein etwa zwölf Sonnenmassen schweres Schwarzes Loch umkreist. Für einen vollen Orbit benötigt der Stern der Spektralklasse G oder K gerade einmal 6,5 Tage. Der geringe Abstand bewirkt einen stetigen Materieübertritt vom Stern in eine das Schwarze Loch umgebende Akkretionsscheibe. Normalerweise ist das System zu leuchtschwach, um mit Amateurteleskopen gesehen zu werden. Während des mehrere Tage dauernden Ausbruchs aber stieg die Helligkeit von V404 Cygni auf 11 mag, es war damit mehr als 250-mal heller als im Normalzustand.

Lichtkurve von V404 Cygni von Michael Richmond | Aus seinen Aufnahmen konnte Michael Richmond diese Lichtkurve der Nova V404 Cygni erstellen. Es zeigen sich rasche Helligkeitsabstürze, die wiederum von rasanten Anstiegen gefolgt werden.

"Der Stern spielte völlig verrückt", erzählt Michael Richmond vom Rochester Institute of Technology im US-Bundesstaat New York. Richmond beobachtete V404 Cygni in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni mit seinem Zwölf-Zoll-Schmidt-Cassegrain-Teleskop bei f/10 und einer SBIG-ST-9E-CCD-Kamera mit V-Band-Filter. "Innerhalb von eineinhalb Stunden fiel seine Helligkeit um 3,5 Magnituden, um in der folgenden Stunde wieder um zwei Größenklassen zuzulegen." Seine Einzelbilder fügte er zu einer eindruckvollen Animation zusammen. Von der American Association of Variable Star Observers (AAVSO) alarmiert, verfolgten Amateurastronomen zwischen dem 18. und 27. Juni ähnliche Helligkeitsschwankungen, visuelle Beobachter nahmen sogar ein Flackern im Zeitraum von Sekunden wahr – kürzer als die typischen Belichtungszeiten der CCD-Fotografen. Ob es sich dabei um echte Helligkeitsfluktuationen der Quelle gehandelt hat oder atmosphärisches Seeing, lässt sich im Einzelfall allerdings schwer beurteilen. Die AAVSO sammelt derzeit die von den weltweit verstreuten Beobachtern gewonnenen Daten und wertet sie zentral aus. Ihre kombinierte Helligkeitskurve zeigt eine Vielzahl von Helligkeitssprüngen über den Zeitraum von mehr als zehn Tagen. Am 27. Juni nahm die Helligkeit des Objekts stark ab, seither liegt sie bei etwa 17 mag.

Lichtkurve von V404 Cygni der AAVSO | Aus den Daten verschiedener Beobachter weltweit erstellte die "American Association for Variable Star Observers (AAVSO)" diese Lichtkurve des Ausbruchs von V404 Cygni. Auch hier lässt sich ein sprunghaftes Verhalten der Nova erkennen.

Damit hat sich V404 Cygni vorläufig wieder aus dem für normal ausgestattete Amateurastronomen zugänglichen Magnitudenbereich verabschiedet. Die große Show mag vorbei sein, dennoch sollte man das System vorerst nicht aus den Augen verlieren, meint Arne Henden, ehemaliger Direktor der AAVSO: "Der jüngste Ausbruch dauerte etwa 15 Tage, war also deutlich kürzer als der von 1989." Vor 26 Jahren blieb V404 Cygni über ganze zwei Monate aktiv. Ist also mit einem erneuten Aufflammen in der nächsten Zeit zu rechnen? "Wir wissen die Antwort darauf nicht", so Henden, "schon aus diesem Grund ist eine kontinuierliche Überwachung der Quelle, über die nächsten Wochen zumindest, wichtig."

Der jüngste Ausbruch war erst der vierte des Systems innerhalb der letzten 100 Jahre. In Archiven haben Astronomen neben dem 1989er-Ereignis noch zwei weitere aus den Jahren 1938 und 1956 gefunden. Jahrzehntelange Ruhe zwischen kurzen und heftigen Aktivitätsphasen ist also typisch für V404 Cygni. Über die Gründe dafür wird spekuliert. Als gesichert gilt, dass die energiereiche Strahlung entsteht, weil Material, kurz bevor es vom Schwarzen Loch verschluckt wird, durch die enorme Gravitation immer schneller verwirbelt und sich dabei erhitzt. Aber offenbar geschieht dies nicht kontinuierlich: Ein unbekannter Prozess scheint das Material zunächst in der Akkretionsscheibe zu speichern, ein ebenso rätselhafter Auslöser sorgt dann dafür, dass dieser Speicher zu bestimmten Zeiten überläuft und das Schwarze Loch mit hoher Rate "gefüttert" wird. "Jetzt, da dieses extreme Objekt wieder erwacht ist, sind wir alle begierig, mehr über diesen Mechanismus zu erfahren", sagt Carlo Ferrigno vom Integral Science Data Centre an der Université de Genève. Der europäische Gammastrahlungssatellit Integral ist eines der vielen Instrumente, die V404 Cygni kurz nach Swifts Alarm ins Visier nahmen.

Dank moderner Teleskope stehen die Chancen, das Geheimnis um V404 Cygni zu lüften, besser als je zuvor. Mit Swift etwa fanden Forscher am 30. Juni vier konzentrische Ringe um die zentrale Röntgenquelle. Die Ringe entstehen durch Streuung der Strahlung an Staubwolken. Die wiederum stammen womöglich von früheren Ausbrüchen, vermuten die Forscher. Lassen diese Wolken die Prozesse im Innern des Systems verstehen? Die Untersuchungen dauern noch an. In Kürze wird auch das Weltraumteleskop Hubble spektroskopische Beobachtungen des Systems im nahen und fernen Ultraviolettlicht durchführen.

Röntgenechos um V404 Cygni | Der Röntgensatellit Swift konnte diese konzentrischen Lichtechos im Röntgenbereich um V404 Cygni aufnehmen. Sie entstehen durch Reflexionen von Röntgenlicht in Staubwolken im Umfeld um die Nova.

"Die Hubble-Beobachtungen finden vom 10. bis zum 12. Juli statt, Unterstützung vom Erdboden ist dabei essenziell", sagt Arne Henden. Damit sind nicht nur Profisternwarten gemeint: "Auch Amateure sollten während dieses Zeitraums und ein paar Tage danach beobachten." Sollte V404 Cygni bis dahin allerdings nicht wieder deutlich heller werden, dürfen sich nur Besitzer von CCD-Kameras und größeren Teleskopen angesprochen fühlen.

Auch ist eine gewisse Erfahrung bei der Fotometrie schwacher Sterne gefragt: "Ein Problem stellen einige nahe Sterne dar, welche die Fotometrie von V404 Cygni erschweren. Einer befindet sich gerade einmal 6,5 Bogensekunden südlich." Viele der derzeit eingesendeten Beobachtungen lieferten daher fragwürdige Werte. Mit etwas Mühe könnten CCD-Aufnahmen aber später neu analysiert und der Einfluss der Nachbarsterne herausgerechnet werden, erklärt Henden: "Die Lichtkurve wird sich daher wahrscheinlich nochmals verändern, aber alle eingesendeten Beobachtungen sind nützlich und werden verwendet."

Interessierte Amateurastronomen sollten die Ankündigungen der AAVSO in der nächsten Zeit aufmerksam verfolgen. "Es macht sicherlich Spaß, das Objekt zu beobachten", meint Henden. Derart gewaltige Helligkeitsvariationen innerhalb von Minuten sehe man schließlich nicht alle Tage.

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