Suche nach Außerirdischen: Alien-Jäger entdecken mysteriöses Signal von Proxima Centauri
Es sind nie Außerirdische. Bis sie es sind. Die britische Zeitung »The Guardian« hat von einem mysteriösen Signal berichtet, das von dem Stern Proxima Centauri ausgeht. Mit 4,2 Lichtjahren ist er bloß einen kosmischen Steinwurf von der Erde entfernt. Das Signal, das im Herbst 2020 in Archivdaten aus dem Jahr zuvor gefunden wurde, scheint aus der Richtung unseres Nachbarsterns zu kommen und lässt sich noch nicht als erdgebundene Störung abtun. Damit bleibt die vage Hoffnung, dass es sich um die Nachricht einer fortgeschrittenen außerirdischen Intelligenz (ETI) handelt, eine »Technosignatur«.
Die Entdecker betonen im Gespräch mit »Scientific American«, dass noch viel Arbeit vor ihnen liegt. Doch das Signal sei wirklich interessant. »Es hat einige besondere Eigenschaften, und wir können es noch nicht erklären«, sagt Andrew Siemion von der University of California, Berkeley.
Am merkwürdigsten ist, dass es ein sehr schmales Band des Radiospektrums besetzt: 982 Megahertz, um genau zu sein. Eine Region, die typischerweise frei von Übertragungen der von Menschen gebauten Satelliten und Raumfahrzeuge ist. »Wir kennen keinen natürlichen Weg, um elektromagnetische Energie in einem einzigen Frequenzbereich zu komprimieren«, sagt Siemion. Vielleicht könnte eine noch unbekannte exotische Eigenart der Plasmaphysik eine natürliche Erklärung dafür sein. Aber »im Moment ist die einzige Quelle, von der wir wissen, technologisch«.
Seit 1960 suchen SETI-Teams nach Außerirdischen
Die Entdeckung haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des 100-Millionen-Dollar-Projekts Breakthrough Listen gemacht, das von Siemion geleitet und von dem Tech-Milliardär Yuri Milner mitfinanziert wurde. Das Projekt hat im Jahr 2015 mit einer Ankündigung in Anwesenheit von Stephen Hawking und anderen Koryphäen der Weltraumwissenschaft begonnen. Ziel ist es, Beobachtungszeit für Radioteleskope auf der ganzen Welt zu kaufen, um den Himmel nach Beweisen für technologische Zivilisationen zu durchsuchen.
»Unglücklicherweise haben die Menschen eine Menge außerirdischer Technologie gestartet«
Jason Wright, Astronom
Manchen ist diese Suche besser bekannt als »Search for Extraterrestrial Intelligence« (SETI). Bis heute wurden trotz mehr als einem halben Jahrhundert bescheidener, aber beständiger SETI-Aktivitäten keine derartigen Beweise gefunden, wobei mögliche Signale fast immer als von Satelliten in der Erdumlaufbahn oder anderen vom Menschen verursachten Störungen stammend ausgeschlossen wurden.
»Wenn man ein solches Signal sieht und es nicht von der Erdoberfläche kommt, weiß man, dass man außerirdische Technologie entdeckt hat«, sagt Jason Wright, ein auf SETI spezialisierter Astronom an der Penn State University in Pennsylvania. »Unglücklicherweise haben die Menschen eine Menge außerirdischer Technologie gestartet.«
»Breakthrough Listen Candidate 1«, messerscharf bei 982,002 Megahertz
Die Geschichte des aktuellen SETI-Spektakels begann am 29. April 2019. Damals fingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, die Daten zu sammeln, die später das faszinierende Signal enthüllen sollten. Ein Team hatte das Parkes-Radioteleskop in Australien verwendet, um Proxima Centauri auf Anzeichen von Flares zu untersuchen, die von dem roten Zwergstern ausgehen, zum Teil um zu verstehen, wie solche Flares die Planeten von Proxima beeinflussen könnten.
Das System beherbergt mindestens zwei Welten. Die erste, die nach ihrer Entdeckung im Jahr 2016 Proxima b genannt wurde, ist etwa 1,2-mal so groß wie die Erde und bewegt sich in einer elftägigen Umlaufbahn. Proxima b befindet sich in der »bewohnbaren Zone« des Sterns, einem unscharf definierten Bereich, in dem flüssiges Wasser auf der Oberfläche eines Gesteinsplaneten existieren könnte – vorausgesetzt, Proxima Centauris intensive Sterneneruptionen haben die Atmosphäre einer Welt nicht weggesprengt. Ein weiterer Planet, der etwa sieben Erdmassen große Proxima c, wurde 2019 in einer eisigen 5,2-jährigen Umlaufbahn entdeckt.
»Es ist das aufregendste Signal, das wir im Rahmen des Breakthrough-Listen-Projekts gefunden haben, denn noch nie zuvor ist ein Signal durch so viele unserer Filter gelangt«
Sofia Sheikh, Astronomin
Mit Parkes hatten die Astronomen den Stern 26 Stunden lang beobachtet. Wie es für das Breakthrough-Listen-Projekt Routine ist, markierten sie die resultierenden Daten auch für einen späteren Blick, um nach möglichen SETI-Signalen zu suchen. Diese Aufgabe fiel einem jungen Praktikanten des SETI-Programms von Siemion in Berkeley zu, Shane Smith, der am Hillsdale College in Michigan studiert.
Smith begann im Juni 2020, die Daten zu sichten, Ende Oktober stieß er auf die merkwürdige schmalbandige Emission, die bei 982,002 Megahertz messerscharf ist und in den Beobachtungen von Proxima Centauri versteckt war. Von da an ging alles sehr schnell – aus gutem Grund. »Es ist das aufregendste Signal, das wir im Rahmen des Breakthrough-Listen-Projekts gefunden haben, denn noch nie zuvor ist ein Signal durch so viele unserer Filter gelangt«, sagt Sofia Sheikh von der Penn State University, die die anschließende Analyse des Signals für Breakthrough Listen leitete. Sie ist auch Hauptautorin einer Arbeit, die Anfang 2021 veröffentlicht wird. Bald gab das Team dem Signal einen formelleren Namen: BLC1, kurz für »Breakthrough Listen Candidate 1«.
Eine natürliche Erklärung ist unwahrscheinlich, Außerirdische sind noch unwahrscheinlicher
Um das Interesse eines SETI-Forschers zu wecken, muss ein Signal zunächst eine Reihe einfacher automatischer Tests durchlaufen, um offensichtliche irdische Störungen auszuschließen. Hunderte von Kandidaten durchlaufen jedoch routinemäßig diese Phase und werden für weitere Untersuchungen ausgewählt. Von da an werden fast alle als Trugbild oder Fehler abgetan – zum Beispiel als ein Übermaß an Rauschen, das den Auslesealgorithmus getäuscht hat, so dass sie nicht als irgendeine Art von Übertragung von sprechenden Außerirdischen in Frage kommen. »Außer diesem hier«, sagt Sheikh.
Bei der Überprüfung der Daten aus dem Jahr 2019 stellten Sheikh und ihre Kollegen fest, dass das Teleskop Proxima mehrmals in Scans von 30 Minuten Dauer im Lauf einer Woche betrachtet hatte. Breakthrough Listen verwendet eine Technik namens »Nodding«, bei der das Teleskop eine Zeit lang auf ein Ziel schaut und dann eine gleich lange Zeit an einen anderen Ort am Himmel, um zu überprüfen, ob ein potenzielles Signal wirklich vom Ziel kommt und nicht etwa von jemandem, der sein Mittagessen in der Cafeteria des Observatoriums in der Mikrowelle zubereitet.
»In fünf der 30-minütigen Beobachtungen über einen Zeitraum von etwa drei Stunden sehen wir, wie das Signal zurückkommt«, sagt Sheikh: ein Hinweis darauf, dass das Signal tatsächlich von Proxima Centauri stammt, bevor es seinen Weg zur Erde findet. Oder von einer anderen Deep-Space-Quelle in diesem Teil des Himmels.
»Das Wahrscheinlichste ist eine menschliche Ursache«
Pete Worden, Geschäftsführer der Breakthrough Initiatives
Man könnte also denken, dass der Fall damit abgeschlossen wäre. Aber während eine natürliche kosmische Quelle unwahrscheinlich erscheint, kann sie noch nicht ausgeschlossen werden. Und, so die Überlegung, so unwahrscheinlich eine natürliche Erklärung auch sein mag, eine »unnatürliche« Erklärung wie Außerirdische ist noch unwahrscheinlicher. Folglich besteht jedes Mitglied des Breakthrough-Listen-Teams, das für diesen Artikel interviewt wurde, standhaft darauf, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um etwas anderes als eine irdische Einmischung handelt, äußerst gering ist. »Das Wahrscheinlichste ist eine menschliche Ursache«, sagt Pete Worden, Geschäftsführer der Breakthrough Initiatives. »Und wenn ich sage, am wahrscheinlichsten, dann sind es etwa 99,9 [Prozent].«
Diese rationale Skepsis reicht bis ganz nach oben. »Als wir 2015 Breakthrough Listen mit Stephen Hawking ins Leben riefen«, sagt Milner, »war klar, dass wir alle Kandidatensignale mit dem strengsten wissenschaftlichen Ansatz analysieren werden.« Milner und anscheinend alle SETI-Forscher, die er unterstützt, gehen davon aus, dass BLC1 unter der nun intensiven Prüfung des Projekts verkümmern wird. Aber, vielleicht, nur vielleicht, wird es das nicht.
BLC1 wirkt eintönig und scheint zu driften
Vorerst stehen Monate weiterer Analysen an, um andere potenzielle Quellen endgültig auszuschließen. Und BLC1 selbst scheint zwar von Proxima Centauri zu kommen, entspricht aber nicht ganz den Erwartungen an eine Technosignatur aus diesem System. Erstens weist das Signal keine Spur von Modulation auf – eine Veränderung seiner Eigenschaften, die zur Übertragung von Informationen genutzt werden kann. »BLC1 ist im Grunde genommen nur ein Ton, nur eine Note«, sagt Siemion. »Es hat absolut keine zusätzlichen Eigenschaften, die wir zu diesem Zeitpunkt erkennen können.«
»Wir würden erwarten, dass das Signal in der Frequenz abfällt wie eine Posaune. Was wir stattdessen sehen, ist wie eine Zugpfeife – die Frequenz geht nach oben«
Sofia Sheikh
Und zweitens »driftet« das Signal, das heißt, es scheint sich in der Frequenz sehr geringfügig zu verändern – ein Effekt, der auf die Bewegung der Erde zurückzuführen sein könnte oder auf eine sich bewegende außerirdische Quelle wie einen Sender auf der Oberfläche einer der Welten von Proxima Centauri. Aber die Drift ist das Gegenteil von dem, was man naiverweise für ein Signal erwarten würde, das von einer Welt stammt, die um den nächsten Nachbarstern unserer Sonne kreist. »Wir würden erwarten, dass das Signal in der Frequenz abfällt wie eine Posaune«, sagt Sheikh. »Was wir stattdessen sehen, ist wie eine Zugpfeife – die Frequenz geht nach oben.«
Bisher haben Folgebeobachtungen mit Parkes das Signal nicht wieder entdeckt. Es braucht jedoch eine erneute Beobachtung, um zu bestätigen, dass BLC1 eine echte Technosignatur ist. »Wenn es ein ETI ist, muss es replizierbar sein, denn es ist unwahrscheinlich, dass es ein Einzelfall ist«, sagt Shami Chatterjee, ein Radioastronom von der Cornell University in New York. Wenn ein unabhängiges Team an einem unabhängigen Observatorium das gleiche Signal wiederfinden könne, wäre das ein starker Hinweis. »Ich würde Geld darauf wetten, dass sie das nicht tun«, sagt Chatterjee, »doch ich würde mich gerne irren.«
Nichtsdestotrotz bleibt es eines der faszinierendsten Signale, die von Breakthrough Listen – oder überhaupt von irgendeinem SETI-Programm – bis heute gefunden wurden. Sheikh vergleicht es mit dem so genannten »Wow!«-Signal, das im Jahr 1977 entdeckt wurde und von dem einige glaubten, es sei außerirdischen Ursprungs. »Ich denke, es ist dem Wow!-Signal ebenbürtig«, sagt sie.
Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es sich einfach um eine bisher unbekannte Störquelle auf der Erde handelt. In ein paar Monaten wird es wohl Gewissheit geben. Aber es sind ja eh nie Außerirdische … oder? »Ich hasse diesen Satz, denn wenn man das sagt, warum dann überhaupt suchen«, sagt Wright.
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