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Ausrottung des Guineawurms: Von 3,5 Millionen auf 14

Ausrottungsprogramme zeigen Erfolg: Der Guineawurm hat 2021 nur noch eine Hand voll Menschen infiziert. Jetzt gilt es, auch die tierischen Reservoire trockenzulegen.
Eine Gruppe von Frauen und Kindern sammelt Wasser aus einem schlammigen Fluss im Tschad

Während der Erreger der Covid-19-Pandemie sich derzeit ausbreitet wie nie zuvor, steht der Auslöser einer anderen Krankheit kurz vor dem Aussterben: Gerade einmal 14 Fälle einer Infektion mit dem Guineawurm wurden im Jahr 2021 gemeldet.

Das ist die niedrigste Zahl, die je erfasst wurde. Noch in den 1980er Jahren trat der Parasit, der schmerzhafte Hautläsionen verursacht, in mehr als 20 Ländern auf und befiel damals jährlich 3,5 Millionen Menschen.

»Es ist ziemlich erstaunlich«, sagt Adam Weiss, der das Programm zur Ausrottung des Guineawurms am Carter Center mit Sitz in Atlanta, Georgia, leitet. Seine Organisation gab die neuesten Infektionszahlen für 2021 Ende Januar bekannt. »14 Menschen auf einem Planeten mit fast acht Milliarden Menschen. Der Gedanke daran ist überwältigend.«

Gegenüber 2020 ist die Zahl der Infizierten noch einmal knapp um die Hälfte zurückgegangen. Das sei das Ergebnis der fast 40-jährigen Bemühungen internationaler Organisationen und nationaler Regierungen, sagt Weiss. Wenn es gelingt, die Welt vom Guineawurm zu befreien, wäre es nach den Pocken und der Rinderpest die dritte Krankheit, die in der Geschichte der Menschheit gezielt ausgerottet wurde.

Auch Julie Swann, die an der North Carolina State University in Raleigh zur Modellierung von Seuchen forscht, nennt den Fortschritt bemerkenswert. Vor allem, wenn man bedenke, dass es keine anerkannte Behandlung oder einen Impfstoff für den Parasiten gebe. Stattdessen hätten sich die Ausrottungskampagnen darauf konzentriert, die Übertragung zu verhindern.

Ob der Wurm sich allerdings auf absehbare Zeit komplett ausrotten lassen wird, ist fraglich. Denn noch immer vermehrt er sich in Haus- und Wildtieren, und das mache seine Kontrolle und Bekämpfung schwierig, erklären Experten.

Mit dem Guineawurm infizieren sich neben Menschen auch einige Tiere, darunter Katzen, Hunde und Paviane, wenn sie Wasser trinken, das mit Larven des Wurms verunreinigt ist. Nachdem der Parasit ein Jahr lang im Körperinneren gewachsen ist, dringt er durch die Haut seines Wirts nach draußen und wartet darauf, mit Wasser in Kontakt zu kommen, um Larven freizusetzen. Der Ausbruch des Wurms ist schmerzhaft und kann bis zu sechs Wochen andauern, so dass Menschen manchmal nicht arbeiten oder sogar nicht einmal mehr gehen können.

Da die Guineawurm-Krankheit leicht erkennbar ist, lässt sich der Parasit auch leicht nachweisen. Im Tschad, wo 2021 die Hälfte der 14 Fälle gemeldet wurden, haben die Mitarbeiter vor Ort ein Netzwerk aufgebaut, um kontaminierte Wasserquellen aufzuspüren, sagt Philippe Tchindebet Ouakou, der Koordinator des nationalen Programms zur Ausrottung des Guineawurms mit Sitz in N'Djamena. Sie verhindern dann, dass die Menschen das verseuchte Wasser trinken, und setzen Pestizide ein, um es zu desinfizieren.

Strohhalm mit Filter | Die Larven des Wurms gelangen über einen Zwischenwirt, winzige Ruderfußkrebse, in den Körper. Ein Strohhalm mit Filterfunktion, der um den Hals getragen wird, kann sie abfangen und ist jederzeit einsatzbereit. Auch auf diese Weise lässt sich der Parasitenbefall vermeiden.

Ähnliche Ansätze wurden in Ländern wie dem Südsudan, Mali und Äthiopien angewandt, wo die übrigen sieben im Jahr 2021 entdeckten Fälle auftraten. Diese Methoden haben die Fallzahlen niedrig gehalten, sagt Ouakou, und könnten auch zur Bekämpfung anderer endemischer Krankheiten eingesetzt werden.

Swann ist jedoch nicht ganz davon überzeugt, dass eine Ausrottung möglich ist: Es sei grundsätzlich schwierig, Krankheiten zu bekämpfen, die ein tierisches Reservoir haben. Allein im Tschad seien im Jahr 2021 790 Fälle von Guineawurm-Infektionen bei Hunden gemeldet worden.

Aber die bekannten Infektionen im Tierreich gingen bis 2021 um 45 Prozent zurück, sagt Weiss. Er bleibt optimistisch, dass eine Ausrottung in Reichweite ist. Die Programme zur Ausrottung des Parasiten beziehen auch die Haustiere der Bevölkerung mit ein. Paviane infizieren sich wahrscheinlich über Wasser, das von Hunden mit dem Guineawurm verunreinigt wurde. Weiss' Organisation wirbt darum dafür, infizierte Hunde an die Leine zu legen, um die Verbreitung des Erregers auch in der Tierwelt einzudämmen.

»Ich glaube fest daran, dass der Guineawurm ausgerottet werden kann«, sagt er. »Das wird uns einige Mühe kosten, doch wenn ich es für aussichtslos hielte, wäre ich der Erste, der das zugeben würde.«

Die International Task Force for Disease Eradication hat derzeit acht Krankheiten als potenziell ausrottbar eingestuft. Neben dem Guineawurm sind dies Polio, Mumps, Röteln, Elephantiasis, Zystizerkose, Masern und Frambösie.

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